"Osmanen Germania"
Die türkischstämmigen „Rocker“ der „Osmanen Germania“ haben bundesweit zahlreiche Gruppen gegründet. Nach eigenem Bekunden hat der „Osmanen Germania Boxclub“ (OGBC) jedoch kein Interesse am Motorradfahren und grenzt sich insoweit von den traditionellen Rockergruppierungen und Motorradclubs ab. Bei Anti-PKK-Aufzügen türkisch-nationalistischer Gruppierungen in Hamburg und Mannheim im September 2015 trugen Ordner bzw. Security-Angehörige Symbole der „Osmanen Germania“. Wie sich politische Strukturen in rockerähnliche Gruppen transformieren, bzw. in Rockergruppen aufgehen, hat das Antifaschistische Infoblatt in den vergangenen Jahren vielfach beschrieben, letztmals im Schwerpunkt zu Bruderschaften (AIB, Nr. 110).
Diese Transformation ist jedoch kein typisches Phänomen in der politischen Rechten. Sie tritt häufig ein, wenn militante politische Organisationen obsolet werden: Beispielsweise wenn sie durch Repression oder interne Zerwürfnisse aufgerieben werden, oder sich nach gesellschaftlichen wie politischen Brüchen neu orientieren müssen. Die Geschichte der Kämpfer und Soldaten (nur sehr selten Kämpferinnen), die nach Ende der Kampfhandlungen, nach Sieg oder Niederlage, nicht mehr im zivilen Leben ankommen und mafiöse Strukturen bilden, ist ein häufiges literarisches und cineastisches Motiv. Wer dahingehend sozialisiert wurde, Konflikte durch Gewalt und Waffen auszutragen, dem sind andere Formen der Konfliktbewältigung eher suspekt. Wer seine Ressource im Kampf sieht, fühlt sich im zivilen Leben oft hilf- und wehrlos. Wer die Macht verspürt hat, die ihm die Waffe in der Hand verleiht, dem fällt es oft schwer, dieses Mittel aus der Hand zu geben. Wer im Untergrund klandestines Handeln, beispielsweise zur Beschaffung von Geld und Waffen, erlernt hat und über entsprechende Netzwerke verfügt, für den ist es mitunter ein großer Schritt, sich in einem mies bezahlten Job gesellschaftlich ein- bzw. unterzuordnen.
Hier kommt ein vor allem in rechten Gruppen wichtiges Motiv zum Tragen: Die soldatische Männlichkeit und die prinzipielle, weil durch Ideologien der Ungleichheit verfestigte, Verweigerung, diese in Frage zu stellen. „Die Waffen zu strecken“ wird als Geste der Kapitulation, Demütigung und vor allem als eine Entmännlichung empfunden. Geleitet sind die Vorstellungen der soldatischen Männlichkeit von der Ästhetik des Kampfes, den entsprechenden Gruppenaufstellungen und Ritualen. Die übergeordneten Werte sind die der Ehre, Loyalität, Furchtlosigkeit und Aufopferung, die Männer zu Kameraden oder Brüdern werden lassen. Hier spannt sich der Bogen zu Rockergruppen. Denn Gruppen im Rockerstyle geben ihren Angehörigen nicht nur das Versprechen von Macht und „echter“ Männlichkeit, sondern sie stellen ihnen vor allem einen Rahmen, in denen dies unmittelbar erlebt und zur Schau gestellt werden kann. Die Politik ist nicht das Feld von Rockern, denn sich auf dem politischen Parkett zu bewegen, meint reden, Kompromisse finden, Strategien verfolgen, wechselnde Allianzen bilden. Dies gilt als ein unehrliches Geschäft, das einen „echten“ Kämpfer von seinem „wahren Wesen“ entfremden, korrumpieren und domestizieren würde.
Wenn sich nun militante Organisationen wie die „Grauen Wölfe“ eine politische Strategie der Anpassung und Unterwanderung verordnen, dann wollen sie ihre Ziele dadurch erreichen, dass sie sich tarnen, nicht offen bekennen und unauffällig agieren.
Dies ist keine Option für Jungen, die „echte“ Männer werden wollen und auch nicht für Männer, die die Bestätigung ihrer Macht und Männlichkeit vor allem darüber finden, dass sie in den Schlagzeilen sind und dass man ihnen auf der Straße ausweicht. Genau dieses Angebot formulieren in türkisch-nationalistischen Kreisen nun Gruppen wie die „Osmanen“.