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Rechte Studentenverbindungen in Berlin

Ein für Berlin-Neukölln ungewöhnliches Bild bietet sich einem alljährlich dann, wenn der Ring Deutscher Soldatenverbände zum »Volkstrauertag« auf dem ehemaligen Garnisonsfriedhof1 lädt. Einträchtig stehen hier im regnerischen Novemberwetter hochrangige Militärattaches2 mit Gruppierungen wie der Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger, dem Stahlhelm und Abordnungen der Bundeswehr zusammen, um mit ernster Miene den »gefallenen Kameraden« oder wahlweise den »Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft« zu gedenken. NPDler wie Jörg Hähnel, der REP-Funktionär Konrad Voigt und die DVU-Landtagsfraktion Brandenburg um Sigmar Peter Schuldt legen gleichberechtigt mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge bedeu­tungsvoll ihre jeweiligen Kränze ab. Der Kranz der Ehemaligen der 26. Panzerdivision liegt wie selbstverständlich neben dem der Verband der Reservisten der deutschen Bundeswehr.

Vor der Kulisse von ca. ein dutzend Fahnenträgern drängen sich kurzhaarige Bomberjackenträger und ältere Herren mit Schiebermützen wie auf einem Klassenfoto. Für die älteren Veteranen der Erlebnisgeneration und die begleitenden Frauen werden in der ersten Reihe eigens Sitzbänke reserviert. Mittendrin steht, fast schon symbolhaft, zwischen der vermeintlich bürgerlichen und der extremen Rechten, die Berliner Burschenschaft Gothia.

Wenn von Rechtsauslegern innerhalb von Korporationen die Rede ist, bezieht sich dies zumeist auf Mitglieder oder Mitgliedsbünde der Deutschen Burschenschaft (DB). Daher sei der Fokus auf die DB-Mitgliedskorporationen gerichtet, zu denen in Berlin die Vereinigte Berliner Burschenschaft Thuringia3 , die Berliner Burschenschaft der Märker, die Burschenschaft Arminia Berlin und nicht zuletzt die Berliner Burschenschaft Gothia zählen. Dazu kommen etliche Altherrenverbindungen und Zusammenschlüsse wie der Berliner Waffenring, welcher sogenannte Pauktage für die schlagenden Verbindungen durchführt.

Wer ist die Deutsche Burschenschaft?

Die Deutsche Burschenschaft (DB) stellt den zweitgrößten Korporiertenverband mit 15.000 Mitgliedern in rund 115 Bünden in Deutschland und Österreich dar4 . Die DB ist dabei kein monolithischer Block, hier gibt bzw. gab es sowohl einen etwas liberaleren »Hambacher Kreis« als auch den extrem rechten Flügel der »Burschenschaftlichen Gemeinschaft« (BG) mit ca. 40 Bünden. Die verschiedenen Nuancen innerhalb der DB weisen allerdings nicht auf fundamentale Uneinigkeit, sondern auf ideologische Gradunterschiede hin. Grundlegendes Merkmal der DB ist deren restriktive Aufnahmepraxis: Frauen, Ausländer, Homosexuelle und Kriegsdienstverweigerer haben dort nichts zu suchen. Auf Verbandsebene sind dem rechtsextremen Spektrum zuzuordnende Politikkonzepte hegemonial. Wobei die BG mit extrem nationalistischen Grundsätzen, insbesondere großdeutschen Gebietsansprüchen, das Verbandsleben prägt.

Nach personellen Überschneidungen in die rechte bis neonazistische Szene braucht man daher nicht lange zu suchen. So gehören bzw. gehörten bekannte NPD-Aktivisten wie Andre Kapke aus Jena, der NPD-Vordenker Jürgen Schwab, wie auch sein Parteikollege Jürgen Gansel – jetzt Abgeordneter im sächsischen Landtag – zu Burschenschaften der DB5 . Im Januar 2000 wurde Gansel aus seiner Burschenschaft ausgeschlossen, da ihm vorgehalten wurde, einen Hausmeister attackiert zu haben, welcher sich über »Sieg Heil«-Rufe empörte.6 In einer Gegendarstellung bei Spiegel Online vom 27. September 2004 weist Jürgen Gansel darauf hin, den Hausmeister keinesfalls mit einem Luftgewehr beschossen zu haben. Er wurde im Oktober 2000 vom AG Marburg diesbezüglich freigesprochen. Von den Berliner Mitgliedsbünden der Deutschen Burschenschaft sind vor allem die »Märker« und die »Gothia« einschlägig aufgefallen.

Märker

Die Burschenschaft der Märker verfügt über eine Villa im gutbürgerlichen Bezirk Dahlem, nahe der Freien Universität Berlin. Für die extrem rechte Wochenzeitung »Junge Freiheit« richtete sie 2003 deren Sommerfest, inklusive Dampferfahrt, aus. Zu den Mitfeiernden zählte auch der bekannte Vordenker der »Neuen Rechten« Alain de Benoist. Der »Märker« Karsten Rausch ist nicht nur Pressesprecher im Dachverband der DB, sondern auch Rechtsanwalt in der Kanzlei Quensell und Kollegen7 . Er vertrat als solcher beispielsweise Marc K. aus dem Umfeld der Kameradschaft Aachener Land, dessen Fingerabdrücke im Oktober 2001 auf einer falschen Milzbrandsendung an die Jüdische Gemeinde gefunden wurden8 . Neben Bildungsarbeit und Seminaren, wie etwa zum Thema: »Keine Revolution ohne Staatsgelder« des JF-Autoren Manuel Ochsenreiter, versuchen sich die »Märker« in einer Art eigener Jugendarbeit. Dazu gründeten sie 1997 eine eigene Schülerverbindung, die »pennale Burschenschaft Theodor Fontane«, über die sie mit der Greifswalder Burschenschaft Rugia eng zusammenarbeiten. Bekannte Rugia-Mitglieder sind die NPDler Mathias und Stefan Rochow, letzterer ist JN-Vorsitzender im NPD-Parteivorstand9 .

Gothia

Die Gothia ist als einzige Berliner Burschenschaft Mitglied der Burschenschaftlichen Gemeinschaft, also des offen äußerst rechten Flügels der Deutschen Burschenschaft. Ihren Mitgliedern bietet sie seit Jahren eine breite Palette von rechten bzw. militaristischen Schulungsveranstaltungen, mit bekannten Protagonisten der extremen Rechten wie Alfred Mechtersheimer, Horst Mahler, Hans-Hellmuth Knütter oder aber auch etablierter Politprominenz wie dem ehemaligen Berliner Bürgermeister Eberhard Diepgen, welcher alter Herr der Burschenschaft Saravia Berlin ist.

Die Villa der Gothia in Berlin-Zehlendorf ist zudem Anschrift und Treffpunkt der Berliner »Reservistenkameradschaft Freiherr von Lützow«, deren etwa 25 Mitglieder die Interessen von Reservisten gegenüber der Öffentlichkeit und der Bundeswehr vertreten wollen10 . Ein Blick in deren Veranstaltungskalender zeigt recht deutlich, welches Spektrum hier be­dient wird, so referiert man hier über die multikulturelle Gesellschaft als »Konstrukt ohne Integrationspotential«. Dass sich der »Reservistenkollege« und Bezirksbürgermeister von Steglitz-Zehlendorf Herbert Weber dafür stark macht, der Gothia Räume im örtlichen Rathaus zu überlassen, verwundert daher nicht wirklich. Seit der Gründung der ersten Berliner Schülerverbindung »Iuvenis Gothia« 1981 wirbt die »Gothia« Gymnasiasten ab dem 14. Lebensjahr. Die ersten Mitglieder lernten sich so über die »Iuvenis Gothia« oder über CDU-nahe Schülergruppen kennen.

Prominente »Gothia«-Mitglieder sind die Rechtsanwälte Markus Roscher und Eckart Johlige, deren gleichnamige Kanzlei auch von der Gothia-Webseite verlinkt wurde.11 Roschers Parteikarriere führte nicht allein über »nationalliberale« Berliner FDP-Kreise und die CDU, zur Bundestagswahl 1998 kandidierte er zusammen mit seinen Bundesbrüdern Norman Plaster, Eckart Johlige und Rene Nehring12 für den rechten Bund Freier Bürger.

Fazit

Einen Überblick über studentische Verbindungen in Berlin zu geben ist kein leichtes Unterfangen. Im Gegensatz zu anderen Universitätsstädten treten diese weniger offen auf und gehören kaum zum Unialltag. Nichtsdestotrotz sind knapp fünfzig Verbindungen jedes Semester darum bemüht, neuen Nachwuchs zu rekrutieren. Die meisten von ihnen verfügen über eigene Verbindungshäuser mit entsprechenden Zimmerangeboten und betonen gerne den Einfluss ihrer alten Herren in Politik, Wirtschaft, Verwaltung und an den Universitäten. Auch wenn sie sich gern ein »freiheitliches« Image geben, vertritt zumindest die Deutsche Burschenschaft ein im Kern quasi organisches Volksverständnis und anti-emanzipatorische Ideologien. Ihre Verbindungen ins bzw. Überschneidungen zum extrem rechten Lager sind daher logische Folge. Das gleichzeitige Engagement rechter Burschenschaftler in etablierten wirtschaftlichen und parteipoltischen Strukturen eröffnet ihnen jedoch Einflussmöglichkeiten, die über die von »normalen« extrem rechten Zusammenschlüssen hinausgehen. Grund genug, das Wirken rechter studentischer Verbindungen im Auge zu behalten.

Weitergehende Informationen bietet der Reader »falsch verbunden« der Recherchegruppe studentische Korporationen in Berlin und der Reader »Burschenschaften & Studentenverbindungen« des apabiz e.V.

Bestellung:
mail [at] apabiz.de (mail[at]apabiz[dot]de)
burschisindiespree [at] gmx.de (burschisindiespree[at]gmx[dot]de)

  • 1Heute ist der Friedhof am Columbiadamm vor allem als ältester islamischer Friedhof Deutschlands bekannt.
  • 2Laut der Reservistenkameradschaft 08 Berlin Süd, gehörten am 16.11.2003 die Militärattaches aus England und Frankreich sowie der Botschafter von Malta zu den Ehrengästen, siehe: Kranzniederlegung auf dem Garnisonsfriedhof Columbiadamm, Torsten Meyer, RK 08 Berlin – Süd.
  • 3Nicht zu verwechseln mit der pflichtschlagenden Studentenverbindung L!Thuringia Berlin im Coburger Convent, welche mit Filmvorführungen wie »Churchills Friedensfalle« in ihrem Verbindungshaus am Mythos einer Ermordung des Hitlerstellvertreters Rudolf Hess mitstrickt. www.l-thuringia.de.
  • 4Laut ihrer eigenen Internetpräsenz www.burschenschaft.de
  • 5Der Rechte Rand # 68, Februar 2001, S. 11, Nach rechts offen – Die Deutsche Burschenschaft radikalisiert sich, Günter Mauser.
  • 6Oberhessische Presse, 8. Februar 2000, Marburger Burschen­schaft schließt NPD-Aktivisten aus.
  • 7»falsch verbunden« Reader zu studentischen Verbindungen in Berlin, Recherchegruppe studentische Korporationen in Berlin, Oktober 2004
  • 8Fachschaft Philosphie Aachen, philfalt # 73, 19.5.2003, Burschen und Anwälte, Max
  • 9Likedeeler Sonderausgabe 1. September, Scharnier oder Schnittmenge?, Sven Römer.
  • 10Reservistenkameradschaft Freiherr von Lützow im VdRBW – Landesgruppe Berlin, http://rk09-berlin.de
  • 11Berliner Zeitung, 21.03.1997, »Kritische Liberale«: Zweiter Versuch mit Mechtersheimer, Gothia Semesterprogramm für das WiSe 1999/2004, Referent: Bundesbruder Johlige
  • 12Nehring war erster Stipendiant der DB an der Uni Kaliningrad und Vorsitzender der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen bzw. dessen Nachfolgers dem Bund Junges Ostpreußen.