Rechter Waffenhandel: Die bayerisch-kroatische Connection
Im Februar 2021 flog in Bayern ein rechter Waffenhandelsring mit Verbindungen nach Kroatien auf. Geleakte Kommunikation der Beschuldigten und Recherchen der taz legen nahe, dass mit den Verkäufen womöglich auch der Aufbau einer AfD-nahen Organisation namens „Patriotische Alternative“ finanziert werden sollte.
Rechter Waffenhändlerring
Die Generalstaatsanwaltschaft München ermittelt gegen 16 Personen wegen Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Waffengesetz. Im Sommer 2020 waren in Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Österreich die Wohnungen und Büros der Beschuldigten durchsucht worden. Die Beschuldigten sind laut Staatsanwaltschaft "rechts eingestellt" oder als "Reichsbürger" bekannt. Acht von ihnen sollen im Bereich der politisch motivierten Kriminalität aufgefallen sein.
Der Hauptbeschuldigte Alexander Reichl (Neubiberg) und fünf weitere Männer sollen mit den Waffen gehandelt haben, die anderen zehn Beschuldigten hatten wohl Interesse am Kauf signalisiert. In der Kommunikation über soziale Medien war halbherzig verschleiert über gefährliche Kriegswaffen wie Uzi-Maschinenpistolen und AK-47-Sturmgewehre verhandelt worden (z.B. „1× UZ und 1× Ak sind schon verkauft also noch 4 Getriebe verfügbar“). Sichergestellt wurden am Ende „nur“ eine Pumpgun, ein Schießkugelschreiber, zwei Pistolen, rund 200 Patronen und ein Schalldämpfer. Laut Recherchen der taz waren die Ermittler bei den Durchsuchungen nicht überall gründlich und motiviert vorgegangen. Nicht alle potentiellen Käufer waren demnach aufgesucht worden. Bei einem Schloss in Sachsen wurde wohl nur eine einzelne Wohnung durchsucht.
Waffen für die AfD ?
Der erste Hinweis kam von außerhalb: Im März 2018 flog im kroatischen Slawonien ein Waffendeal auf. Bei einer Razzia fanden Ermittler automatische Gewehre, Munition und Handgranaten. Im Frühling 2019 verurteilte ein Gericht deswegen elf Personen. Ein Zeuge hatte hierbei ausgesagt, dass er wisse, dass die Waffen an die AfD in Deutschland gehen sollten. Laut „Frontal21“ erfuhren die Vernehmer, dass ein Alexander R. in Deutschland Waffen in einen PKW gepackt habe. „Einige Kalaschnikows, einige Pumpguns“, heißt es demnach in den Akten. Alexander R. „interessiere sich für automatische Waffen, Kurzwaffen, Pumps, Skorpione und Kalaschnikows (…) Die Waffen, die er nach Deutschland fuhr, seien für die AfD, eine rechte Partei, vorgesehen gewesen.“
Durchaus ein realistisches Szenario. Bei Dagmar Stanglmaier, (zeitweilges) AfD-Mitglied und (spätere) Mitarbeiterin des AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron, wurde im Sommer 2017 eine illegale Pistole gefunden. Das (frühere) AfD-Mitglied Alexander Reichl soll bei ihr eine weitere Waffe gelagert haben. Stanglmaier gab den Ermittlern der Polizei keine Informationen über die Herkunft ihrer Pistole preis.
Doch geleakte Kommunikation aus dem Sommer 2016 lässt aufhorchen. Stanglmaier fragte etwa Reichl: „Wann kommt mein Getriebe nach München?“. Er solle aus Kroatien „was gescheites für die 700 €“ mitbringen. Ende September 2016 schreibt Reichl eine Nachricht an einen seiner Kontakte: „Hast Du irgendwie die Möglichkeit bei Dagmar das Getriebe und Drucker abzuholen?“. Ein Werner K. schrieb Reichl Anfang 2017: „Du kennst Dagmar ???Die hat mich auf dich gebracht (…) Ok hast gute Auswahl und das mit dem Preis machen wir schon auch daß Dagmar mich dich empfohlen hat (…) Schuß ist genügend dabei.Grüße Kamerad“. Er soll laut der „Autonomen Antifa Freiburg“ zeitweilig Mitglied der bayerischen AfD gewesen sein. Stanglmaier wurde schließlich wegen unerlaubtem Besitz und Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe zu einer Bewährungstrafe und Sozialstunden verurteilt.
Eine dubiose Rolle als möglicher Geldgeber spielt wohl der AfD-Bundestagsabgeordnete Hansjörg Müller, der mit Reichl und Ignacio B. von der „Burschenschaft Normannia Heidelberg“ zeitweilig Rohstoffdeals in Chile geplant haben soll. An Reichl soll er über den AfD-nahen Mittelsmann Thomas M. 800 Euro weitergeleitet haben. Das dürfte in etwa der Preis für eine Pistole gewesen sein. Gegenüber der taz spricht er jedoch von einer Art vergessenen „Leihgabe“ und will sich nicht an Waffengeschäfte erinnern können.
Vernetzter Waffenhändler
Der in Bayern, der Schweiz und Kroatien lebende Reichl sitzt seit vergangenem Sommer in Untersuchungshaft. Der ehemalige Zollbeamte und Geschäftsmann baute nahezu systematisch Kontakte zu zahlreichen Rechten und Neonazis auf und war entsprechend gut vernetzt. Vor seiner Festnahme war er in vielen (extrem) rechten Kreisen unterwegs. Er selbst berichtete in einer Nachricht von einer Vergangenheit in der mittlerweile verbotenen Neonazi-Organisation „Wiking Jugend“ (WJ). Die neonazistische „Europäische Aktion“ (EA) beauftragte ihn zeitweilig, am Aufbau eines Stützpunktes in München mitzuwirken. Er berichtete von einer geplanten Fahrt zum „Armanenordenthing ins Hufhaus ev. bin da ja Mitglied und in der Artgemeinschaft.“
Möglicherweise war er Teil der Struktur der extrem rechten „Gedächtnisstätte Guthmannshausen“. Bei Facebook berichtete er einem NPD-Funktionär beim Thema Guthmannshausen, dass er „Beisitzer im Verein Gedächtnisstätte“ oder „im Beirat beim Verein Gedächtnisstätte“ sei. In einer Nachricht von Ende 2017 hieß es: „Vom 03.02.-04.02. findet in Guthmannshausen Thüringen ein lösungsorientiertes Treffen statt (...) zu dem wir alle volkstreuen Menschein herzlich einladen. Worte sind genug gefallen jetzt heisst es handeln.2018 muss die Plutokratie fallen (...)“
Zwei Einladungsschreiben und diverse Kommunikation lassen auch den Schluss zu, dass Reichl mit der „Patriotischen Alternative Bayern“ eine Veranstaltung mit den (extrem) rechten Referenten Richard Melisch, Hans Jörg Müller ("AfD-Mittelstandforum") und Bernhard Schaub ("Europäische Aktion") im April 2016 in München plante. Über die NPD-nahe Stiftung „Europa Terra Nostra“ (ETN) flog er Anfang 2018 nach Breslau und buchte im Sommer 2018 ein Videoseminar in der Berliner NPD-Zentrale. Unter dem Pseudonym „Arnulf Müller“ war er als Autor der Zeitschrift „Werk Kodex“ im Gespräch, mit dessen Herausgeber er auch privat vernetzt war.
Trotz diesen Verbindungen zu wichtigen Neonazi-Strukturen ist das Bild, das weitere Recherchen zu ihm ergeben, eher ernüchternd: Er schmiedete gerne große Pläne, galt aber bei deren Umsetzung als eher unzuverlässig. Er nahm gerne Geld in die Hand, war aber bei dessen Rückzahlung öfters im Rückstand. Trotzdem soll Reichl es gewesen sein, der in Kroatien die gewünschten Waffen für AfD-Anhänger, „Reichsbürger“ und andere Rechte beschafft habe.
taz-Recherchen, geleakte Kommunikation und polizeiliche Ermittlungen legen den Verdacht nahe, dass mit den Waffendeals wohl auch Geld für eine Art AfD-Unterstützungsorganisation namens „Patriotische Alternative“ beschafft werden sollte, die Reichl u.a. gemeinsam mit dem Ex-AfDler Hans W. aus Bad Homburg betrieb. Einem (potentiellen) Mitstreiter schrieb er im Sommer 2016: „die Patriotische Alternative Bayern vernetzen uns im Kampf gegen das Merkelsystem und bauen neue Strukturen auf, die sich in Unternehmensgründungen im Ausland, im Aufbau deutscher Schulen und Siedlungsprojekten in Ungarn (Unterstützt von Jobbik) in Kroatien und in der Schweiz und Liechtenstein niederschlägt.“ An Stanglmair schrieb Reichl im November 2016, man habe „die Patriotische Alternative gegründet um zielorientiert und effizient Kräfte zu Bündeln und Parallelstrukturen zu schaffen für die nationalen volksbewußten Kräfte.“
Spätestens im April 2017 überwarf sich Reichl jedoch mit der AfD und erklärte bei Facebook: „Die AFD ist eine vom System implementierte Partei der Plutokratie!Ich unterstütze sie nicht!Ich bin war und bleibe Nationalist und Sozialist!“. Die AfD beendete schließlich Anfang 2021 seine Mitgliedschaft wegen Nichtzahlung des Mitgliedsbeitrages.
Als ein weiteres Projekt versuchte Andreas Reichl einen Verein namens „HEXAGON“ bzw. „Hexagon 24“ zu gründen. Als deren Gründungsmitglieder waren laut eines Satzungentwurfes Alexander Reichl, Bernd Z. aus Gröbenzell, Hans J. W. aus Bad Homburg, Andreas E. aus Wörthsee, Dagmar Stanglmaier aus München, Lada P. aus Altomünster und Stefan B. aus München vorgesehen gewesen. Der Name von Stanglmair verschwand im Zuge der gescheiterten Umsetzung jedoch wieder aus den Planungsunterlagen und wurde durch Norman L. aus München ersetzt. Der Verein sollte wohl zur Tarnung der politischen Aktivitäten dienen. Man habe laut Infomail dazu „(...)unseren Bestrebungen und Zielen nun ein offizielles Gesicht oder Mäntelchen übergestreift (…) Der Verein trägt den (unverfänglichen und neutralen) Namen „HEXAGON““.
Fazit
Es dürfte in diesem Fall reines Glück gewesen sein, dass Alexander Reichl scheinbar nicht in der Lage war, seine politischen Projekte umzusetzen und hier als verbindliche Persönlichkeit die (extrem) rechte Szene zu vernetzen. Trotzdem war er längere Zeit in der Lage, der (extrem) rechten Szene Waffen zu besorgen. Vermutlich sind davon auch noch einige in Umlauf und stellen eine konkrete und lebensgefährliche Bedrohung dar.
Die Verhaftungen in diesem Fall sind anscheinend eher den Ermittlungen der kroatischen Polizei als den Erkenntnissen deutscher Behörden zu verdanken. Für Antifaschist_innen macht der Fall deutlich, dass Waffen nicht nur in militanten Neonazi-Netzwerken ein Problem darstellen, sondern auch im Milieu der (radikalisierten) AfD-Akteure.