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Spanien: Francos langer Schatten

Lars Laumeyer
Einleitung

Am 11. November 2007 sollte ein Aufmarsch der rechten Democracia Nacional in Madrid stattfinden. Auf dem Weg zu einer Gegendemonstration wurde der 16jährige Antifaschist Carlos Javier Palomino von einem Neonazi durch Messerstiche ermordet.

Bild: flickr.com/daquellamanera; Daquella manera/CC BY 2.0

Der Herbst 2007 war in Madrid von zahlreichen faschistischen Demonstrationen und Gegenaktionen geprägt. Am 11. November 2007 plante die Democracia Nacional (DN) im Stadtteil Usera einen Aufmarsch unter der Losung »Gegen den antispanischen Rassismus«. Die Coordiandora Antifascista, eine lokale Antifa-Koordination, organisierte Proteste. Inspiriert durch die erfolgreichen Blockaden gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm im Juni 2007 wollten sie den Aufmarsch verhindern und durch eine nicht-öffentliche Mobilisierung Polizei und Neonazis überraschen. Am Vormittag versammelten sich rund 250 Personen in einem linken Zentrum, um mit der U-Bahn direkt zu dem Platz zu fahren, an dem sich die Neonazis sammelten. Ein System aus Meldern informierte die AntifaschistInnen über Polizeikontrollen und die Anzahl der Neonazis bis das Signal zum Aufbruch kam.

Die AntifaschistInnen zogen zur U-Bahnstation und füllten den gesamten Bahnsteig bis der Zug eintraf. Sie hatten noch nicht alle den Zug bestiegen, als es im ersten Wagon zu einer Auseinandersetzung mit einem Neonazi kam. Gegenüber dem AIB beschrieb ein Zeuge die Situation wie folgt: »Wir hörten und sahen Tumult und blickten auf, als nacheinander mehrere Leute blutüberströmt aus dem Zug taumelten. Zunächst wussten wir nicht, was vor sich ging. Erst als Carlos zusammenbrach und wir den Nazi mit seinem Jagdmesser sahen realisierten wir den Ernst der Lage«. Der Neonazi wurde überwältigt und entwaffnet. Er konnte jedoch flüchten und wurde erst später festgenommen. Es sollte sich herausstellen, dass er Berufssoldat und Angehöriger der »Königlichen Garde«ein Teil der spanischen Armee war.

Der U-Bahnverkehr war zum Erliegen gekommen und die Antifas zogen zu Fuß Richtung Neonazi-Aufmarsch. Einige Freunde von Carlos blieben bei dem Verletzten. Inzwischen war ein Notarzt eingetroffen, der jedoch ohne Polizei die unterirdischen Bahnsteige nicht betreten durfte. Die Antifas mussten die Verletzten selbst bergen. Während einer der Verletzten in ein Krankenhaus gebracht wurde, mussten Notärzte Carlos vor Ort versorgen. Er hatte jedoch so viel Blut verloren, dass er noch am U-Bahnhof starb.

Die Nachricht von Carlos’ Tod verbreitete sich. Die Polizei reagierte mit äußerster Brutalität gegen die protestierenden AntifaschistInnen und löste gleichzeitig den Aufmarsch der DN vorzeitig auf. Der Tod von Carlos wurde schnell von den Medien aufgenommen, die jedoch den politischen Hintergrund leugneten und von »Auseinandersetzungen zwischen Banden« sprachen. Noch am gleichen Abend versammelten sich 1000 Personen zu einer Kundgebung. Statt vom neonazistischen Mord an einem 16jährigen Antifaschisten zu sprechen, übernahmen die Medien vielmehr Äußerungen von Polizei und Politik, die von Randalierern und Chaoten sprachen.

In den Folgewochen waren weitere Neonazi-Aufmärsche geplant, die jedoch durch massive antifaschistische Mobilisierungen verhindert werden konnten. Die Madrider Regierung hatte zwar alle linken Demonstrationen verbieten lassen, was jedoch von den antifaschistischen Gruppen ignoriert wurde. Eine Woche nach Carlos Tod zogen 4.000 Personen zum Bahnhof Legazpi und montierten eine Gedenktafel für Carlos.

Lars Laumeyer ist Sprecher der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB).
Mehr Informationen: www.nodo50.org