Waffen für Portugal?
Andreas FörsterDeutsche Neonazis versuchen sich als Waffenschieber
Im Jahre 2009 war der sächsische Neonazi Thomas Gerlach mal wieder auf einer Polizeiwache, diesmal auf der Kriminalpolizeistation im thüringischen Altenburg. Der Anlass ist zwar nicht bekannt. Überliefert aber ist in einem BKA-Bericht vom 1. Dezember 2011, dass es offenbar am Rande dieses Aufenthalts zu einem persönlichen Gespräch zwischen dem damals 30-jährigen Hammerskin-Aktivisten und einem Kriminalhauptkommissar kam. Der Beamte wollte wissen, warum Gerlach in der Szene den Spitznamen ACE trägt. ACE stehe inoffiziell in der Szene für »milde Bleiche«, also »weißer als weiß«, klärte ihn der Neonazi laut BKA-Bericht auf.1
Seinen Spitznamen dürfte Gerlach eher wegen seiner rassistischen Weltanschauung tragen, denn von einer »weißen Weste« kann bei ihm kaum die Rede sein. In einem von Gamma und dem Antifa-Rechercheteam erstellten Dossier wird der in Meuselwitz lebende Neonazi als eine Schlüsselfigur im Helfernetzwerk des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) bezeichnet. Neben dem jetzt zusammen mit Beate Zschäpe in München angeklagten Ralf Wohlleben ist Gerlach demnach »einer der bekanntesten Neonazis Thüringens – und als Mitbegründer und Anführer des militanten ›Freien Netzes‹ tonangebend in der Szene, auch über die Landesgrenzen hinaus«. Anfang 2007 hatte Gerlach zusammen mit Maik Scheffler, führender Kopf der sächsischen Kameradschaftsszene und Vizechef des sächsischen NPD-Landesverbandes, das »Freie Netz« gegründet. Dessen Aufbau, also die Zusammenfassung lokaler Zellen in einem Führungsgremium aus Kameradschaftsführern, ist dem Gamma-Dossier zufolge an das Konzept des »Thüringer Heimatschutzes« angelehnt und geht auf Gerlachs Erfahrungen aus THS-Zeiten zurück. Auch das BKA stuft den heute 34-Jährigen als führenden Neonazi ein. Seit 2005 sei Gerlach mehrfach mit politisch motivierten Straftaten aufgefallen, heißt es im BKA-Bericht. Er sei Aktivist der sächsischen Hammerskins und mehrfach bei Veranstaltungen des 2008 aufgelösten »Kampfbundes Deutscher Sozialisten« (KDS) in Erscheinung getreten. Laut dem gemeinsamen Informationssystem INPOL liegen zu Gerlach in Thüringen, Sachsen und beim BKA einschlägige Kriminalakten vor. In INPOL ist er zudem als »Straftäter rechtsmotiviert« und »gewalttätig« eingeordnet.
In den Akten des Verfassungsschutzes finden sich noch weit mehr Berichte über Gerlachs rechte Aktivitäten. Ein besonders aufschlussreicher Report stammt aus dem Jahre 2006. Verfasst hat ihn der portugiesische Nachrichtendienst SIRP, der seine Information seinerzeit an das Kölner Bundesamt für Verfassungsschutz übersandte, von wo aus der Bericht auch zum Thüringer Landesamt gelangte. Es geht um Waffengeschäfte der portugiesischen Hammerskins, in die Gerlach mit dem mehrfach vorbestraften deutschen Neonazi Alexander Larrass verwickelt gewesen sein soll.
Der Bericht greift die deutschen Verbindungen zum portugiesischen Ableger der Hammerskins um Mario Machado auf, einem Teil eines internationalen Netzwerk von Neonazi-Skinheads.2
Portugal hatte 2006 mehrere Aktivisten der Gruppe wegen Waffenhandels und illegalen Schießübungen zu Haftstrafen oder Hausarrest mit elektronischen Fußfesseln verurteilt. Gleichzeitig verhängte die Justiz ein Kommunikationsverbot zwischen den Hammerskins. Nach Erkenntnissen des SIRP wurde dieses Kommunikationsverbot allerdings mit Hilfe eines deutschen Neonazis unterlaufen: Thomas Gerlach.
Gerlach soll seinerzeit nach SIRP-Erkenntnissen Nachrichten zwischen seinen unter Arrest stehenden portugiesischen Gesinnungsleuten transportiert haben. Außerdem soll er dem Bericht zufolge beauftragt gewesen sein, für bestimmte Waffen, die von den Hammerskins bei ihren Schießübungen benutzt wurden, Schalldämpfer nach Portugal zu schmuggeln. Thomas Gerlach, so heißt es in dem SIRP-Bericht weiter, habe zugesagt, diese Schalldämpfer über seinen deutschen Kontaktmann Alexander Larrass zu besorgen.
Spätestens jetzt wird die Dimension von Gerlachs Portugal-Connection deutlich. Denn bei Larrass, der seit 2003 neben der deutschen die italienische Staatsbürgerschaft führt und den Namen seines Vaters Rotelli angenommen hat, ist den deutschen Sicherheitsbehörden seit langem als Waffenhändler und gewalttätiger Neonazi bekannt. Im Oktober 1999 war er wegen illegalen Waffenhandels zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Noch in der Haft plante Larrass einem BfV-Report von 2004 zufolge den Aufbau einer rechten Terrorgruppe.3
Die Sicherheitsbehörden hatten Briefe abfangen können, in denen er Mitstreiter für Mordanschläge auf Geheimdienstler und V-Leute suchte. In seinen Briefen phantasierte Larrass auch davon, mit Gesinnungsgenossen in Ostpreußen eine »befreite Zone für Nationalsozialisten« zu schaffen. Von dort wollte er den »nationalrevolutionären Volksbefreiungskampf« gegen die Bundesrepublik führen.
Nach seiner Haftentlassung reiste Larras/Rotelli mehrfach nach Schweden, Italien und in die Schweiz. Dort soll er laut BfV-Report Waffenteile und militärische Ausrüstungsgegenstände besorgt haben. Außerdem habe er seinerzeit »höchst konspirativ (versucht), verschiedene Gesinnungsgenossen für eine Zusammenarbeit zu gewinnen«, heißt es in dem Bericht weiter.
Larrass’ Terrorphantasien korrespondieren mit den militanten Bestrebungen der internationalen Hammerskin-Bewegung. Auch die Hammerskins bekennen sich zum bewaffneten Kampf gegen den Staat. Das äußert sich bei den Mitgliedern unter anderem in der geradezu mystischen Verehrung der vor 25 Jahren in den USA zerschlagenen Terrororganisation »The Order« (Brüder Schweigen). Die Gruppe, die wie später der deutsche NSU nach dem Prinzip bewaffneter Zellen und des »führerlosen Widerstandes« handelte, hatte 1983/84 einen jüdischen Radiomoderator ermordet und weitere schwere Verbrechen in den USA begangen, bevor sie vom FBI infiltriert und zerschlagen werden konnte.
Auch Thomas Gerlach gehört seit vielen Jahren der Hammerskin-Bewegung an. Antifa-Recherchen zufolge pflegt er besonders enge Kontakte zu Hammerskins in Portugal. Auf Fotos, die Antifa-Blogs im Internet veröffentlicht haben, ist Gerlach auf dortigen Treffen zu sehen. Auch trägt er ein T-Shirt mit dem Schriftzug »Hammerskins Portugal«. Am 20. April 2007 trat er sogar als Redner auf einer rechten Veranstaltung in Portugal auf.
Daneben pflegt Gerlach auch gute Beziehungen zu Hammerskins und anderen rechten Bewegungen in der Schweiz. Im September 2006 war er Gast des Parteitags der neonazistischen »Partei National Orientierter Schweizer« (PNOS) und hielt dort eine Rede. In der Folge wurde er von den Schweizer Behörden mit einer dreijährigen Einreisesperre belegt. Ein besonders enges freundschaftliches Verhältnis pflegt Gerlach mit dem PNOS-Funktionär Mario Friso, der auch den »Schweizer Hammerskins« (SHS/ Crew 38) angehört. Noch eine Gemeinsamkeit mit Gerlach: Friso gehört nach Gamma-Recherchen zum militanten Flügel der Schweizer Neonaziszene und leitet im Berner Oberland »Freie Kräfte« nach deutschem Vorbild an.
Und so durfte Friso auch auf Einladung Gerlachs im Oktober 2008 bei einer Neonazi-Veranstaltung in Zwickau referieren. Organisiert worden war das Neonazi-Treffen vom »Freien Netz Zwickau« sowie dem ehemaligen NPD-Landtagsabgeordneten und Ex-Spitzel Peter Klose.
Hammerskins, Portugal, Schweiz, Larrass/Rotelli, Waffenhandel – kein Wunder, dass die Bundesanwaltschaft Thomas Gerlach seit langem auch dem Umfeld des NSU in Deutschland zuordnet. In der sogenannten »129er Liste« rangiert sein Name in der Kategorie jener Personen, die über »nachgewiesene Kontakte zu Tätern oder Beschuldigten des Ermittlungsverfahrens« verfügen. So war »Ace« zusammen mit Holger Gerlach, dem Mitangeklagten von Beate Zschäpe, 1999 auf die Geburtstagsparty eines Neonazis in Niedersachsen gereist. Außerdem hatte er in dem Nazi-Internetforum »HatecoreTK« den Namen von Mandy Struck als Passwort benutzt, die ebenfalls als Unterstützerin der Zwickauer Terrorzelle gilt.
Hinzu kommt, dass Thomas Gerlach wie Zschäpe und deren Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in den 1990er Jahren dem Thüringer Heimatschutz (THS) angehörte. Auch nach der Flucht des Trios hielt er engen Kontakt mit Ralf Wohlleben, der dem NSU die Tatwaffe für die Ceska-Morde besorgt haben soll, sowie zu André Kapke, der anfangs ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der 1998 in den Untergrund gegangenen Neonazis spielte.
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- 1 Eine andere Erklärung für den Spitznamen »ACE« ist die Mitherausgabe eines Fanzines namens »ace f spades«.
- 2www.antifainfoblatt.de/artikel/internationaler-hass
- 3www.antifainfoblatt.de/artikel/bewaffnete-verdachtsfaelle