Wahlverwandtschaften - Der Mord an Chris Hani
Hein Möllers, Redakteur der Zeitschrift »afrika süd«1993 war es drei Jahre her, dass in Südafrika nach einem gewaltfreien Weg aus der Apartheid gesucht wurde. Das Supremat der Weißen stand zur Disposition und die Verhandlungen standen vor der entscheidenden Phase. Eine Reihe von gewaltsamen Versuchen, den Prozess zu behindern, konnten abgewendet werden: In Bisho, in der heutigen Provinz Ostkap, ging der Chef der Ciskei, eines Kleinstaates von Apartheidsgnaden, mit Rückendeckung der weißen Polizei gegen Demonstranten vor, die eine Wiedereingliederung der Ciskei in Südafrika forderten. Es gab 30 Tote. Im Township1 Boipatong, südlich von Johannesburg, mobilisierte die Inkatha-Bewegung2 den Mob gegen den ANC3 . Es gab mindestens vierzig Tote. Die rassistische Afrikaner Weerstandsbeweging4 drang mit einem gepanzerten Fahrzeug in die Vorhalle des Verhandlungsortes ein und forderte mit gezückten Waffen die Selbstauflösung der Versammlung. Diese und andere Krisen konnten aber von den Verhandlungspartnern gemeistert werden.
- 1Township ist die Bezeichnung für die während der Apartheid in Südafrika und im südafrikanisch verwalteten Namibia eingerichteten Wohnsiedlungen für die schwarze, die farbige oder die indische Bevölkerung.
- 2Die Inkatha Freedom Party (IFP) wurde 1975 von Mangosuthu Buthelezi gegründet und wird noch immer von ihm geführt. Die Inkatha versteht sich als antikommunistisch und als Gegenpartei zum African National Congress (ANC). Während der Zeit der Apartheid suchte sie anders als der ANC die Zusammenarbeit mit der weißen Regierung.
- 3Der Afrikanische Nationalkongress (meist African National Congress, kurz ANC) wurde 1912 gegründete. Von 1960 bis 1990 waren ihre Aktivitäten in Südafrika illegal, der ANC hatte jedoch als führende Bewegung gegen die Apartheid großen Einfluss. Seit 1994 stellt er die Regierung. Ihr bekanntester Politiker ist Nelson Mandela.
- 4Die Afrikaner Weerstandsbeweging (AWB; deutsch: »Afrikaaner Widerstandsbewegung«) ist eine rassistische Burenbewegung in Südafrika. Sie wurde 1973 von Eugène Terre’Blanche gegründet und versuchte, mit gewaltsamen Aktionen das Ende der Apartheid zu verhindern.
Dann wurde am 10. April 1993 Chris (Martin Thembisile) Hani ermordet. In den Townships brachen sich Wut und Hass den Weg, zumal schnell bekannt wurde, dass der Attentäter ein Weißer war. Die Verhandlungen standen vor dem Aus, Südafrika vor einem Bürgerkrieg. Chris Hani gehörte der Führung des ANC an, war 1963 ins Exil gegangen und dort zum Befehlshaber des Umkhonto we Sizwe1
aufgestiegen. Er genoss hohes Ansehen und wurde zum Vertrauten der »verlorenen Generation«, die seit 1985 die Aufstände in den Städten getragen und das Apartheidsregime an den Verhandlungstisch gezwungen hatte. Ihm hörten sie zu, wenn er Notwendigkeit und Chancen von Verhandlungen erklärte. Nun war er tot, erschossen von einem Weißen, und – das musste auch die Polizei, die immer noch der Apartheidsregierung unterstand, zugeben – es war keine Einzeltat, sondern ein Komplott. Schließlich gelang es Nelson Mandela einen – gespannten – Frieden wiederherzustellen und die Verhandlungen fortzusetzen. In einer TV- und Rundfunkansprache erklärte der spätere Präsident des Landes »Heute wende ich mich an jeden Einzelnen in Südafrika, sei er schwarz oder weiß... Es war ein Einwanderer, der voller Hass und Vorurteile in unser Land gekommen ist und Chris Hani ermordet hat. Es war eine weiße Südafrikanerin, eine Nachbarin Hanis, die mit ihren Hinweisen der Polizei die Ergreifung des Täters ermöglichte.« Der Attentäter war Janusz Walus, ein in Südafrika eingebürgerter Pole. Die Ermittlungen der Polizei deckten schnell auf, dass hinter Walus eine Verschwörung stand, die ins rechte politische Lager verwies. Die Schlüsselfigur war Cliff John Derby-Lewis, ein prominentes Mitglied der extrem rechten Konservativen Partei (CP) für die selbst die Apartheidspolitik der Nationalen Partei und deren Einwilligung in Verhandlungen ein Verrat an der »weißen Sache« darstellte. Walus und Derby-Lewis wurden noch nach Apartheidsgesetzen zum Tode verurteilt. Die Abschaffung der Todesstrafe im neuen Südafrika bewahrte sie jedoch davor.
Derby-Lewis war zur Zeit des Attentates 1993 auch Direktor der Stallard Foundation, die Kontakte zur internationalen World Apartheid Movement (WAM) unterhielt. 1992 war Derby-Lewis Präsident des Western Goal Institute (WGI) geworden, das sich dem »Schutz westlicher Lebensweise« verschrieben hatte. Er übernahm das Amt von Roberto d'Aubuisson, dem Führer der berüchtigten Todesschwadrone in El Salvador.
Als Präsident der WGI unterstützte er die Selbstverteidigungs-Ausbildung für Weiße zum »Schutz gegen Terrorangriffe des ANC«. Das Training wurde von der Republican Unity Movement for South Africa durchgeführt, deren Vorsitz Derby-Lewis übernahm. Die Ausbildung besorgten Experten der südafrikanischen und ehemaligen rhodesischen Armee sowie des britischen Special Air Service2
. Die Mordwaffe gehörte Derby-Lewis. Er hatte sie unter dubiosen Umständen »zur Selbstverteidigung« aus Armeebeständen erworben. Bei Walus fand man ferner vier gültige Waffenlizenzen, darunter eine für Maschinenpistolen. Ungewöhnlich für einen Zivilisten, der erst 1986 in Südafrika eingebürgert worden war. Die Polizei fand bei Walus und Derby-Lewis zudem umfangreiche Listen mit Kontaktpersonen der internationalen Neonaziszene – auch in der Bundesrepublik. Der Umstand, dass ein Attentäter über Beziehungen zur deutschen Neonaziszene verfügte, blieb weitestgehend unbeachtet. Lediglich Gregor Gysi und Ulla Jelpke (Die Linke) versuchten im April 1993, mit 20 Fragen an die Bundesregierung über »Kontakte bundesdeutscher Neofaschisten zu südafrikanischen Rechtsextremisten und Rassisten«, die Rolle des Hilfskomitees Südliches Afrika (HSA), der Zeitschrift Nation & Europa und der Deutsch-Südafrikanischen Gesellschaft (DSAG) in diesem Mord-Komplett zu ergründen. Das geringe Interesse der Ermittlungsbehörden kann kaum verwundern, saßen doch im Kuratorium der Gesellschaft auch Mitglieder des Deutschen Bundestags. Explizit fragten die Abgeordneten auch nach den deutschen Neonazikontakten des Attentäters: »Welche Rolle spielen nach Kenntnis der Bundesregierung das FAP-Mitglied Guido Bartz aus Oldenburg und der vorzeitig aus der Haft entlassene Rechtsterrorist Manfred Roeder in diesem Zusammenhang?«3
Roeder war zuvor wegen Rädelsführerschaft in einer rechtsterroristischen Vereinigung zu 13 Jahren Haft verurteilt, aber 1990 vorzeitig entlassen worden.
Ein weiterers Mitglied des Verschwörerkreises, der damalige südafrikanische Journalist Arthur Kemp und spätere Funktionär der britischen Neonazipartei BNP, bereitete sich bei seiner Verhaftung auf eine berufliche Tätigkeit in Deutschland vor. Er hatte enge Kontakte zur extrem rechten Zeitschrift Nation & Europa. Deren Herausgeber waren damals das NPD-Mitglied Peter Dehoust, der NPD-Gründer Adolf von Thadden sowie der ehemalige bayerische Republikaner-Vorsitzende und Mitglied der Deutschen Liga für Volk und Heimat (DLVH) Harald Neubauer, der 1993 auch Mitglied im Europa-Parlament war. Der Zeitschrift angegliedert war das HSA, welches wie das Blatt einen »Völkermord durch Vermischung und Durchrassung« befürchtete. 1992 referierten beim HSA Andries Treurnicht, damals Chef der CP, sowie Arthur Kemp. Kemp forderte dabei unter dem Beifall der etwa hundert Zuhörer zur Gewalt gegen Schwarze in Südafrika auf, um einen »weißen Volksstaat« zu erzwingen. Seine Rede wurde vom damaligen Funktionär der DSAG und ehemaligen Staatsanwalt Dr. Karl Spiess übersetzt. Im Kuratorium der DSAG, die sich nach außen honorig und mit ihren vielen Grafen im Vorstand geradezu adelig gab, befanden sich auch prominente CDU-Politiker wie Volkmar Köhler. Nach dem Mord an Hani wurde die Verbindung der DSAG zu den gewalttätigen Rassisten in Südafrika untragbar. Die Gesellschaft erklärte auf ihrer Hauptversammlung eine gleichzeitige Mitgliedschaft oder Zusammenarbeit mit dem HSA oder Nation & Europa, die jahrelang nicht beanstandet wurde, für unvereinbar. Der gesamte Kreisverband Coburg trat daraufhin aus der DSAG aus. Die Verbindungen zwischen deutschen und südafrikanischen Apatheidsbefürwortern waren bis dato keineswegs neu und sie rissen nie ab. Nach dem Ende der Apartheid sind in Südafrika weiterhin deutsche Neonazis und auch das Hilfskomitee aktiv. Der frühere Panzergrenadier der Bundeswehr Claus Nordbruch hatte hier im Zuge der Ermittlungen gegen den NSU das Interesse von Ermittlern geweckt und damit auch das Hilfskommitee wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Hartmut Fröschle, ein Professor aus Stuttgart, erklärte gegenüber der Wochenzeitung Kontext sogleich, er sei »seit einigen Jahren nicht mehr Vorsitzender«, obwohl er als solcher noch auf der Internetpräsenz der HSA auftauchte. Fröschle war nicht nur HSA-Funktionär, sondern ist auch im Verwaltungsrat sowie Vorstandsmitglied des »Vereins für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland« (VDA-Globus) aus Stuttgart. Den Bundesvorsitz hat der parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Hartmut Koschyk (CSU), inne. Dieser Verein hieß bis 1955 »Verein für das Deutschtum im Ausland« und unterstützt, wie auch das Hilfskomitee, deutsche Schulen im Ausland.
- 1Umkhonto we Sizwe (»Der Speer der Nation«), der militärische Arm des ANC wurde am 16. Dezember 1961 vom ANC und der South African Communist Party (SACP) gegründet und führte vor allem Sabotageaktionen gegen das Apartheidsregime durch.
- 2Der Special Air Service (SAS) ist eine Spezialeinheit der BritishArmy.
- 3Deutscher Bundestag, 12. Wahlperiode, Drucksache 12/4847