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Neonazis organisieren „Sügida“ in Thüringen

Kai Budler
Einleitung

Unter dem Titel „Südthüringen gegen die Islamisierung des Abendlandes“ versuchen Neonazis auch in Thüringen den „GIDA-Boom“ für sich zu nutzen. Anders als in anderen Bundesländern liegt im Freistaat die Organisation gleich in den Händen bekannter Neonazis.

Teilnehmer einer Sügida-Demonstration.

Sie will Neonazi-Gegnern „die Zunge herausschneiden“ und dass Migranten „alle mitsamt der Gebärmaschinen über’n Haufen geknallt“ werden, meint, „dass wir wieder einen Führer brauchen“ und hofft „auf den Endsieg“. Wegen der Facebook-Kommentare der „Sügida“-Anmelderin Yvonne Wieland ermittelt die Staatsanwaltschaft in sieben Fällen wegen Volksverhetzung und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten.

Die Frau hatte stets versucht sich im Rahmen der „Sügida“-Anmeldungen in Suhl als „unpolitisch“ zu geben, dabei entstammt die langjährige NPD-Wählerin dem Umfeld des extrem rechten „Bündnis Zukunft Hildburghausen“ (BZH). Ein Foto zeigt sie mit Michael Regener, dem Frontmann der RechtsRock-Band "Die Lunikoff-Verschwörung“, nach einem Konzert im Erfurter Neonazi-Treffpunkt „Kammwegklause“. Links neben Regener posiert Beatrix Meißner, sie wird im BZH-Impressum als Verantwortliche genannt und kandidierte zur Kommunalwahl 2014 für das BZH.

In Suhl ist sie die stellvertretende Versammlungsleiterin der „Sügida“-Aufmärsche mit bis zu 1.000 Teilnehmern. Vor der Kommunalwahl 2009 hatte sich das BZH als „Wählergemeinschaft“ gegründet, der maßgebliche Initiator war Beatrix Meißners Sohn Tommy Frenck, der ebenfalls zum Organisationsteam von „Sügida“ gehört und von Wieland als „Herr Gauleiter“ gegrüßt wurde. Erst im Dezember 2014 hatte Tommy Frenck im südthüringischen Ort Kloster Veßra für 80.000 Euro einen ehemaligen Gasthof erworben, wo am 16. Februar 2015 die erste „Sügida-Saalveranstaltung“ stattfand. Frenck erstellt er die Veranstaltungsseiten bei Facebook für „Sügida“, pöbelt dort gegen Migrant_innen und Asylbewerber_innen und pflegt gute Kontakte zum Betreiber von der Neonazi-Online-Sendung „FSN TV“ und Inhaber des Neonazi-Labels „Ansgar Aryan“, Patrick Schröder. Er stellte sein Auto als Lautsprecherwagen für „Sügida“ zur Verfügung und versuchte sich an vermeintlich humorvollen Moderationen der Kundgebungen.

Der als „Nipster“ ("Nazi-Hipster") bezeichnete Patrick Schröder hatte bei „Ansgar Aryan“ die Geschäfte nach außen übernommen, nachdem eine Verurteilung des bisherigen Betreibers Daniel Kilian aus Thüringen wegen Drogendelikten zu einer längeren Freiheitsstrafe öffentlich bekannt geworden waren.

Oft begleitet wird Schröder auch in Suhl von Marcus R., der für das Neonazi-Label als Model posierte und gegen den wegen des militanten Überfalls auf eine Kirmesgesellschaft in Ballstädt im Februar 2014 ermittelt wird.

Unterstützung erhält die extrem rechte Szene in Südthüringen von Neonazis aus dem benachbarten Franken wie der Initiative „Coburg – frei statt bunt“, die offenbar das Erbe der Vereinigung „Fränkischer Heimatschutz“ antritt, die sich im Jahr 2013 aufgelöst hatte.

Auch die Liste der Redner während der „Sügida“ Kundgebungen in der Suhler Innenstadt ist alles andere als eine Ansammlung besorgter Bürger, wie die Veranstalter unermüdlich suggerieren wollen. Am Mikrofon standen unter anderem der aus dem „Blood&Honour“-Milieu stammende NPD-Landesorganisationsleiter David Köckert, der rechtskräftig wegen Holocaustleugnung verurteilte Paul Lattusek und ein Vertreter der Wählergemeinschaft „Pro Arnstadt“, dem schon 2010 „Kontakte in die örtliche Neonazi-Szene“ attestiert worden waren.

Mit diesen Informationen im Landtag konfrontiert, tut sich vor allem die regionale Struktur der Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) mit einer unverblümten Ignoranz hervor, wie der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Stephan Brandner bewies, der im Plenum freimütig bekannte, er kenne nicht einen einzigen von denen, die "da im rechten Spektrum angesiedelt worden" seien. Ein anderer AfD-Politiker hingegen dürfte diese Neonazis eigentlich genauer kennen, denn der AfD-Chef in Südthüringen, Heiko Bernardy, wechselte sich mit ihnen auf Kundgebungen am Mikrofon ab. Nach seinen unsäglichen Aussagen verlor er seinen Job als Wahlkreismitarbeiter einer AfD-Landtagsabgeordneten und trat aus der AfD aus.

Auch David Köckert war einst Mitglied der AfD, bevor der Initiator der rassistischen „Bürgerinitiative gegen ein Asylheim“ in Greiz im Februar 2014 öffentlichkeitswirksam zur NPD wechselte. Mit anderen NPD-Funktionären ist Köckert inzwischen regemäßiger Gast auf den Sügida-Kundgebungen und wartet auf das obligatorische „Nein“ zu seiner Frage „Stehen denn hier nur Nazis, Rassisten und Ewiggestrige?“. Dabei ist es genau der extrem rechte Mob, der in Suhl Zulauf erhält und von Rufen wie „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“ oder „Hier marschiert der nationale Widerstand“ begleitet durch die Stadt marschiert.

Zu den Anhängern gehören Neonazis aus Erfurt um den langjährigen Hooligan und NPD-Stadtrat Enrico Biczysko, aus dem Weimarer Land um den Neonazi-Demonstrations-Anmelder Michel Fischer und von den „Freien Kräften Gotha“, bzw. dem extrem rechten „Bündnis Zukunft Landkreis Gotha“. Unter ihnen auch Thomas Wagner, Tony St. und Matthias P., gegen die ebenfalls wegen des Überfalls in Ballstädt ermittelt wird.

Auch bei einem Großteil der übrigen Teilnehmer dominieren Kleidungsstücke von Neonazi-Labels oder bei Neonazis beliebten Marken. Schriftzüge wie „Arische Bruderschaft“ und Aufdrucke weisen auf den braunen Hintergrund zahlreicher TeilnehmerInnen hin.

Die größten Neonazi-Aufmärsche in Thüringen seit langer Zeit bleiben nicht ohne Auswirkungen in dem Ort, in dem eine von landesweit zwei Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht ist. Nur einen Tag nach dem ersten „Sügida“-Aufmarsch kam es zu einem gewalttätigen Angriff auf einen syrischen Flüchtling in der Suhler Innenstadt.