Homophober Vorstoß in Frankreich
Valérie DubslaffDie öffentliche Kampagne gegen die Homo-Ehe
Kein Gesetz war in letzter Zeit in Frankreich so stark umkämpft wie das zur Homo-Ehe. Die »Ehe für alle« (Mariage pour tous), die nach der französischen Justizministerin Christiane Toubira, unbeirrbare Verfechterin der Gleichberechtigung homosexueller Paare, auch »Loi Taubira« getauft wurde, trat nach hitzigen Debatten, Massenprotesten und zahlreichen Ausschreitungen am 18. Mai 2013 in Kraft. Die »Ehe für alle« fungiert als Ergänzung zum »Zivilen Solidaritätspakt« (Pacte civile de solidarité, PACS), der bei seiner Verabschiedung 1999 schon auf den Widerstand reaktionärer Kreise gestoßen war, weil er sowohl heterosexuellen als auch homosexuellen Paaren eine Alternative zur standesamtlichen Ehe bot. Das neue Gesetz hebt die rechtlichen Einschränkungen des PACS auf, indem es neben der standesamtlichen Trauung auch die Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Partner ermöglicht und die Frage der Abstammung neu regelt.
Im Zuge der ab Winter 2012 geführten parlamentarischen Debatten wuchs der Unmut konservativer Kreise über die geplante Öffnung der Ehe, die von jenen als Gefahr für die traditionelle Familiengestaltung gewertet wurde. Als deren Sprachrohr entwickelte sich eine außerparlamentarische Opposition, die zunächst maßgeblich von der »Demo für alle« (Manif pour tous) und deren schillernden Galionsfigur, der Kabarettistin Frigide Barjot, getragen wurde. Diese auf Massenmobilisierung angelegte Vereinigung gab vor, eine lagerübergreifende, apolitische, gewaltfreie und v.a. auf zynische Art und Weise schwulen- und lesbenfreundliche Protestbewegung zu sein, die sich nur aus »historischer Verantwortung der Gesellschaft und Menschheit gegenüber« gegen ein Gesetz wandte, das »auf legaler Weise die sexuelle Andersartigkeit abschaff[t] und somit die Grundlage der menschlichen Identität infrage stellt: die Geschlechtspolarität und die [biologische] Abstammung«. Bezeichnend ist, dass gerade ihre Hauptvertreter katholisch-traditionalistischen Verbänden vor- oder nahestehen, die seit jeher gegen Abtreibung, Sterberechte und Laizismus kämpfen und mit der »Homo-Ehe« eine neue Gelegenheit zur eigenen Profilierung fanden. Die Vorsitzende der »Demo für alle«, Ludovine de la Rochère, ist ein berühmtes Vorstandsmitglied der Opus Dei-nahen Stiftung Jérôme-Lejeune. Frigide Barjot gründete 2012 das Collectif pour l’humanité durable1
und der für logistische Fragen zuständige Albéric Dumont organisiert jährlich den »Lebensmarsch« der französischen Lebensrechtsbewegung, die in der »Demo für alle« prominent vertreten war. Auch wenn die Übergänge zwischen dem konservativen und extrem rechten Lager fließend waren, vermieden es die Organisatoren dennoch, extreme Rechte in ihre Vereinigung aufzunehmen – der katholisch-fundamentalistische Verein Civitas, der dem extrem rechten Lager zuzuordnen ist, wurde z.B. aus der Bewegung ausgeschlossen. So vermochte es »die Demo für alle« weit über die reaktionären Kreise hinaus, quer durch die Gesellschaft und sozialen Schichten oder Altersgruppen, Franzosen für ihre Zwecke zu mobilisieren.
Den parlamentarischen Prozess begleitend führte die Vereinigung zwischen November 2012 und Mai 2013 fünf Großdemonstrationen durch, an denen sowohl Vereine als auch Parteien, Politiker und öffentliche Vertreter der monotheistischen Religionen teilnahmen und die jedes Mal in vielen Städten mehrere hunderttausend Menschen auf die Straßen lockten. Repräsentanten der konservativen und extrem rechten Parteien nutzten die Proteste als eigene politische Plattform. Sie scheuten sich dabei offenbar nicht, gemeinsam zu demonstrieren: Am 21. April 2013 marschierten die fundamentalistische Christdemokratin Christine Boutin und die Abgeordneten der Front National (FN) Gilbert Collard und Marion Maréchal-Le Pen gemeinsam mit Vertretern der konservativen UMP (Patrick Ollier, Hervé Mariton, Patrick Balkany usw.) an der Spitze des Demonstrationszuges, was den Konservativen heftige Kritik einbrachte. Die Vorsitzende der FN, Marine Le Pen, die in ihrer Rekrutierungsstrategie bestrebt ist, auch Homosexuelle für ihre Partei zu gewinnen, hielt sich von den Demonstrationen fern, obwohl die Partei und der Großteil ihrer Basis die »Ehe für alle« ablehnen.
Richtungskämpfe innerhalb der von Hardlinern als zu »weichherzig« erachteten »Demo für alle« führten zu Abspaltungen und Neugründungen von Gruppen, die eigene Aktionen initiierten. Dazu zählten u.a. der reaktionäre Printemps français, die Hommen, die in sarkastischer Anlehnung an die Femen mit nacktem Oberkörper demonstrierten, oder die Veilleurs, die sich auf Gandhi beriefen, um »gewaltfreie« Sit-ins zu veranstalten.
In den Auseinandersetzungen, die sowohl auf der Straße, im Parlament, in den Medien als auch in den sozialen Netzwerken geführt wurden, bildeten sich mehrere Hauptargumente heraus, die von den unterschiedlichen »Homo-Ehe-Gegnern« (les anti-mariage-pour-tous) in variierter Form und Ausprägung artikuliert wurden: Die Regierung benutze die Homo-Ehe, um von sozialen Problemen wie der Arbeitslosigkeit abzulenken, sie mache das »schutzlose Kind« zum Gegenstand der Konsumgesellschaft, indem sie ihm das »Recht« auf einen Vater und eine Mutter aberkenne. Hauptangriffspunkte blieben aber – obwohl sie nicht im Gesetz enthalten sind – die künstliche Befruchtung für lesbische Partnerinnen und die Leihmutterschaft für schwule Paare, die einige wie der reaktionäre Bürgermeister von Orange, Jacques Bompard, als »Einfallstor für andere Perversionen« (Inzest, Polygamie, Pädophilie usw.) betrachteten.
Die Übernahme jener Positionen durch offen extrem rechte Gruppierungen – den Bloc identitaire, die Œuvre française oder die Jeunesses nationalistes – die sich im Frühling vermehrt unter die Demonstranten mischten, trug in der Endphase der parlamentarischen Debatte (April-Mai 2013) maßgeblich zur Politisierung des Protestes und zur Radikalisierung der Methoden bei. Militante Rechte, die homophobe Vorurteile mit ultranationalistischen Positionen verknüpften – es ging ihnen vornehmlich um die »Rettung des Abendlandes« – setzten auf aufsehenerregende Aktionen: Brandstiftungen, Sachbeschädigungen, gewalttätige Übergriffe auf Homosexuelle, Einschüchterungsversuche gegen Befürworter des Gesetzes (Minister, Abgeordnete, Intellektuelle) bis hin zu Morddrohungen an den Präsidenten der Nationalversammlung.
Durch die Verabschiedung des Gesetzes wurden die »Homo-Ehe-Gegner« zwar geschwächt, sie setzen jedoch ihre homophobe Kampagne in der Hoffnung fort, das Mobilisierungspotential für spätere politische Schlachten gegen Präsident Hollande instrumentalisieren zu können. Auch wenn sie einer Minderheit angehören – laut einer Ifop-Umfrage von Februar 2013 befürworteten 66% der Franzosen die »Ehe für alle« – so normalisierten sie doch homophobe Auswüchse im öffentlichen Raum und machten reaktionäre Positionen und Protagonisten hoffähig. Was bleibt, sind eine gespaltene Gesellschaft und das Unbehagen vieler Homosexueller in Frankreich.
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