»Neue Rechte« ? - Aus Alt wird Neu
"Neue Rechte" - unter dieser Bezeichnung sammelten sich Anfang der 1970er Jahre ein Spektrum von Rechten, extremen Rechten und Reaktionären, die die Politik und Strategie der "Alten Rechten" für gescheitert erklärten. Die "Alte", vor allem durch das Spektrum um der NPD verkörperte Rechte, sollte aus ihrer damaligen Krise herausgeführt und modernisiert werden. Die neurechten Ideologen entwarfen Strategie- und Politikkonzepte, die heute gefährliche Konturen angenommen haben. Dieser Artikel soll einen Überblick über die Entstehung und Entwicklung der "Neuen Rechten“ geben. Um einen besseren Einblick in die Geschichte zu bekommen, verweisen wir auf das Antifaschistische Infoblatt von Mai- Juni 1989, indem wir bereits näher auf die Geschichte der "Alten Rechten", der NPD und auf die Umstrukturierung im »Nationalen Lager« eingegangen sind.
Neonazistische Politik, dessen Organisationen und ihre Vertreter ließen sich bis Ende der 1960er / Anfang der 1970er Jahre relativ einfach ihren Wurzeln zuordnen. Programmatisch wie personell schöpften sie aus den Töpfen des Nationalsozialismus. Mit der 1964 gegründeten "Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) hatten die alten und neuen Nazis die bis heute erfolgreichste neonazistische Organisation in die bundesdeutsche Parteienlandschaft eingebracht. Das Scheitern der NPD bei den Bundestagswahlen 1969 (4,3 Prozent) nahmen führende neonazistische und nationalkonservative Ideologen zum Anlass ihrer bisherigen politischen Theorie und Praxis eine Absage zu erteilen. Diese ideologische Wende war die Geburtsstunde der "Neuen Rechten". Bei dieser „Neugeburt“ erblickte jedoch keine neonazistische Partei oder Organisation das Licht der Welt. Es ging vielmehr darum, ein breit angelegtes Ideologiekonzept zu verwirklichen, das auf alle politischen und gesellschaftlichen Bereiche angewandt werden sollte: Die "Neue Rechte" als eine kulturell-politische Strömung.
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Die "Neue Rechte" vereint im wesentlichen zwei politische Strömungen, die sich gegenseitig ideologisch befruchten. Die eine ist die der nationalrevolutionär-neonazistischen Ideologen, die eine »Volksgemeinschaft« propagieren, der sie ein biologistisches Menschenbild zugrundelegen, wonach der Mensch sein Tun und Handeln vor allem nach Trieben, Instinkten, nach Rasse, Geschlecht und Evolution bestimmt. Die andere Strömung wird von den national-konservativen Ideologen vorgegeben, die dem »Werteverfall« den Kampf angesagt haben und die sich in Deutschtum und Wertvorstellung auf die sogenannte »konservative Revolution« in der Weimarer Republik berufen. Beide Strömungen sind bereits aus eben dieser Republik als Vorreiter und Träger des Nationalsozialismus bekannt. Was sie damals praktisch vereinte - der Kampf gegen einen vermeintlichen (jüdischen) "Weltbolschewismus" - ist auch heute ein verbindende Wahnvorstellung der extremen Rechten.
Warum also "Neue Rechte"? Die Propagandisten der neuen Richtung knüpfen zwar an die faschistischen und reaktionären Traditionen der Nationalsozialisten an, distanzieren sich aber deutlich vom Hitlerfaschismus und gehören etwa nicht mehr zu den eingeschworenen Leugnern der Naziverbrechen (»Auschwitzlüge«). Dies geht zum einen auf ihr »realistisches Weltbild« zurück, nach dem mit der Vernichtungsideologie der Nazis kein Staat mehr zu machen, geschweige denn eine Massenbasis zu gewinnen ist. Zum anderen auf ihre Einschätzung der realpolitischen Verhältnisse, die die Ausgangsbasis für eine ihrer Hauptaufgaben bilden: die Entwicklung eines "Neuen Nationalismus".
Die Propagierung dieses "Neuen Nationalismus" begann weit vor der Herausbildung der "Neuen Rechten". Der militärische Sieg über Deutschland, die Befreiung vom Nationalsozialismus und die Ergebnisse des 2. Weltkrieges veränderten die politische Weltlage. Der "Alte Nationalismus", der diese Ergebnisse mitzuverantworten hatte, wurde von der Rechten bereits kurz nach 1945 neu definiert. Er galt jetzt als »historisch überholt«. Ziel einer neuen Nationalismus-Definition war (und ist) es, den Nationalismus als solches grundsätzlich zu rechtfertigen und die Folgen der militärischen Niederlage ideologisch und praktisch wieder rückgängig zu machen. Aus der Theorie eines neuen Nationalismus, die von Konservativen und Neonazis gleichermaßen entwickelt wurde, entstand die Idee des »Dritten Weges«: politisch ein Weg zwischen Kapitalismus und Kommunismus, geographisch (auf ganz Deutschland bezogen) ein Weg zwischen West und Ost.
Ideologische Einflußnahme
In der Strategie der "Neuen Rechten" geht es hauptsächlich um eine ideologische Einflußnahme. Dazu braucht es nicht unbedingt eine Partei oder Organisation. Wie schon in der Weimarer Republik die »konservative Revolution« ist die "Neue Rechte" durch Ideologen geprägt. In Diskussionsforen, Seminaren und (Buch-) Veröffentlichungen wird (mit Erfolg) versucht Denkweisen und Weltanschauungen zu beeinflussen und zu verändern. Erklärtes Ziel ist die Erlangung der »kulturellen Hegemonie«, eine vom italienischen Marxisten Antonio Gramsci entwickelte auf die Perspektive der Linken bezogene Theorie. Sie wollen mit ihrer Ideologie in die Köpfe der Menschen, in deren Bewußtsein, um so das gesellschaftliche und politische Klima in ihrem Sinne zu verändern. Weil dies eine Partei allein derzeit nicht erreichen kann, wird die Gründung einer solchen erst gar nicht ins Auge gefasst. Stattdessen wird versucht, direkt in den bestehenden gesellschaftlichen Gruppen und politischen Parteien zu wirken oder von außen auf sie einzuwirken.
Damit ziehen sie die Konsequenzen aus den gescheiterten Versuchen der "Alten Rechten", nach 1945 eine extrem rechte Partei zu etablieren. Dies steht nicht im Widerspruch zu der 1983 gegründeten rechten Partei "Die Republikaner" (REP), die zu dem Spektrum einer „neuen“ Rechten gehört. Die Partei des ehem. SS-Unterscharführers Franz Schönhuber erntet die Früchte einer neurechten Strategie. Sie ist Teil dieser "neuen“ Rechten und wird von ihr ideologisch und personell gestützt. Zwar ist sie kaum das Zukunftsprojekt der "Neuen Rechten" schlechthin, aber sie beschleunigt den Rechtsruck der etablierten Parteien und fördert den Gewöhnungsprozeß an extrem rechtes Gedankengut. Die Wahlerfolge der "REPs" und die teilweise haarklein von den etablierten Parteien übernommenen populistischen Forderungen (Asylgesetzgebung - »Deutschland ist kein Einwanderungsland«) deuten in erschreckender Weise an, wieweit die Strategie der »kulturellen Hegemonie« - die Rechtsentwicklung in den Köpfen - bereits fortgeschritten ist. Die mehrgleisige Strategie lässt sich noch konkreter fassen, wenn die Auswirkungen anhand des "Neuen Nationalismus", sein Einfluß auf die Politik der Bundesregierung bzw. auf die Politik der CDU/CSU beleuchtet wird.
Vom "Neuen Nationalismus" zur "Neuen Rechten"
Die parteipolitischen Grundlagen für den "Neuen Nationalismus" in der BRD legte die 1949 gegründete "Deutsche Gemeinschaft" (DG). Die Kleinstpartei wurde von August Haußleiter, dem vorherigen stellvertretenden Landesvorsitzenden der bayrischen CSU ins Leben gerufen. Nach den programmatischen Vorstellungen der DG soll Deutschland auf »völkischer« Basis wiederhergestellt werden. Die Programmatik beinhaltete bereits große Teile der Ideologie, wie sie in der nationalrevolutionären Strömung der "Neuen Rechten" wiederzufinden ist. So vertrat sie die Theorie vom »Dritten Weg« zwischen den beiden Weltmächten und damit einen sogenannten »Befreiungsnationalismus«. Eine Konsequenz aus dieser Politik bestand für die DG darin, nationale Befreiungsbewegungen zu unterstützen, deren antiimperialistischen Kampf sie mit der Situation des geteilten Deutschlands verglichen. Im Mai 1965 ging die "DG" zusammen mit einer "Deutschen Freiheitspartei" (DFP) und einem Teil der "Vereinigung Deutsche Nationalversammlung" (VDNV) in die "Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher" (AUD) über. Bei der späteren Herausbildung der "Neuen Rechten" gilt die AUD als eine der wichtigen Vorläufer. Die AUD verstand sich als Gegenpart zum "Alten Nationalismus", dessen Vertreter sechs Monate vorher in der NPD ihre Parteiorganisation ausgerufen hatten. Die inhaltlichen Differenzen zwischen AUD und NPD hinderten beide jedoch nicht an punktueller Zusammenarbeit. Noch im selben Jahr verhandelten sie über ein Wahlbündnis, das allerdings nicht zustande kam.
Von „Die Grünen“ bis zur DSU
Mitte der 1960er Jahre suchte sie Kontakt zur Studentenbewegung. Der linken "Außerparlamentarischen Opposition" (APO) bot sie sich in der Hoffnung an, zu deren »parlamentarischem Arm« werden zu können. Auch das scheiterte. Die Ausrichtung auf diese Bewegung als politische Zielgruppe behielt sie bei. Nach dem Zerfall der APO fanden sie ihre neuen Zielgruppen in den entstehenden Umwelt- und Bürgerinitiativen. Mit Wolf Schenket und Wolfgang Venohr gehörten zwei ideologische Köpfe der heutigen "Neuen Rechten" zu den Mitbegründern der AUD, beide waren auch Mitbegründer der VDNV. Ihre Zielgruppenpolitik führte Ende der 1970er Jahre dazu, das die AUD wiederum zu den Mitbegründern der Partei "Die Grünen" gehörte.
Die zweite wichtige parteipolitische Organisation des »Dritten Weges« war der von Otto Strasser Anhängern 1948 gegründete "Bund für Deutschlands Erneuerung" (BDE) aus dem 1956 die "Deutsche Soziale Union" (DSU) wurde. Otto Strasser, dem bis 1955 die Einreise in die BRD verboten war, hatte schon seit 1945 aus seinem kanadischen Exil (Bridgetown) die »Rundbriefe für Deutschlands Erneuerung« in die BRD verschickt um seine Anhänger zu sammeln. In seinen "Rundbriefen" warb er für den »Solidarismus«, dessen innenpolitische Ordnungsvorstellung ein biologistisch-organisches Gesellschaftverständnis sein sollte. Dieses Verständnis setzt dem demokratisch-pluralistischem System die Idee einer »staatstragenden Elite« entgegen. Außenpolitisch setzte es ein neutrales bewaffnetes Deutschland in einem »befreiten« Europa voraus - eine »Föderation Europa« mit der »Dritten Welt« als »Rohstoff-Basis«.
In Strassers DSU arbeitete auch der damals 16jährige Henning Eichberg mit. Eichberg, der sich auch in der VDNV von Schenk und Venohr engagierte, gehört nun zu den Vordenkern der "Neuen Rechten". Als die DSU nach internen Richtungskämpfen zerfiel, trat die ebenfalls an Strasser orientierte "Unabhängige Arbeiter Partei" (UAP) an ihre Stelle. In diesem weiteren Vorläufer der "Neuen Rechten" engagierte sich auch Wolfgang Strauss, wie Eichberg ein Nationalrevolutionär und einer der Vordenker der neurechten Ideologie. Die UAP propagierte einen »Deutschen Sozialismus« und nannte sich eine »Kampfpartei für den demokratischen freiheitlichen Sozialismus deutscher Nation«. Ihrem »Sozialismus« wurde ein nationales Konzept verabreicht und der Partei eine streng antikommunistische und antisozialistische Stoßrichtung gegeben. Strauss, Chefredakteur der UAP-Parteizeitung »Reichsarbeiterzeitung« (RAZ) ) prägte den für die nationalrevolutionäre Strömung der "Neuen Rechten“ zentralen Begriff des »Befreiungsnationalismus«.
Formierungen der "Neuen Rechten"
Die eigenständige Organisierung der Vertreter des "Neuen Nationalismus" bedeutet nicht, das sich hier ein Bruch mit den Vertretern des "Alten Nationalismus" vollzogen hätte. Es waren vor allem die inhaltlichen Differenzen, die die einzelnen rechten bis extrem rechten Strömungen untereinander abgrenzten. Mit ihren Tausenden MitgliederInnen, organisierte die „Nationaldemokratische Partei Deutschlands“ (NPD) extreme Rechte aus fast allen Bereichen. Ihre traditionalistische Ausrichtung als "Alte Rechte" hinderte die "Neuen" natürlich nicht an der Mitarbeit in dieser Partei — im Gegenteil, genau hier lag eines ihrer wichtigsten Agitationsfelder. Teile der NPD-Jugendorganisation "Junge Nationaldemokraten" (JN) griffen die Ideologie der Neurechten als erste auf. Als der NPD 1969 der Sprung in den Bundestag mißlang, brachen innerparteiliche Konflikte aus. Mit der Gründung der "Aktion Widerstand" (AW) 1970 versuchte die NPD eine drohende Spaltung der Partei entgegenzuwirken. Dies gelang aber nur für kurze Zeit.
1972 spaltete sich ein aktionistischer Flügel der NPD ab, der sich den Namen "Aktion Neue Rechte" (ANR) gab. Die ANR gilt als die »Urzelle« der „Neuen Rechten“. Ihr Gründer, der bayrische Landesvorsitzende und stellvertretende Bundesvorsitzende der NPD, Siegfried Pöhlmann war mit 460 anderen Mitgliedern aus der Partei ausgetreten. Etwa 350 von ihnen gingen mit ihm in die ANR über. Andere Gruppierungen, Organisationen und Einzelpersonen beteiligten sich ebenfalls an Pöhlmanns ANR, darunter die "Außerparlamentarische Mitarbeit" (APM), die "Partei der Arbeit"/"Deutsche Sozialisten" (PdA/DS), verschiedene Gruppen der JN, diverse »nationalrevolutionäre Basisgruppen«, der Arbeitskreis "Junges Forum" und Wolfgang Strauss von der UAP.
Henning Eichberg, der selbst nicht als Mitglied der ANR auftrat, verfasste u.a. die »Grundsatzerklärung« der Organisation. Die Erklärung enthielt die wichtigsten ideologischen Orientierungspunkte der "Neuen Rechten": Die Herstellung einer »neuen Ordnung«, eines »europäischen Sozialismus« mit antimarxistischer und antikapitalistischer Ausrichtung - für eine »Leistungsgemeinschaft« und gegen eine »Gleichheitsidee« — für einen »antiimperialistischen Befreiungsnationalismus« - gegen die »Umerziehung« und für die Schaffung einer »Nation Europa«. Eichbergs Grundsatz zielte darauf, daß langfristig eine Ideologie entwickelt werden müsse, die eine „engagierte“ Jugend gewinnen kann, verkürzt zusammengefasst, eine deutsche Jugend die wieder stolz sein solle, daß sie deutsch ist im rechten Sinne. Oder wie Wolfgang Günther (Pseudonym: „Gert Waldmann“) 1969 in der neonazistischen Monatszeitschrift "Nation Europa" die Strategie der "Neuen Rechten" umschreibt: »Mit den Mitteln der Linken müssen wir die linke Unruhe nach rechts umfunktionieren. Rechts: das muß in Zukunft heißen: nicht reaktionär, sondern fortschrittlich; nicht bürgerlich, sondern im Sinne eines modernen europäischen Nationalismus.«
Beherzigt wurden diese Aufrufe vor allem von den später aus der ANR hervorgegangenen nationalrevolutionären Organisationen wie "Solidaristische Volksbewegung" (SVB) und "Sache des Volkes/Nationalrevolutionäre Aufbauorganisation" (SdV/NRAO). Letztere wurde von Strauss und Eichberg mitbegründet und kehrte in ihren Ideen besonders den »nationalen Sozialismus« hervor. Ihr Agitationsfeld war breit gestreut. Durch die Übernahme der von Linken, Friedens- und Ökologie-Bewegung ins Gespräch gebrachten Themen in ihre Politik, versuchte sie in sozialen Bewegungen und maoistischen Parteien Fuß zu fassen. Ihre »Nationalrevolutionären Basisgruppen« nervten linke Gruppierungen mit Unterwanderungsversuchen und gründeten Vorfeldorganisationen, die der SdV/NRAO Zulauf aus dem JN-Spektrum bescheren sollten oder dieses Spektrum ideologisch beeinflussten.
Nationalrevolutionäre Einflüsse finden sich in allen rechten Zusammenschlüssen wieder. Vom militanten bis zum gemäßigten rechten Spektrum gehören die neu formulierten Begriffe »Befreiungsnationalismus«, »Ethnopluralismus« (eine wohlklingende Umschreibung des Wortes Rassismus) und »nationale Identität« längst zum Stammvokabular.
Französische Vorbilder
Unter anderem über Eichberg, der bei der französischen "Nouvelle Droite" in die Schule gegangen war, stellt sich die Nähe zu anderen Rechtsintelektuellen her. Nationalrevolutionäre Ideen stehen in direkter Auseinandersetzung mit erzkonservativen Gedanken. Wie die nationalrevolutionären Ideologen basteln die konservativen an einer Modernisierung ihrer Politikbegriffe. Dabei drängt sich besonders das Organ der westdeutschen "Neuen Rechten" in den Vordergrund: "Criticon"—»konservativ, kritisch, konstruktiv« - leistet auf dem Gebiet der Zusammenführung jeder Schattierung von rechts die Hauptarbeit. Seit 1971 gehört Eichberg zu den Autoren von "Criticon", welche wie er engste Beziehungen zu Vertretern der französischen "Neuen Rechten" unterhält. Das Blatt erscheint seit 1970 und wird von Caspar von Schrenck Notzing (ein WMF u. BASF-Großaktionär) herausgegeben.
Hier schließt sich der Kreis derjenigen Autoren, die als Vordenker der "Neuen Rechten" zählen. Zu den Chefschreibern bei "Criticon" gehört Armin Mohler, gebürtiger Schweizer, der sich bei den Nazis als SS-Freiwilliger anbot. Mohler war Privatsekretär von Ernst Jünger. Von 1964 bis 1986 leitete er als Geschäftsführer die konzerneigene »Carl-Friedrich von Siemens Stiftung«, deren Vorstand sich aus Topmanagern der Industrie zusammensetzt. Er gilt als »konservativer Revolutionär«, der die Ideen der oben genannten »konservativen Revolution« aus der Weimarer Republik mit den Theorien der "Neuen Rechten" verknüpft. Sein besonderes Engagement gilt der Zusammenarbeit der "Nouvelle Droite" mit der "Neuen Rechten" in der BRD und gehört zu den Gründern der französischen neurechten GRECE (Groupement de recherche et d'études pour la civilisation européenne). Aus einer 1985 erschienenen Dokumentation zum 25jährigen Bestehen der Siemens-Stiftung lässt sich herauslesen, das seine Ideen nicht abgeleht wurden, die Stiftung interessierte sich demnach auch für die Brauchbarkeit von Konzepten für eine Reform rechter Ideologie. Dazu konnte Mohler offenbar einiges beitragen. Auf seiner Referentenliste für Veranstaltungen bei der Siemensstiftung standen mehrere Vertreter der neurechten Ideologie. Seine Unterstützung findet auch das deutsche Gegenstück zur GRECE, die extrem rechte Denkfabrik des Pierre Krebs - das 1980 gegründete „Thule-Seminar", das Mohler als eine »ausschließlich von jungen, unbelasteten Menschen getragene Strömung« bezeichnet. Für die Zeitschrift "Elemente", die vom Thule-Seminar herausgegeben wird schwingt er des öfteren die Feder. Nicht zuletzt gehört Mohler zu den Befürwortern der "Die Republikaner" (REP) als eine populistische Variante der "Neuen Rechten", wie sie in Frankreich in Le Pens "Front National" existiert.
Der „Deutschland Rat“
Zusammen mit REP-Chef Franz Schönhuber, dem rechten Publizisten Prof. Dr. Bernard Willms, dem früheren DDR-Akademiker Prof. Dr. Wolfgang Seiffert, Prof. Dr. Hellmut Diwald von der "Deutschen Gildenschaft", Prof. Dr. Robert Hepp und Prof. Dr. Hans Joachim Arndt - die laut „Criticon“ als »Publizisten, (…) in den letzten Jahren in der Diskussion über die >deutsche Identität< an vorderster Front standen« - gründete Armin Mohler 1983 den "Deutschland Rat". Dieser "Rat" forderte in einer Anzeigenkampange von Dezember 1983 die »Entkriminalisierung unserer Geschichte als Voraussetzung für ein selbstverständliches Nationalbewußtsein«. Als "Die Republikaner" ihre eigene "Carl Schurz Stiftung" planten waren aus diesem Kreis Hans Joachim Arndt, Armin Mohler und Hellmut Diwald als potentielle Kuratoriumsmitglieder im Gespräch. Im Mittelpunkt einer nationalen Kampagne, mit der Vertreter der "Neuen Rechten" Mitte der 1980er Jahre an die Öffentlichkeit traten, stand die »Wiederherstellung Deutschlands«. Im Februar 1984 appellierte eine weitere Mischung aus nationalrevolutionären und konservativen Theoretikern an »die Regierungen in Bonn und Ost-Berlin und an die Friedensbewegung im ganzen Land«, daß die Lösung der »nationalen Frage der Deutschen ... eine wahrhaft revolutionäre Aufgabe aller Europäer« zur »Rettung der Menschheit« sei. Zu den Unterzeichnern der in der Frankfurter Rundschau erschienenen Anzeige gehörten u.a. Sven Thomas Frank (verantwortlich) von "Die Republikaner", der ehem. NPDler Wolfgang Strauss, Wolf Schenke (ehem. HJ-Reichsjugendführung), Wolfgang Venohr von der national-neutralistischen Zeitung "Neue Politik", Theodor Schweißfurth und Gerd Klaus Kaltenbrunner. Gerd Klaus Kaltenbrunner befand sich Ende April 1990 im Publikum der Revisionisten-Versammlung "Wahrheit macht frei" in München. Der Prozeß zur »Entkriminalisierung« der deutschen Geschichte, hat mit der Bonner »Wendepolitik« einen neuen Anfang genommen und findet in der aktuellen politischen Entwicklung mehr und mehr Anhänger. Die »Diskussion« um die »nationale Identität« der Deutschen - ein politisches Konzept der „Neuen Rechten" - hat sich schleichend ihren Weg gebahnt und steht nun im Mittelpunkt der Auseinandersetzung um ein »Europa freier Völker« oder ein »Europa der Vaterländer«, wie es bei der „Europaarmee“ Adolf Hitlers - der Waffen-SS hieß.
Zur Person Henning Eichberg
Margret Feit hat in ihrem Sachbuch „Die Neue Rechte in der Bundesrepublik. Organisation, Ideologie, Strategie“ von 1987 den Werdegang von Eichberg (Pseudonym: „Hartwig Singer“) nachgezeichnet und wir wollen die Autorin an dieser Stelle zusammenfassend zitieren.
Eichberg, der heute im dänischen »Exil« lebt, gilt als einer der Ideologen der "Neuen Rechten". Sein 1978 in Zusammenarbeit mit dem "Hochschulpolitischen Ausschuß der Deutschen Burschenschaften" und dem „Verein zur Förderung konservativer Publizistik e.V." herausgegebenes Buch mit dem Titel »Nationale Identität« gilt als ein Standardwerk der "Neuen Rechten". (…) Der 1942 in Schlesien geborene "Wortführer" der Neuen Rechten hatte zu dieser Zeit bereits eine lange politisch Karriere hinter sich. Bereits als Schüler hatte er 1956 Kontakt zu Otto Strassers DSU, von der ihn sein "militanter Antikommunismus" über den Umweg der VDNV- in der er 1961 bereits zwei später entscheidende Köpfe der Neuen Rechten, Wolfgang Strauss und Wolfgang Venohr kennenlernen konnte - in die Arme und "wohlwollende Förderung Arthur Erhards von der Zeitschrift Nation Europa trieb". Gleichzeitig wurde Eichberg beim Hamburger "Studenten Anzeiger" des dortigen NHB, dem Hochschulbund der NPD, aktiv. In dieser Zeitschrift veröffentlichte er auch seine Erlebnisse, die er in einem Zeltlager "französischer Nationalisten" gesammelt hatte, das er auf Erhards Initiative besucht haben soll. Hier (...) fand für Eichberg und damit für die "Neue Rechte" in der Bundesrepublik eine "Kehrtwende" statt, denn ersterer habe Begriffen wie "Nationalismus" und "Elitebewußtsein" gelernt und den Mut gefaßt, "gleich der französischen ("Neuen Rechten", M. F.) auf die Tradition des revolutionären Linksfaschismus und der europäischen Waffen-SS zurückzugreifen." (...) Nach einer kurzen Mitgliedschaft in der AUD und dem bereits genannten Aufenthalt in Frankreich (...) engagierte sich der rege Student bei den in der Mitte der sechziger Jahre entstandenen "nationalrevolutionären Basisgruppen", unter anderem auch bei der Berliner APM, in deren Koordinierungsschrift "Ideologie und Strategie" er unter dem Pseudonym Hartwig Singer Redaktionsmitglied wurde. Eichberg arbeitete mit in der "Sababurg-Runde"1 , in der er neben Joß2 , Brunner, Waldmann3 und Dehoust4 Mitglied des "Arbeitskreises Ideologie" wurde, der mit der Schaffung einer nationalrevolutionären Publizistik beauftragt war. (...) 1974 wird er neben Wolfgang Strauss zum wichtigsten Mitbegründer der SdV/NRAO. Ideologisch wirkt er jedoch weit über diese Organisationen hinaus. (…) Die(se) zentralen Kategorien der neurechten Ideologie propagiert Eichberg in einem breiten Spektrum von Zeitschriften: In "student", in "Nation Europa", in "Junges Forum ", in der "Jungen Kritik", im „Deutschen Studenten-Anzeiger", in der "Neuen Zeit" in den "Burschenschaftlichen Blättern", in der „Zeitschrift für Kulturaustausch", in "La Plata Ruf", in der „Stuttgarter Zeitung", in "Wir Selbst" und nicht zuletzt in "Criticon" gehört Eichberg mehr oder weniger regelmäßig zu den Autoren.
Was ihn jedoch von anderen neurechten Publizisten unterscheidet ist sein erfolgreicher Versuch, auch in Blättern der Linken zu Wort zu kommen. Ausgelöst wurde dies durch eine in der Zeitschrift "das da - avanti" Ende 1978 geführte Auseinandersetzung zur "nationalen Frage“ mit Rudi Dutschke. Daraufhin kam Eichberg in dem Magazin "Päd extra" in der alternativen Frankfurter "Stadtrevue", im "Pflasterstrand" und in "Ästhetik und Kommunikation " zu Wort, wo sich Interviews mit und Artikel von ihm fanden. An dieser Stelle kann bereits resümiert werden, daß sich hier für Eichberg das Beharren auf die Beibehaltung des Sozialismus-Begriffs in der Terminologie der Nationalrevolutionäre auszahlte (…) Der Generalsekretär der "Nouvelle Ecole" - dem theoretischen Organ der wichtigsten Organisation der französischen "Nouvelle Droite", des "Groupement de Recherche et d'Estudes pour la Civilisation Europeene" (GRECE) — in der Bundesrepublik, Frocoise-Xavier Dillmann, nannte in einem Artikel über die Neue Rechte in der Bundesrepublik unter anderem Henning Eichberg als einen der wichtigsten Verfechter des Gedankens der "nationalen Identität".
Zum »Thule-Seminar e.V.«
»Der Bundesregierung liegen derzeit keine Erkenntnisse vor, die eine Bewertung des Thule-Seminars als rechtsextremistisch zulassen« ließ Carl Dieter Spranger, CSU-Staatssekretär im Bundesinnenministerium 1989 wissen. Wir können helfen: Im Januar 1918 rief Rudolf Freiherr von Sebottendorf eine bayrische »Ordensprovinz« der 1912 gegründeten Thule-Gesellschaft aus. Eine »Gesellschaft«, die sich als »Germanenorden« bezeichnete und völkisch-antisemitisch ausgerichtet war. Sie verwendete als erste Gruppierung die späteren Nazi-Symbole wie Hakenkreuz und SS-Runen. Sebottendorf kaufte 1918 den "Münchener Beobachter", der später in "Völkischer Beobachter" umbenannt wurde. Die Thule-Gesellschaft war die Keimzelle der NSDAP. Neben Adolf Hitler waren auch Rudolf Heß, Alfred Rosenberg, Hermann Göring, Heinrich Himmler, Julius Streicher und andere führende Nazis Mitglieder der Thule-Gesellschaft. Der Name „Thule-Seminar e.V. - Arbeitskreis für die Erforschung und das Studium der europäischen Kultur“, den sich diese Formierung der "Neuen Rechten" zugelegt hat, lässt den Verdacht auf eine gewisse historische Bezugnahme zu. Wird den inhaltlichen Aussagen nachgegangen, lässt die politische Ausrichtung des Seminars eigentlich wenig Zweifel mehr zu.
Der Zirkel der sich hinter dem »Seminar« verbirgt, beruft sich wie die Nationalsozialisten auf »europäischen Denker« namens Ernst Jünger, Friedrich Nietzsche, Carl Schmitt, Arnold Gehlen etc. Nach den internen Aussagen des "Thule-Seminar" kann der Organisation nur angehören, wer »auf relevante Militanz für das Thule-Seminar verweisen kann«. Der von Pierre Krebs begründete und von Armin Mohler unterstützte Kreis versteht sich als "Neue Schule" und ist ein Ableger der französischen GRECE, dem intelektuellen Kern der französischen "Nouvelle Droite" (Neue Rechte). Wie vom Kopf der "Nouvelle Droite" in Frankreich, Alain de Benoist, wird von Pierre Krebs die Zeitschrift "Elemente" (Elements) herausgegeben. Ein theoretisches Organ, daß die europäische Rechte verbindet. Die Zeitschrift erscheint in England unter dem Titel „The Scorpion“, in Italien ("elementi"), in Belgien ("L'anneau") und Spanien ("punto y coma"). Pierre Krebs ist auch ansprechbar für Vorträge im Spektrum der Neonazi-Szene. So soll er in Bielefeld vor der neonazistischen Partei "Nationalistische Front" (NF) in ihrem früheren Schulungs-Zentrum referiert haben. Die Nähe verwundert kaum, bereits 1980 gehörte er zum Kreis von 18 Mitgliedern des rassistisch-völkischen Berliner Vereins "Die Artgemeinschaft e.V.", die den Hamburger Neonazianwalt Jürgen Rieger damit beauftragt hatten den damaligen Vorsitzenden Wilhelm Kusserow (Berlin) abzusetzen.
- 1Anfang der 1960er Jahre werden regelmäßige Koordinationsrunden und Strategietreffen der „Deutsch-Europäische Studiengesellschaft (DESG)“, nach dem nordhessischen Tagungsort Sababurgrunde genannt, ausgerichtet.
- 2Unter dem Pseudonym Fritz Joß trat zeitweise Klausdieter Ludwig auf. Er war in der DESG Führung. Er war bereits 1958/1959 Bundesvorsitzender des „Bund Nationaler Studenten“ (BNS) und gab dessen Zeitschrift „Student im Volk“ heraus. 1972 war er zweiter Vorsitzender der „Solidaristischen Volksbewegung“ und zweiter Vorsitzender des „Hilfskomitees Südliches Afrika“ (HSA). Ludwig publizierte.
- 3Unter dem Pseudonym Gert Waldmann trat zeitweilig Wolfgang Günther von der SdV/NRAO auf.
- 4Peter Dehoust war Mitbegründer des BNS und des HSA. Er war NPD-Politiker und NPD-Abgeordneter.