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Inspirierender Faschismus für eine neue Rechte?

Antifa-Recherche Ffm (Gastbeitrag)
Einleitung

Dass der Faschismus nicht immer mit dem Vorschlaghammer daherkommt, sollte hinlänglich bekannt sein. Auch die sich selbst als „Faschisten des dritten Jahrtausends“  bezeichnenden Gruppen aus Italien bedienen sich verschiedener Mittel und haben neben Anführern und Prügelgruppen auch einen Pool von Ideologen, die der menschenverachtenden Ideologie eine Rechtfertigung geben.

Bildquelle: indymedia.org; CC-BY-NC-SA-2.0.DE

Valerio Benedetti (rechts) als Redner bei einer Veranstaltung.

Ein Beispiel dafür war der Kongress der italienischen Studentenorganisation „Blocco Studentesco“ im April 2017 in Rom unter dem Titel „Europa — Comunita di popoli civilta“. Die Jugend­organisation der neofaschistischen Bewegung "Casa Pound" lud Neonazis aus sechs verschiedenen Ländern ein — unter ihnen die französische „Action Francais“ und die Jugendorganisation der griechischen Χρυσή Αυγή („Goldenen Morgenröte“). Prominent vertreten war auch der neurechte Verleger Philip Stein, und etwas versteckter der AfD-Mitarbeiter John Hoewer, sowie der frühere JN-Bundesvorsitzende Michael Schäfer.1 In dieser Konstellation fiel auch Valerio Benedetti, aufgeführt als Schriftsteller, ins Auge. Dieser lebt nunmehr in Deutschland, promovierte an der Universität in Frankfurt und arbeitet an diversen Volkshochschulen in Hessen. Er avancierte zu einem ideologischen Kopf der "Casa Pound". Seine Bücher dienen als ideologische Standardwerke, seine Publizistik, Übersetzungstätigkeiten und Vernetzungsarbeit ist nicht unbedeutsam.

Blut an den Händen: "Casa Pound"

Bei "Casa Pound" handelt es sich um eine seit 2003 in Italien aktive Bewegung von traditionell ausgerichteten Faschisten in einem modernen Gewand. Vor allem sind sie für ihre besetzten Häuser in Rom bekannt. 2013 trat Casa Pound das erste Mal als Partei zur Wahl an und verfügt mittlerweile über diverse Vertreter in sechs Kommunalparlamenten. Seit 2013 hat sie ihre Parteistützpunkte auf fast 100 verdoppelt. Die Anzahl ihrer Mitglieder gibt sie mittlerweile mit 6.000 Personen an.

Als (Neo)Faschisten berufen sie sich auf die äußerst gewalttätige Bewegungszeit der Schwarzhemden unter Benito Mussolini von 1919 bis 1922. Einige Anhänger von "Casa Pound" waren immer wieder auch an Übergriffen auf MigrantInnen, politische Gegner oder an rassistischen Ausschreitungen gegen die Unterbringung von Flüchtlingen beteiligt. Angesichts ihres Rassismus kam es auch immer wieder zu Übergriffen bis hin zu Morden an Flüchtlingen aus den Reihen ihrer Anhängerschaft.

Neben den gewaltsamen Übergriffen und militanten Aktionen versucht sich die Gruppierung in der Weiterentwicklung extrem rechter Ideologie und der Wiederauffrischung faschistischer Denker. Dabei fällt auch der bereits erwähnte Benedetti auf, der ein Buch zu Giovanni Gentile, dem „Philosophen des Faschismus“ unter Mussolini (in erster Auflage unter Pseudonym und in zweiter unter richtigem Namen) schrieb und als Co-Autor beim Titel „Korporatismus des 3. Jahrtausends“ mitwirkte. Beide Bücher gehören zum theoriebildenden Partei-Kanon und ihr Erlös geht in die Bewegung. Er ist an einer Vielzahl von Publikationen der (extremen) Rechten beteiligt und arbeitete auch mit dem ehemaligen Rechtsterroristen Gabriele Adinolfi zusammen.2

Ein italienischer Neofaschist in Frankfurt/Main

Valerio Benedetti reichte im Jahr 2015 seine Doktorarbeit an der Universität Frankfurt ein und taucht europaweit im universitären Kontext auf. Neben seiner universitären Karriere fing Benedetti an, unter seinem richtigen Namen ideologische Beiträge zu verfassen, Vorträge zu halten und für die rechte Internetzeitung der Casa Pound „Il Primato Nazionale“3 Artikel zur politischen Lage in Deutschland zu schreiben. Er scheint sich auch im Rhein-Main-Gebiet nicht nur mit dem Verfassen von Blogeinträgen zu beschäftigt zu haben, sondern begann  sich mit neurechten Strukturen in Deutschland zu vernetzen.

Ein Beispiel dafür ist das Interview mit Philip Stein,4 das Valerio Benedetti geführt und auf Italienisch übersetzt hat5 oder eine veröffentlichte Radiosendung für Radio Bandera Negra, in der beide gemeinsam auftraten.6 Stein ist ein Vertrauter von Götz Kubitschek und hat gemeinsam mit ihm die rechte „Ein-Prozent“-Initiative ins Leben gerufen. Darüber hinaus ist Stein Verleger des Jung Europa Verlags, für den Valerio Benedetti unter dem Pseudonym „Ettore Ricci“ schon mehrfach veröffentlicht haben soll.

Veröffentlichungen von und mit "Ettore Ricci" über "Casa Pound" folgten bspw. auf dem Blog des Jung Europa Verlags.7 . Ein Beitrag auf dem neurechten Online Blog "Blaue Narzisse" ist mittlerweile gelöscht worden. Er war von der NPD-Jugend, den "Jungen Nationaldemokraten" (JN), mit den Worten "Unsere Freunde der Onlinezeitschrift Blaue Narzisse haben den CPI-Aktivisten Ettore Ricci für einen Beitrag gewinnen können, der sehr lesenswert ist." reproduziert worden.8

"Casa Pound" und die Neue Rechte in Deutschland und Europa

"Casa Pound" gilt vielen jüngeren Gruppen der extremen Rechten in Europa als Vorbild, weil sie es geschafft hat, viele unterschiedliche Bereiche der extremen Rechten zu bündeln, in einer Bewegungspartei zu vereinen und mit einem für Jugendliche interessanten Erscheinungsbild zu versehen. Dafür hat sich "Casa Pound" der Strategien der sog. Neuen Rechten bedient, die vor allem den vor-politischen, sozialen und kulturellen Raum anvisiert. In Deutschland hat der Umgang mit einer offen (neo)faschistischen Bewegung auch Zwist innerhalb der neurechten Kreise hervorgerufen.

Martin Semlitsch (alias „Martin Lichtmesz“) und Götz Kubitschek gelten als Bewunderer der sich als nonkonformistisch inszenierenden Jugendbewegung. So wurden italienische Neofaschisten aus dem Umfeld von "Casa Pound" zum sogenannten "Zwischentag" 2013 eingeladen, auf dem sich neurechte Verlage, Gruppen und Think Tanks zum Austausch trafen. Von der neurechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ war hingegen die Sorge zu hören, dadurch würde man seine „Salonfähigkeit“ verlieren. Diese Berührungsängste gibt es bei Kubitscheks Zeitschrift „Sezession“ und der „Identitären Bewegung“ (IB) offenbar nicht, lassen sich diese doch offen von "Casa Pound" inspirieren.

Hier wirkt insbesondere Philip Stein, der die verschiedenen Spektren von Burschenschaften, AfD und „Identitärer Bewegung“ miteinander verbindet und Konflikte beizulegen versucht. Dass Stein sein biederes Äußeres auch gegen eine Sturmhaube austauschen kann, zeigte sich jüngst auf dem Landeskongress der AfD-Jugen, Jungen Alternative, in Hessen im Haus der "Burschenschaft Germania Marburg", wo Stein im Kreise bewaffneten Kumpanen auf einen Fotografen losgegangen sein soll.9

Die "Casa Pound"-typische Mischung aus Straßengewalt, parlamentarischer Arbeit und Re-Interpretation faschistischer oder auch jungkonservativer Denker scheint über Ländergrenzen hinweg auszustrahlen.