Der Machtkampf in der NPD ist wieder eröffnet
Im Januar 2017 verkündete das Bundesverfassungsgericht, dass es die NPD zwar für verfassungsfeindlich halte, aber aufgrund ihrer politischen Bedeutungslosigkeit dem Antrag auf ein Verbot nicht stattgebe. Diese Entscheidung veränderte grundsätzlich die Rechtsprechung zu Partei-Verbotsverfahren in Deutschland und dürfte in den kommenden Jahren vor allem kleineren, radikaleren Neonazi-Parteien einiges mehr an Verbotssicherheit gewähren.
Für die NPD war das Verbotsverfahren die letzte große Bühne, die der Partei in den zurückliegenden Monaten geboten wurde. Alle Prognosen und andauernden Durchhalteparolen haben nichts genützt: Die Neonazi-Partei ging keineswegs gestärkt aus dem zweiten gescheiterten Verbotsverfahren hervor. Noch in der März-Ausgabe 2017 der Parteizeitung „Deutsche Stimme“ sagte der noch amtierende Parteivorsitzende Frank Franz: „Was uns nicht verbietet, macht uns stärker!“ Zwischen diesem Satz und der aktuellen Entwicklung liegen beispielsweise Landtagswahlergebnisse in Franz´ Heimatbundesland dem Saarland mit 0,7 Prozent (März 2017) oder Nordrhein-Westfalen mit 0,34 Prozent (Mai 2017). Auch bei der Bundestagswahl im September 2017 erlangte die NPD nur noch 0,4 Prozent und damit fast einen Prozentpunkt weniger als noch 2013.
Schon die Wahlergebnisse zeigen, dass es die WählerInnen nach dem gescheiterten Verbot keineswegs zur NPD zurückgezogen hat. Franz, der seit 2014 an der Spitze der Partei steht, war ohnehin nie in der gesamten Partei wohlgelitten. Seine derzeitigen Misserfolge rufen nun aber auch seine innerparteilichen GegnerInnen auf den Plan.
Bereits auf dem Bundesparteitag in Saarbrücken im März 2017 wurde klar, aus welcher Richtung nun der Gegenwind für Franz kommen würde: Von Thorsten Heise. Heise war im Februar desselben Jahres bereits zum Landesvorsitzenden der NPD-Thüringen gewählt worden. Der Alt-Neonazi ordnete sich in seiner Parteitagsrede selbst dem „etwas radikaleren Flügel“ der Partei zu. Man habe in der Vergangenheit an der Zielgruppe der NPD vorbeigearbeitet, so ein Vorwurf Heises an die Führungsriege. Für ihn sei die Zukunft der Partei im „sozial-nationalen-Bereich“ und er kritisierte Franz vor allem dafür, dass nicht „entschieden genug geführt“ würde. Im Kern ging es Heise bereits im März des vergangenen Jahres um die vermeintliche Verbürgerlichung der NPD. „Mir fehlt die deutliche Unterscheidung zwischen der Alternative für Deutschland und der NPD“, polterte er gegen die damalige Parteiführung. Mit diesem Frontalangriff konnte Heise in Saarbrücken die Mehrheit der Delegierten noch nicht für sich gewinnen. Für Franz gaben am Ende 102 der Anwesenden ihre Stimme ab und Heise erhielt lediglich 69 Stimmen. Dennoch zeigte das Ergebnis deutlich, dass Franz keineswegs unangefochten an der Spitze der Partei steht und durchaus eine größere Gruppe innerhalb der NPD existiert, die die Partei wieder auf einen radikaleren Kurs bringen möchte.
Der „Völkische Flügel“
Die Angriffe auf Franz und die aktuelle Ausrichtung der NPD waren aber mit Heises Niederlage auf dem Parteitag keineswegs beendet. Am 30. Januar 2018 folgte die Veröffentlichung einer Proklamation und einer damit verbundenen neuen parteiinternen Gruppierung: Der „Völkische Flügel“. Die Ähnlichkeiten zur Entwicklung der AfD rund um Höcke sind wohl kaum von der Hand zu weisen. Der „Völkische Flügel“, so heißt es in der Proklamation, sei „ein nationalistisch und völkisch orientiertes Bündnis innerhalb der NPD“ und „soll grundlegend die Aufgabe übernehmen, dem Liberalisierungsprozess, dem Mitglieder- und Aktivistenschwund, sowie der Perspektivlosigkeit und der schwindenden Moral innerhalb der Partei, Einhalt zu gebieten“. Noch deutlicher als es Heise bei seiner Kandidatur auf dem Bundesparteitag 2017 getan hatte, wird in der Erklärung die aktuelle Parteiführung attackiert. „Der Zustand der NPD verschlechterte sich in den vergangenen Jahren, sowohl in der Quantität, als auch in der Qualität, in schier jedweder Form“, heißt es weiter.
Verantwortet wird die eigens angelegte „Flügel“-Homepage von Thorsten Heise. Neben Heise führt die Seite eine ganze Reihe von UnterzeichnerInnen der Erklärung. So zählen dazu verschiedene Landesvorsitzende (u.a. Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein), Parteivorstandsmitglieder („Baldur Landogart“ /Tobias Schulz und Ricarda Riefling) und zahlreiche Funktionäre der kommunalen Ebene. Damit konnte Heise seine doch recht breite Unterstützung innerhalb der ohnehin ausgedünnten Funktionärsebene der Partei zeigen. Am gleichen Tag erschien außerdem eine Stellungnahme der „Jungen Nationalisten“, der Jugendorganisation der NPD. Diese hatte sich Mitte Januar 2018 nicht nur einen neuen Vorstand gegeben, sondern auch ihren Namen geändert (früher „Junge Nationaldemokraten“). Neben Christian Häger (NRW) stehen dem Vorstand noch Paul Rzehaczek (Sachsen) und Dominik Stürmer (Bawü) vor. Frühere JN-Funktionäre wie Michael Schäfer oder Julian Monaco hat es mittlerweile ins Umfeld der „Neuen Rechten“ und der „Ein Prozent“-Initiative verschlagen. In der Stellungnahme der JN sind nur wenig kritische Worte in Richtung des „Flügels“ zu finden, es wird klar, dass der Angriff auf die aktuelle Parteiführung grundsätzlich mitgetragen wird. Dort heißt es: „So wurde unserer Betrachtung nach zu lange mit einem bürgerlichen Kurs die Realität verkannt“. Und weiter: „Die mit diesen Anstrengungen verbundenen Verluste von Zeit, sehr viel Geld und dem Verprellen von fähigem Personal ist eine der schweren Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre“.
Für die NPD ist eben jene Konfliktlinie in den vergangenen fast 20 Jahren wohl die größte innerparteiliche Kampflinie: „Verbürgerlichung“ oder „Weltanschauungspartei“. Fast deckungsgleich verliefen schon die Debatten rund um die Kandidaturen von Andreas Molau 2009 oder die strategischen Auswürfe von Holger Apfel.
Mit Provokation am Steuer halten
Während die NPD kaum noch öffentlich wahrnehmbar ist, versucht die Parteiführung mit Provokationen immer mal wieder Medienaufmerksamkeit zu erhaschen. Im Juni 2018 startete das Projekt „Schutzzonen“, welches der Partei wieder etwas mediale Aufmerksamkeit bescherte. NPD-Aktivisten laufen mit Warnwesten und „Schutzzonen“-Aufdruck in bürgerwehrähnlicher Art Patrouille. Man wolle erreichen, so gab Franz im August in der Parteizeitung an, „daß [sic] sich Deutsche auf die NPD zubewegen, ohne gleich mit den drei Buchstaben mit der Tür ins Haus zu fallen“. Mit anderen Worten: Mit dem Label NPD lässt sich trotz aller Beteuerungen und Prognosen aus dem Verbotsverfahren immer noch kein Blumentopf gewinnen.
Gleichzeitig gab Franz, wenn auch vorsichtig formuliert, einen Einblick in die schlechte Lage der Partei. Man habe „in den letzten Jahren einige Mitglieder verloren“. Aber alles natürlich kein Problem, denn die „NPD könne noch immer auf eine gute Aktivistenstruktur bauen“. Ganz anders klang dies wohl bei Tobias Schulz, der unter dem Namen Baldur Landogart in der Öffentlichkeit auftritt und im NPD-Parteipräsidium für Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Er verantwortet auch das Neonazi-Hochglanzmagazin „Werk Kodex“, welches seit einigen Monaten auf dem Markt ist. Für die Erstausgabe wurde auch der Alt-Hippie Rainer Langhans interviewt. Laut Medienberichten sagte Langhans zum Kontakt mit Schulz: „Er sagte mir, dass er zur NPD gehöre, die sich aber in Auflösung befände“.