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Zum NPD-Verbotsurteil

Einleitung

Am 17. Januar 2017 verkündete das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sein Urteil zum seit 2013 laufenden (zweiten) NPD-Verbotsverfahren. Das BVerfG wies den Antrag des Bundesrates auf Verbot der NPD zurück, obwohl es der NPD attestierte, dass die Partei ein Konzept vertrete, welches auf „die Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ ausgerichtet sei.

Der kürzlich wiedergewählte NPD-Vorsitzende Frank Franz (2.v.r.).

Mangelnde Relevanz

Am 17. Januar 2017 verkündete das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sein Urteil zum seit 2013 laufenden (zweiten) NPD-Verbotsverfahren. Das BVerfG wies den Antrag des Bundesrates auf Verbot der NPD zurück, obwohl es der NPD attestierte, dass die Partei ein Konzept vertrete, welches auf „die Beseitigung der bestehenden freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ ausgerichtet sei. Die Partei wolle, so die Richter weiter, die derzeitige Verfassungsordnung durch einen „ethnisch definierten [an der] ‚Volksgemeinschaft‘ ausgerichteten autoritären Nationalstaat“ ersetzen und weise eine „Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus“ auf. Das die Richter den Antrag des Bundesrates dennoch zurückwiesen, hängt vielmehr mit der politischen Bedeutungslosigkeit der NPD zusammen. Das BVerfG erkennt derzeit schlicht keine Erfolgsmöglichkeiten auf die Umsetzung der verfassungsfeindlichen Ziele der Partei, wie es in der Pressemitteilung zum Urteil heißt:

Die NPD bekennt sich zwar zu ihren gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Zielen und arbeitet planvoll auf deren Erreichung hin, so dass sich ihr Handeln als qualifizierte Vorbereitung der von ihr angestrebten Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung darstellt. Es fehlt jedoch an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die eine Durchsetzung der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele möglich erscheinen lassen. Weder steht eine erfolgreiche Durchsetzung dieser Ziele im Rahmen der Beteiligung am Prozess der politischen Willensbildung in Aussicht (aa), noch ist der Versuch einer Erreichung dieser Ziele durch eine der NPD zurechenbare Beeinträchtigung der Freiheit der politischen Willensbildung in hinreichendem Umfang feststellbar (bb).

Weitere im Verfahren vorgebrachte Argumente zum Verbot der NPD waren deren Dominanzansprüche in Teilen Mecklenburg-Vorpommerns und Sachsens, die mit Angstzonen einhergehen. Doch jenseits des kleinen Ortes Jamel sieht das BVerfG auch hierfür bundesweit keine Hinweise:

Sie vermag Dominanzansprüche in abgegrenzten Sozialräumen nicht in relevantem Umfang zu verwirklichen. Der Kleinstort Jamel stellt einen Sonderfall dar, der nicht verallgemeinerungsfähig ist. Sonstige Beispiele erfolgreicher Umsetzung räumlicher Dominanzansprüche sind nicht ersichtlich. Eine Grundtendenz der NPD zur Durchsetzung ihrer verfassungsfeindlichen Absichten mit Gewalt oder durch die Begehung von Straftaten kann den im Verfahren geschilderten Einzelfällen (noch) nicht entnommen werden. Schließlich fehlen hinreichende Anhaltspunkte für die Schaffung einer Atmosphäre der Angst, die zu einer spürbaren Beeinträchtigung der Freiheit des Prozesses der politischen Willensbildung führt oder führen könnte.“

Mit der Entscheidung des Gerichtes dürfte die NPD auf absehbare Zeit „unverbietbar“ sein. Ein Aufstieg der Partei ist derzeit kaum zu erwarten. Prompt prangte in der ersten Ausgabe der Parteizeitung "Deutsche Stimme" (DS) der Slogan „Sozial. National. Legal“ auf dem Cover. Für die NPD, die nach dem Verlust ihrer Landtagsfraktionen und zahlreichen inneren Skandalen derzeit kaum politisch wahrnehmbar ist, war das Verbotsverfahren wohl nur eine der zahlreichen Baustellen, um die sich die Partei derzeit kümmern muss. Der von den Funktionären herbeigeredete Befreiungsschlag dürfte das Urteil keineswegs sein. Der desolate innere Zustand der Partei und das abfischen der Wählerstimmen durch die "Alternative für Deutschland" (AfD) dürften die schwerwiegenderen Probleme für die NPD darstellen.

Die NPD intern: Unsicher aber vorbereitet

In den Wochen vor der Urteilsverkündung gaben sich die Funktionäre der Partei zumindest nach außen gelassen. Die NPD könne nicht verboten werden, da man ja nichts Verbotenes tue, so war meist der Tenor der öffentlichen Verlautbarungen. Noch in der Januar-Ausgabe der Parteizeitung „Deutsche Stimme“ prognostizierte der Vorsitzende Frank Franz, dass das Ende des Verbotsverfahrens „Unser Neustart“ sei. Wenige Tage vor der Urteilsbegründung zeigte sich aber — zumindest in internen Kommunikationen — dass die Führungskräfte der Partei keineswegs so sicher waren, wie sie nach außen behaupteten. Als schon Tage vor der Urteilsverkündung über die Medien kolportiert wurde, dass die NPD voraussichtlich nicht verboten werden würde, warnte beispielsweise der ehemalige Mitarbeiter der NPD-Landtagsfraktion in Sachsen, Per Lennart Aae, auf Facebook vor voreiliger Freude. Die Gerüchte seien mit „Vorsicht zu genießen“ schrieb er. Karl Richter sprach in der Diskussion mit Aae gar von einer „tolpatschige[n] Naivität, mit der in ‚unseren‘ Kreisen lauthals ‚Entwarnung gerufen‘“ werde. Auch der Vorsitzende Frank Franz gab sich im sozialen Netzwerk deutlich weniger sicher. „Wer sich aufgrund solcherlei Berichterstattung in Sicherheit wiegt, hat eh einen am Sender“, kommentierte Franz die Diskussion.

Ohnehin dürfte die NPD auf ein mögliches Verbot vorbereitet gewesen sein. Der stellvertretende Landesvorsitzende und Landesgeschäftsführer der NPD-Bayern, Axel Michaelis, nahm ebenfalls an der Diskussion um ein mögliches NPD-Verbot teil und kommentierte: „[…] was soll eine Durchsuchung z.B. bei mir bringen. Die alten Akten aus den sechzigern und siebzigern sind lange an einen sicheren Ort verbracht und ansonsten können sie die Kassenbücher der letzten zehn Jahre mitnehmen. Wo ist das Problem?“ (Fehler im Original). Auch der ehemalige Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel machte eine Woche vor der Urteilsverkündung in einem Beitrag auf Facebook deutlich, was sich schon in den 1990er Jahren nach den Verboten zahlreicher extrem rechter Organisationen abzeichnete: Auch bei Verboten bleibt der Großteil der Führungskräfte weiter aktiv. „Sollte die NPD wider Erwarten doch verboten werden, geht es auch ohne Partei weiter. Nationalismus läßt sich nie verbieten!“, so Gansel.

Zukunft der NPD und Bedeutung des Urteils

Hatte die NPD Ende der 1990er Jahre noch den „Kampf um die Straße“, den „Kampf um die Parlamente“ und den „Kampf um die Köpfe“ ausgerufen, ist sie aktuell  vor allem im Kampf mit sich selbst beschäftigt. Eine nennenswerte Mobilisierung auf der Straße lässt sich derzeit nicht erkennen. Ihre Landtagsfraktionen hat die Partei gänzlich eingebüßt und ihr einziger Sitz im Europaparlament (Udo Voigt) scheint eher ein Pensionsposten als ein politisch relevantes Mandat — zumindest in seiner politischen Auswirkung in Deutschland.

Und auch die verbliebenen kommunalen Abgeordneten der Partei zeigen sich in weiten Teilen eher inaktiv. Der Aufbau intellektueller Netzwerke kann ebenso seit Jahren als gescheitert angesehen werden. Die Pläne der Parteiführung sind vor allem in der weiteren lokalen Verankerung über die kommunalen Mandate zu sehen. Außerdem sollen sogenannte Leuchtturmprojekte verwirklicht werden, die das soziale Profil der NPD hervorkehren sollen, es soll zurück zur „sozialen Frage“ als Wahlkampfthema gehen. Im laufenden Jahr dürfte die Partei allerhöchstens bei den Landtagswahlen im Saarland auf einen Achtungserfolg hoffen und wird wohl hier auch ihren Wahlkampfschwerpunkt setzen. Ob dies auch mit einer Radikalisierung der Propaganda einhergeht wird sich zeigen. Eigentlich würde dies den Plänen des Parteivorsitzenden Frank Franz nach einer verbesserten Außendarstellung der NPD widersprechen.

Jenseits der Bedeutung für die NPD selbst, öffnet das Urteil für andere Parteien der extremen Rechten ein Einfallstor für eine verbale Radikalisierung, ohne ein Verbot befürchten zu müssen. Besonders die Neonazi-Parteien „Der III. Weg“ und „Die Rechte“ dürften das Urteil aufmerksam zur Kenntnis genommen haben. Mit Blick auf die Bundestagswahl könnte dies einen erheblichen Einfluss auf das Auftreten der Parteien der extremen Rechten haben.

Neben dieser findet außerdem auch noch die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen statt, das als Stammland von „Die Rechte“ gilt. Jenseits strafrechtlicher Konsequenzen ist nach dem Urteil des BVerfG zumindest damit zu rechnen, dass extrem rechte Kleinstparteien ein Verbotsverfahren deutlich weniger fürchten müssen. Allerdings ist die Grundvoraussetzung, dass die Parteien aktiv an Wahlen ect. teilnehmen, da ohne eben jenen Nachweis die Innenminister die Parteien — ähnlich wie die FAP — nach dem Vereinsgesetz verbieten könnten.