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Das „Studienzentrum Weikersheim“: Ein Instrument der AfD?

Timo Büchner
Einleitung

Im September 2018 lud das „Studienzentrum Weikersheim“ (kurz: SZW) unter dem Motto „Das Jahr 1918 und die Folgen“ zur 41. Jahrestagung auf Schloss Weikersheim (Main-Tauber/Baden-Württemberg). Volker Kempf, seit 2014 ein aktives Mitglied des Kreistags Breisgau-Hochschwarz­wald und Vorsitzender der "Alternative für Deutschland"-Kreistagsgruppe, wurde zum Vizepräsidenten des SZW gewählt. Damit verdichtet sich die personelle Nähe des SZW zur AfD zum wiederholten Mal. Schließlich pflegt die selbsternannte „Denkfabrik“ seit Jahren enge Verbindungen in die Neue und (extreme) Rechte.

Bild: Screenshot von youTube/Wissensmanufaktur

Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider und Prof. Dr. Jost Bauch.

Die „Filbinger-Affäre“

Die „Filbinger-Affäre“ erschütterte Ende der 1970er Jahre die süddeutsche Landespolitik: Die früheren Tätigkeiten des CDU-Politikers und baden-württembergischen Ministerpräsidenten, Hans Filbinger, als NSDAP-Mitglied und NS-Marinerichter wurden aufgedeckt und öffentlich kritisiert. Infolgedessen trat er von seinem Amt zurück. Ein Jahr später, 1979, initiierte er die Gründung des rechtskonservativen Zentrums auf Schloss Weikersheim. Filbinger sah im SZW die „Antwort auf die sogenannte Kulturrevolution aus den 60er Jahren“ und forderte die Zuwendung zu „Staatsgesinnung, geistiger Führung und geistiger Leistungselite“. Über Jahrzehnte hinweg bewies das SZW, wie diese „Antwort“ aussah. Denn: Es zeichnete sich vor allem durch seine umstrittenen Redner*innen aus dem rechten Spektrum aus.

In der Geschichte des SZW markierte die „Oettinger-Affäre“ (2007) zweifelsohne eine Zäsur: Günther Oettinger, damaliger Ministerpräsident Baden-Württembergs, hielt eine Trauerrede zur Beerdigung Filbingers und bezeichnete ihn als „Gegner des NS-Regimes“, der persönlich keine Hinrichtung von Deserteuren im NS-Regime zu verantworten gehabt habe. Es folgte internationale Kritik, weshalb Oettinger seine Aussage zurücknahm. Einen Rücktritt lehnte er allerdings entschieden ab. Bis heute konnte sich das SZW nicht von der internationalen Kritik um die „Oettinger-Affäre“ erholen. Die Veröffentlichung der „Weikersheimer Thesen“ (2013) sollten einen Neustart des Think Tanks ermöglichen. Darin wird das SZW als „Diskussionsforum für die zeitgemäße Formulierung eines freiheitlichen Konservatismus“ beschrieben, um sich „auf christlichem Fundament“ mit den „Problemen der Gegenwart des 21. Jahrhunderts“ zu beschäftigen.

Unkultur von Ressentiment und Hass

Prof. Dr. Harald Seubert, Präsident des „Studien­zentrum Weikersheim“ von 2013 bis 2016, trat sein Amt mit dem Anspruch an, das SZW im Sinne der „Weikersheimer Thesen“ zu erneuern. Jedoch räumte er wenige Wochen vor der 39. Jahrestagung (9. bis 11. September 2016) sein Scheitern ein. Er trat von seinem Amt zurück und trat sogar gänzlich aus dem SZW aus. Auf seiner Website schrieb er mit Blick auf die rassistischen PEGIDA-Proteste von einer „Unkultur von Ressentiment und Hass“ und meinte, seine Position, „jedwede Berührung des SZW mit diesen Tendenzen eindeutig zu verneinen“, sei im Präsidium nicht geteilt worden. Seubert resümierte: „Diesen Grunddissens konnte ich nicht länger ignorieren“. Auf Nachfrage der rechten Zeitung „Junge Freiheit“ präzisierte er, „daß Mitglieder und Teile des Vorstandes Kontakte zu Gruppierungen wie der AfD oder Pegida unterhielten und deren Präsenz im SZW wünschten“. Grundsätzlich bestehe eine „Unfähigkeit (nahezu) jeder konservativen Tendenz seit 1945, eine klare Zäsur zu dem nationaldeutschen Hexenkessel zu ziehen“; seine „Erneuerungsversuche“ seien am Ende an dieser „Front zerbrochen“.

Die Wahlen im Rahmen der Jahrestagung ergaben, dass Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider und Prof. Dr. Jost Bauch, zuvor waren beide Vizepräsidenten, das SZW künftig in einer Doppelspitze führen  sollten. Bauch ist inzwischen verstorben.

Personalie: Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider

Inhaltlich vertraten die beiden einen Mix aus Rassismus und Verschwörungsideologie. Im gemeinsam veröffentlichten Buch „Einwanderung oder Souveränität: Deutschland am Scheideweg. Die Illegalität der Zuwanderung und der Verfall des Staates“ behaupten sie, die Regierung würde „Fremde in großer Zahl zur Einwanderung einladen“ und „auf lange Sicht den Souverän, das Volk, austauschen“. Die angebliche „Landnahme der Fremden“ führe in eine „multikulturelle Zufallsbevölkerung“ und ende in „bürgerkriegsähnlichen Entwicklungen“. Schacht­schneider pflegt enge Kontakte zur AfD. Zwar ist er kein AfD-Mitglied, aber er ist einer der 68 Hauptunterzeichner der eurokritischen „Wahlalternative 2013“, welche in die Gründung der AfD mündete. Zudem ist er regelmäßiger Gastredner im Rahmen von AfD-Veranstaltungen. Mehr noch: Seit März 2018 ist Schacht­schneider eines von zehn Kuratoriumsmitgliedern der AfD-nahen „Desiderius-Erasmus-Stiftung“. Das Kuratorium, dessen Mitglieder den „Grundgedanken der Stiftung ideell verbunden sind“, unterstützt und berät die Vorsitzende Erika Steinbach. Gemeinsam mit Hans-­Thomas Tillschneider („Patriotische Plattform“ und AfD Sachsen-Anhalt), Götz Kubitschek („Institut für Staatspolitik“ und „Sezession“) und Jürgen Elsässer („Compact Magazin“) gründete Schachtschneider das Kampagnenprojekt „Ein Prozent für unser Land“, das bundesweit rechte Mobilisierungen finanziell und organisatorisch unterstützt. Im Laufe der Jahre veröffentlichte Schachtschneider zahlreiche Beiträge in „Sezession“ und „Compact“, referierte bei „Akademien“ des "Institut für Staatspolitik" (IfS) und den sogenannten „Souveränitätskonferenzen“ des „Compact“-­Maga­zins. Es verwundert nicht, dass Elsäs­ser ihn als „einen der wichtigsten Staatsrechtler Deutschlands“ bezeichnet.

Personalie: Daniel Tapp

Am 25. März 2017 veranstaltete das „Studienzentrum Weikersheim“ gemeinsam mit dem AfD-nahen „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“ um den Vorsitzenden David Bendels eine sog. „Frühjahrstagung“ mit Thilo Sarrazin auf Burg Lichtenberg bei Oberstenfeld (Landkreis Ludwigsburg/­Baden-Württemberg). Unter den ca. 120 Teilnehmenden befand sich zahlreiche "Prominenz" des rechten Spektrums wie Rolf Schlierer (Ex-Bundesvorsitzender „Die Republikaner“), Michael Paulwitz (Redakteur „Junge Freiheit“) und Dr. Nicolaus Fest (AfD Berlin). Spannend: Neben Dieter Stein (Chefredakteur „Junge Freiheit“) sprach die damalige AfD-Spitzenkandidatin zur bevorstehenden Bundestagswahl und heutige AfD-Fraktionsvorsitzende, Dr. Alice Weidel, ein Grußwort. Warum?

Ein Grund könnte sein, dass der aktuelle SZW-Geschäftsführer Daniel Tapp zugleich der Pressesprecher von Alice Weidel ist. Bevor sich die Geschäftsstelle nach Berlin verlagerte, befand sie sich in Wien. Denn, bevor Daniel Tapp im September 2014 die Geschäftsführung des SZW übernahm, war er Assistent der mittlerweile aus der FPÖ ausgetretenen Barbara Rosenkranz. Insofern lag beispielsweise auch das gemeinsame Symposium mit der FPÖ zu „Ungarns Rolle in Europa“ (11.Januar 2016) in Wien nahe. Damals saß Schacht­schneider, der zum Thema „Orbán vs. Merkel – Masseneinwanderung aus verfassungsrechtlicher Sicht“ sprach, auf dem Podium neben Rosenkranz.

Eine „unabhängige Plattform“?

Auf Burg Lichtenberg bezeichnete David Bendels, Vorsitzender des AfD-nahen „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“, das SZW als „unabhängige Plattform“. Allerdings offenbaren nicht nur die deutlichen Worte von Prof. Dr. Harald Seubert sondern auch die zahlreichen personellen Verstrickungen der aktuellen Geschäftsführung und Präsidentschaft, dass das SZW längst zum bloßen Instrument der AfD geworden ist. Zwar verzeichnet das „Studienzentrum Weikersheim“ seit mehreren Jahren eine stabile und vergleichsweise niedrige Mitgliederzahl von ca. 140 Personen, auch die „Jahrestagungen“ der letzten Jahre werden lediglich im niedrig zweistelligen Bereich besucht. Allerdings erfüllt das SZW eine nicht zu unterschätzende Netzwerk-Funktion für die politische Rechte in der Bundesrepublik. Das beweist nicht zuletzt die Veranstaltung auf Burg Lichtenberg.