Zum Umgang der Justiz mit extrem rechten Polizeibeamten
Michael PlöseDie Treuepflicht des Beamten gehört zu den „hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums“, die das Grundgesetz in Art. 33 Abs. 5 statuiert. Danach muss sich der_die Beamt_in mit den Prinzipien der verfassungsmäßigen Ordnung ohne innere Distanz identifizieren. Hierzu gehört auch die Neutralitätspflicht des Beamten, der „sozusagen als Staat Befehle geben kann“1 . Auch außerhalb des Dienstes unterliegen die Beamt_innen daher einer Pflicht zum „außerdienstlichen Wohlverhalten“. Anforderungen dieser Art dienen in erster Linie dem Schutz des Vertrauens der Öffentlichkeit „in eine dem freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat verpflichtete Beamtenschaft“. Auf diesen beamtenrechtlichen Statuspflichten beruhen die nachfolgend dargestellten Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, wenn sie in einer Vielzahl aktueller Verfahren die persönliche Eignung von Polizeianwärter_innen bezweifeln oder die politische Treuepflicht von auf Lebenszeit berufenen Beamt_innen durch ihr außerdienstliches Verhalten verletzt sehen.
- 1BVerfG, Urteil vom 27. April 1959 - 2 BvF 2/58 - BVerfGE 9, 268 <282>).
Wenn Polizeipräsident_innen in Disziplinarverfahren heute verkünden, dass „ausländerfeindliche, antisemitische und diffamierende Äußerungen […] berechtigte Zweifel an der Verfassungstreue und der persönlichen Eignung eines Polizeianwärters“ begründeten1 oder „ein Polizeibeamter […] nicht den Anschein setzen [dürfe], sich mit dem Nationalsozialismus oder rechtsextremistischen Strömungen zu identifizieren oder zu sympathisieren“2 , dann hat es fast den Anschein, als habe die „wehrhafte Demokratie“ des Grundgesetzes aus der Unterhöhlung der Weimarer Republik durch eine autoritätshörige, im Kern weiterhin kaisertreue Beamtenschaft Konsequenzen gezogen.
Ironischerweise ist jedoch das beamtenrechtliche Instrumentarium Ende der 1950er bis in die 1970er Jahre durch eine Rechtsprechung im Beamtenrecht geprägt worden, die gegen Links gerichtet war. Während das 1951 beschlossene „131er-Gesetz“ ehemaligen NSDAP-BeamtInnen einen Rechtsanspruch auf Rückkehr in den öffentlichen Dienst der BRD verschaffte und eine Quotenregelung dafür sorgte, dass 90 Prozent der nach 1945 entlassenen Nazi-BeamtInnen in den Staatsdienst zurückkehren konnten3 , sorgte die Instellungbringung der Treuepflicht parallel für die Entlassung von KPD-Mitgliedern und seit 1972 mit dem „Radikalenerlass“ durch Berufsverbote für Postboten, Lehrer_innen und Eisenbahner4 für eine Verhinderung des „Marsches durch die Institutionen“ .
1975 legte das BVerfG seinen verfassungsrechtlichen Segen über die Verwaltungspraxis der Berufsverbote, indem es forderte, Beamtenbewerber_innen müssten die „Gewähr dafür bieten, dass sie jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten bereit sind“5 . Dies schließe zwar nicht aus, an Erscheinungen dieses Staates Kritik zu üben und für Änderungen der bestehenden Verhältnisse mit den verfassungsrechtlich vorgesehenen Mitteln einzutreten, denn „an einer ,unkritischen‘ Beamtenschaft können Staat und Gesellschaft kein Interesse haben.“6 Nicht schon eine bestimmte politische Meinung des Beamten, wohl aber „politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung“ könnten danach eine Verletzung der Treuepflicht darstellen.
Erst seit den 1990er Jahren landen neben kinderpornographischen, BtMG- und Verkehrsdelikten verstärkt auch „rechtsextremistische Gesinnungstaten“ vor den Disziplinargerichtskammern der Verwaltungsgerichte. Die Verfahren ziehen sich über Jahre hin, in denen die Beamt_innen üblicherweise unter Beibehaltung ihrer Bezüge lediglich von der Ausübung ihres Amtes entbunden oder versetzt werden. Das hängt auch damit zusammen, dass die Zurückstufung von Beamt_innen, die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder die Aberkennung des Ruhegehalts nur aufgrund einer gerichtlicher Entscheidung möglich sind. Lange Zeit war die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte sehr zurückhaltend und die Länder wurden ihre Neonazibeamten mitunter nicht los. Oft entschieden sie statt der vom Dienstherren beantragten Entlassung auf Degradierung oder Verwarnung der treuwidrigen Beamt_innen. Lediglich bei Beamtenverhältnissen auf Widerruf (Polizeianwärter_innen) war die Rechtsprechung großzügiger. Deutlich weniger Verständnis für die ,rechte Gesinnung‘ von Polizeibeamt_innen zeigen die Verwaltungsgerichte dagegen, wenn diese sich gegen den Staat als solchen wenden und der „Reichsbürgerbewegung“ anhängen.
Einen Rechtsprechungswandel dürfte momentan eine die Tätowierung von Polizeibeamt_innen betreffende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. November 2017 hervorgerufen haben. Die Leipziger Richter stellten klar, dass „ein Beamter, der sich öffentlich als Anhänger des Nationalsozialismus zu erkennen gibt, […] dem Vorstellungsbild des auf die Verfassungsordnung des Grundgesetzes verpflichteten Beamten in diametraler Weise [widerspricht]. Er ist verpflichtet, bereits dem Anschein einer Wiederbelebung nationalsozialistischer Tendenzen entgegenzutreten und hat den Gebrauch entsprechend assoziierungsgeeigneter Symbole und Verhaltensweisen zu unterlassen.“ (Vgl. AIB Nr. 117 (4.2017): "(Ex)Polizist vor Gericht")
- 1vgl. VG Aachen, Urteil vom 30. April 2015, Az. 1 K 2241/14, juris Rn. 10).
- 2vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 01. April 2014, Az. OVG 81 D 2.12, juris Rn. 33.
- 3vgl. Ingo Müller, Furchtbare Juristen, Die unbewältigte Vergangenheit der deutschen Justiz, Berlin 2014, S. 260 ff.
- 4vgl. John Philipp Thun, Angst vor kommunistischen BriefträgerInnen, Zur Geschichte und Gegenwart der Berufsverbote, Forum Recht, 24.10.2007.
- 5Beschluss vom 22. Mai 1975, Az. 2 BvL 13/73, BVerfGE 39, 334.
- 6BVerfGE 39, 334 <347 f.>