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Frankreich: Verbote und Wahlkampf

Bernard Schmid (Paris)
Einleitung

In Frankreich wurden im Jahr 2020 die „Grauen Wölfe“ („Loups Gris“) und die „Identitären Bewegung“ („génération identitaire“) verboten.

Rechte Gewalt am Rande der "identitären" Demonstration in Paris.

„Loups Gris“ Verbot

Am 2. November 2020 wurde die türkisch-nationalistische Bewegung der „Grauen Wölfe“ („Loups Gris“) bzw. „Bozkurtlar“ in Frankreich durch einen Kabinettsbeschluss verboten. Dem voraus ging die Aggression mehrerer Hundert türkisch­-­nationalistischer Aktivisten gegen die armenische Bevölkerung in zwei Kommunen im Umland von Lyon, Décines-Charpieu und Vienne am 28. Oktober 2020 im Zusammenhang mit dem militärischen Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan in Berg-Karabach.

Wiederum in Décines wurde in der Nacht zum 1. November 2020 das dort befindliche Denkmal für die Opfer des Armenier-Genozids mit Parolen verunstaltet. Décines zählt zu den Gemeinden in Frankreich mit dem stärksten armenischstämmigen Bevölkerungsanteil. Hintergrund dafür ist, dass nach dem 1915 begonnenen Völkermord an Armeniern im damaligen Osmanischen Reich viele Überlebende nach dem Ersten Weltkrieg über das Mittelmeer flohen und im Hafen von Marseille eintrafen. Lediglich die extrem rechte Politikerin Marine Le Pen kritisierte das Verbot, die „Grauen Wölfe“ wiesen „keine Strukturen in Frankreich“ auf. Ihrer Auffassung nach hätten Verbote eher sunnitisch-islamistischen Strukturen zu gelten.

Der Auflösungsbeschluss gegen den französischen Ableger der „Bozkurtlar“ steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den türkisch-nationalistischen Aggressionen im Herbst 2020. Erleichtert wurde dies sicherlich auch dadurch, dass Frankreich außenpolitisch in den letzten beiden Jahren auf Konfrontationskurs mit den Interessen einer offensiv auftretenden Türkei im Mittelmeerraum ging. Hinzu kommt, dass dieser speziellen Verbotsmaßnahme im Oktober 2020 weitere vorausgingen, die vorwiegend muslimische Vereinigungen trafen und zum Teil weitaus umstrittener waren.

„Génération identitaire“ Verbot

Zum Teil um zu beweisen, dass die Staatsmacht auf allen Seiten und nicht nur einseitig durchgreifen kann, zum Teil, um das breiter werdende rechte Potenzial der Gesellschaft in kanalisierende Bahnen zu verweisen, verbot die Regierung – per Auflösungsbeschluss des Kabinetts vom 3. März 2021 – kürzlich auch die Stammorganisation der extrem rechten „Identitären Bewegung“ („génération identitaire“) um Clément Galant, Romain Espino und Thaïs d'Escufon. "Génération identitaire" hat angekündigt, Rechtsmittel gegen das Verbot einzulegen.

Die Spitzen der Regierungspartei müssen für die Stichwahl um die Präsidentschaft im Frühjahr 2022 andere politische Kräfte zur Seite drängen und dabei dafür sorgen, dass die rechte Dynamik dem Staat nicht aus dem Ruder läuft. Das Verbot war infolge von Patrouillengängen der „Identitären“ an der spanisch-französischen Grenze in den Pyrenäen gegen MigrantInnen eingeleitet worden.

Viele Kommentare fragten allerdings danach, warum nicht früher und mit strafrechtlichen Mitteln unterhalb der Verbotsschwelle gegen die Strukturen vorgegangen worden sei. Neue polizeiliche Erkenntnisse, etwa zur „Fördermitgliedschaft“ des australischstämmigen Neonaziterroristen und Urhebers des Massenmords im neuseeländischen Christchurch im März 2019 bei der „génération identitaire“, trugen dazu sicherlich bei.

Nach dem islamistischen Attentat in Nizza gab es am 29. Oktober 2020 im südfranzösischen Ort Montfavet nahe Avignon einen vereitelten Angriff mit einer Handfeuerwaffe auf Passant_innen mit nordafrikanischen Wurzeln. Die Polizei erschoss den Angreifer, der den „Identitären“ angehört haben soll - zumindest trug er die hellblaue Kampagnenjacke der „Identitären“, die 2018 bei „Defend Europe“ am Gebirgspass Col de l’Échelle vergeben wurde.

In Paris wurde gegen die Auflösung der „Identitären“ durch die Organisation und ihre Mitglieder demonstriert.  Offenbar eine gute Gelegenheit, ihre rechte Militanz zu präsentieren: Der Tod von Clément Méric, der 2013 von Neonazis getötet wurde, wurde gefeiert (Parole: „Man kann Clément Méric nicht mehr singen hören“) und Journalist_innen und Gegendemonstrant_innen zu Boden gebracht und getreten.

Anwesend war auch Maxime Brunerie, der Urheber eines Attentatversuchs gegen Jacques Chirac im Jahr 2002.