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„Knockout51“ – Neonazi-Straßenterror vor Gericht

Einleitung

Seit dem 21. August 2023 müssen sich am Oberlandesgericht Jena vier Neonazis wegen ihrer brutalen Gewalttaten und der Bildung einer kriminellen Vereinigung verantworten. Die Entwicklung der Neonazi-Kampfsportgruppe aus Eisenach bildet die Genese der bundesdeutschen extremen Rechten der vergangenen zehn Jahre ab. Sie verlief von den regionalen NPD-Strukturen bis in internationale Terrornetzwerke.

Der Neonazi Leon Ringl posiert für ein rechtes Videoformat. (Bild: Screenshot avosTV).
(Screenshot: youtube/avosTV - in Bewegung)

Leon Ringl von „Knockout51“ posiert für ein rechtes Videoformat.

Vor dem Oberlandesgericht in Dresden sitzen aktuell nur vier Neonazis, die der Kampfsportgruppe „Knockout51“ aus Eisenach zugerechnet werden: Der Rädelsführer Leon Ringl, Maximilian Andreas, Bastian Adam und Eric Krempler, der die Jugendgruppe geleitet haben soll. Aus Sicht der Bundesanwaltschaft wohl der harte Kern der Gruppe. Weitere Verfahren gegen Mitglieder und Unterstützer_innen sollen in den kommenden Monaten folgen. Die Bundesanwaltschaft nennt sie „gesondert Verfolgte“ in ihrer Anklageschrift. Unter ihnen ist auch der NPD-Funktionär Patrick Wieschke und zahlreiche Neonazis, die zum Kern und Umfeld der Gruppe gehören. Die Prozesse dürften sich noch weit bis in das Jahr 2024 ziehen.

Dass die Gruppe weiterhin fester Bestandteil der bundesdeutschen Neonazi-­Netzwerke ist, zeigte sich bereits an den ersten beiden Verhandlungstagen. Zahlreiche Neonazis nahmen aus der gesamten Bundesrepublik den Weg nach Jena auf sich, um ihre Solidarität mit den Angeklagten zu bekunden. Darunter Dortmunder Kader wie Steven Feldmann oder Benjamin Schm., der "Secretary" des "Ghost Gang MC" aus Wuppertal. Weitere Neonazis aus Hof oder Braunschweig komplettierten die zahlreich angereisten Unterstützer.

Die Mitglieder von „Knockout51“ hatten es bis zu ihrer Verhaftung am 6. April 2022 weit gebracht in der bundesdeutschen Neonazi-Szene. Die Entstehung der Struktur liegt fast zehn Jahre zurück. 2013 bereits tauchten die ersten von ihnen auf lokalen Neonazi-Veranstaltungen auf.

Der Beginn: Ohne die NPD nicht denkbar

Eisenach hat eine lange neonazistische Tradition. Seit spätestens 1997 existieren in der Wartburgstadt NPD und JN-Strukturen. Patrick Wieschke gehörte schon damals zu den Funktionären der lokalen Neonazi-Szene und gibt an, 1997 Gründungsmitglied des NPD-Verbandes in der Wartburgregion gewesen zu sein. Ebenfalls seit Ende der 1990er-Jahre agierte dann zusätzlich die „Kameradschaft Eisenach“ vor Ort. In der Selbstbeschreibung heißt es, die „Initiatoren der Anti-Antifa Eisenach“ bildeten „diese Kameradschaft“, die sich von Beginn an als „Plattform für politische Soldaten“ verstand. Schon Ende der 1990er-Jahre gehörte also die Jagd auf Linke zum festen Programm der lokalen Neonazi-Szene. Wieschke bildet dabei wohl personell die wichtigste Kontinuität zwischen der „Kameradschaft Eisenach“, NPD und „Knockout51“. 

Im März 2013 tauchte auf einer NPD-­Kundgebung in Eisenach erstmals der Schüler Kevin N. auf. Unbeteiligt und offensichtlich ohne größeren Anschluss nahm Kevin N. an der Kundgebung gegen den geplanten Bau einer Moschee teil. Es ist wohl einer seiner ersten öffentlichen Auftritte auf einer Neonazi-Veranstaltung. Später gehört er zum festen Kern der Neonazi-Gruppe „Knockout51“. Kaum ein Jahr später taucht Kevin N. erneut auf einer NPD-­Kundgebung in Eisenach auf. Mit sichtlich mehr Anschluss trägt er immerhin eine der vorbereiteten Plakate um den Hals. Kevin N. taucht in den kommenden Monaten bei immer mehr auch überregionalen Neonazi-­Veranstaltungen auf. Schon am 1. Mai 2015 nahm er ebenfalls an der Demonstration des „Der III. Weg“ in Saalfeld teil, bei der es zu gewalttätigen Zusammenstößen mit der Polizei kam.

Diese Demonstration war für die bundesweite Neonazi-Szene von Bedeutung, weil hier erstmals wieder ein militanter „schwarzer Block“ im Stile der „Autonomen Nationalisten“ auftrat, welcher in den nachfolgenden Jahren wiederholt organisiert wurde. Im Juli 2015 gründet sich dann öffentlich wahrnehmbar mit der „NJ-Eisenach-Wartburgkreis“ die erste Vorläuferstruktur von „Knockout51“. Kaum einen Monat später traten die jungen Neonazis bei einer NPD-Demonstration erstmals als eigener Demonstrationsblock in Erscheinung. Auch damals schon dabei: Kevin N. und die im Hauptverfahren Angeklagten Maximilian Andreas und Bastian Adam.

Die neugegründete Neonazi-Gruppe fällt neben rassistischen Facebook-Postings vor allem durch Graffitis, bemalte Bettlaken und Neonazi-Sticker auf, welcher in der ganzen Stadt verteilt werden. Schon damals versucht die Gruppe in Eisenach einen „Nazi-Kiez“ zu errichten. Zunächst aber noch mit einer Raumnahme ohne Gewalt. Als sich in der Stadt die Sachbeschädigungen häufen und die Lokalpresse berichtet, springt Wieschke seinen Nachwuchs-Neonazis zur Seite. „Bald treffen sich die jungen Mitstreiter wieder im Flieder Volkshaus. Macht auch ihr mit! Wer Interesse hat, kann sich bei mir melden“, schrieb Wieschke in einem Facebook-Post. Die NPD-Landesgeschäftsstelle war also offenbar seit Anbeginn der Gruppe Treffpunkt und Wieschke gerierte sich schon 2015 als Kontaktmann. 

Radikalisierung beim „Antikapitalistischen Kollektiv“

Im Januar 2016 zeigte sich dann, an welche Neonazi-Strukturen die Gruppe bereits Anschluss gefunden hatten: Eine „Nationale LAN-Party“ wurde sowohl von „FSN.tv“ als auch von „Revoltopia.net“ sowie der „Balaclava-­Küche“ unterstützt. Für die kommenden Jahre wird hier vor allem der Kontakt zum JN-Funktionär Maximilian Reich von Bedeutung sein, welcher 2015 das „Antikapitalistische Kollektiv“ (AKK) gegründet hatte und den "Revoltopia-Versand" betrieb. Ab 2016 waren die jungen Neonazis aus Eisenach dann deutlich in den AKK-Strukturen organisiert. Und spätestens dann stößt auch der als Rädelsführer angeklagte Leon Ringl zur Gruppe hinzu. Bilder zeigen ihn am 1. Mai 2016 im „schwarzen Block“ des AKK in Plauen. Auch hier gab es erneut gewalttätige Zusammenstöße mit der Polizei.

Diese Demonstration ist aber auch zentral für die internationale Vernetzung der Gruppe bis in Terrornetzwerke. Am 1. Mai war auch ein halbes Dutzend Neonazis der „National Action“ (NA) aus Großbritannien in Plauen zu Gast. Hier knüpfen auch die Neonazis aus Eisenach Kontakt mit der Gruppe. Schon im Juni 2016 reisten dann erneut „National Action“-Kader nach Thüringen und nahmen gemeinsam mit den Strukturen der AKK am RechtsRock-Event „Thüringentag der nationalen Jugend“ in Sömmerda teil. Die Hacks des „Iron-March“-­Forums zeigten später, dass mutmaßlich Leon Ringl dort aktiv war. Der ihm zugerechnete Alias gab an, dass die Mitglieder der NA ihm das „Iron-March“-Forum empfohlen hätten. Hier knüpfte dieser dann wohl auch Kontakte zur „Atom-Waffen-­Division“. 

Das AKK war damit eine der zentralen Radikalisierungsmomente für die neugegründete Neonazi-Gruppe. Hier wurde nicht nur Militanz bei Demonstrationen eingeübt und die ideologische Prägung der Gruppe vorbereitet, sondern auch internationale Kontakte geknüpft, die bis zu Terrorgruppen reichten. 

Professionalisierung und Kampfsport: Die Gründung von „Knockout51“

Das Netzwerk der AKK war für die Nachwuchs-Neonazis nicht nur ein Radikalisierungs-, sondern auch ein Professionalisierungsschub. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass Leon Ringl neben einem weiteren Neonazi aus Erfurt als Sprecher des "AKK-Ost" agierte. 2017 benannte sich die Gruppe dann um: Aus der „NJ Eisenach-­Wartburgkreis“ wurde der „Nationale Aufbau Eisenach“. Die Online-Auftritte zeigten eine deutlich größere Professionalität, die Gruppe war im Kern des deutschen Neonazismus fest integriert. Die Mitglieder des „Nationalen Aufbau“ nahmen bundesweit an Neonazi-Aufmärschen teil. Aber auch international waren einige ihrer Mitglieder unterwegs. Kader des „Nationalen Aufbau“ nahmen an mehreren Reisen in die Ukraine teil. So beispielsweise auch zum „Asgardsrei“, wohl das größte NS-Black-­Metal-Festival Europas.

Gleichzeitig wird die zunächst durch Symbole betriebene Raumnahme in Eisenach immer mehr auch über Gewalt durchgesetzt. Die Straftaten, welche die Sicherheitsbehörden den Eisenacher Neonazis zwischen 2015 bis 2018 zurechnen, wandeln sich ab 2017 deutlich. Zu den mehrheitlich begangenen Sachbeschädigungen kommen immer mehr – teils schwere - Gewaltdelikte und andere Straftaten im Bereich Waffen- und Sprengstoffgesetz hinzu.

Schon 2018 postete ein Mitglied der Gruppe in den sozialen Netzwerken eine Grafik mit zahlreichen Waffen, unter der es unmissverständlich heißt: „Wir dulden keine Zecken, Demokraten und Drogendealer!“. Gleichzeitig waren immer mehr Bilder online zu finden, die „Kiezstreifen“ zeigen sollten, die Neonazis patrouillierten in „ihrer Stadt“. Und zwischendurch: Immer wieder ideologische Schulungen und Dank an Patrick Wieschke wie im Februar 2019. Hier postete der „Nationale Aufbau“ ein Bild von einem Vortrag in der NPD-Landesgeschäftsstelle mit den Worten: „Vielen Dank an Patrick Wieschke für den heutigen Vortrag“.

Ab spätestens 2018 ist dann auch eine Hinwendung der Gruppe zum Kampfsport zu beobachten. Mit Kevin N., Maximilian Andreas und auch Leon Ringl nahmen zentrale Mitglieder (noch) als Gäste an verschiedenen Neonazi-­Kampf­sport-Veranstaltungen teil. Im Oktober 2018 zeigten sich dann die neuen Netzwerke und Ausrichtung deutlich. Bei einem Training des "Imperium Fightteam" in Leipzig tauchte Kevin N. gemeinsam mit verschiedenen Mitgliedern der Erfurter Neonazi-Hooligangruppe „Jungsturm“ auf. Darunter auch der später verurteilte Robin B. aus Gotha.

Das nun im Januar 2019 die Gründung der neuen dezidiert auf Kampf­sport ausgerichteten Struktur „Knockout51“ folgte, konnte kaum noch überraschen. Die zur Gründung gepostete Grafik weißt auf eine Zusammenarbeit mit Neonazi-­Strukturen aus Braunschweig hin. Neben der neugegründeten Gruppe „Knockout51“ ist dort quasi als Partner-Organisation auch „Adrenalin Braunschweig“ zu finden, welche rund um die Neonazis Lasse R. und Piere B. organisiert war.

Im Sommer 2019 zeigte sich dann die neuen Netzwerke zur Erfurter Hooligan-Szene deutlich. So nahmen mit Kevin N. und Maximilian Andreas zwei Kern-Mitglieder der Gruppe gemeinsam mit rund 20 weiteren Erfurter Hooligans rund um den „Jungsturm“ am Neonazi-­Kampfsport-Event „Tiwaz“ in Sachsen teil. Aus den Reihen des „Jungsturm“ trat hier auch ein eigener Kämpfer an. Die Bedeutung von „Knockout51“ in den neonazistischen Kampfsport-Netzwerken wuchs eben in dieser Zeit deutlich. So wurde die Gruppe bereits 2019 vom „Kampf der Nibelungen“, wohl die größte und bekannteste Neonazi-Kampf­sport-Veranstaltung Deutschlands, als offizielle Unterstützer-­Struktur genannt. Gegenseitige Teilnahmen von Eisenacher und Dortmunder Neonazis an lokalen Demonstrationen zeigten die Verbundenheit ebenfalls. 

Die Gründung von „Knockout51“ Anfang 2019 war die absehbare Konsequenz einer sich in der bundesdeutschen extremen Rechten radikalisierten Neonazi-Gruppe, die vor allem auch den Kampfsporttrend der Szene mit deren ideologisch begründeter Militanz vereinte. Die Gruppe hatte sich seit 2015 nicht nur in einem unheimlichen Tempo radikalisiert, sondern war auch sehr schnell zum festen Bestandteil bundesdeutscher und internationaler Neonazi-Netzwerke geworden. In Eisenach selbst waren es vor allem die NPD-Strukturen um Wieschke, die als Unterstützung auftraten. So stand der Gruppe die Immobilie der NPD nicht nur für Veranstaltungen zur Verfügung, sondern spätestens ab Frühjahr 2020 auch als Ort für ihre Kampfsportrainings. 

Radikalisierung bis zur „Tötung von Angreifern“

Die Ermittlungen der Bundesbehörden setzten erst nach der Gründung der Gruppe ein. Dies zeigt auch die Anklage, die zwar grundsätzlich den Radikalisierungsprozess der Gruppe nachvollzieht, aber eine erste Ausrichtung zur Errichtung eines „Nazi-Kiez“ in Eisenach zu spät verortet. Der zentrale Radikalisierungsschritt, den die Bundesanwaltschaft bei „Knockout51“ sieht, sind zwei Überfälle im Herbst/Winter 2019 auf die von Ringl betriebene Kneipe „Bulls Eye“ und einen weiteren auf ihn als Person. Mit diesen Überfällen, so die Anklage, verändert die Gruppe ihre Ausrichtung massiv. So heißt es in der Anklageschrift: „Spätestens ab April 2021 war die Vereinigung ‚Knockout 51‘ neben der Begehung von Körperverletzungen auch auf die Tötung von Angreifern aus dem linksextremen Lager ausgerichtet. Seitdem handelte die Vereinigung und deren Mitglieder nicht mehr, um sich gegen Angriffe von Linksextremisten zur Wehr zu setzen. Vielmehr war ihr handeln allein davon bestimmt, durch die Provokation von Angriffen selbst den gewaltsamen Kampf gegen den politisch linken Gegner zu suchen.“

Was genau dies bedeutet, geht aus der Anklageschrift sehr genau anhand zahlreicher Beispiele hervor. Neben zahlreichen brutalen Körperverletzungen in und um Eisenach, die vor allem zur Durchsetzung der Machtposition der Gruppe dienten, gab es mehrere Versuche, gewalttätige Auseinandersetzungen zu provozieren, um die Gegner dann schwer zu verletzen.

Eine geplante Tat aus dem September 2021 zeigt die Brutalität, mit der diese Vorhaben geplant waren: Die Anklage geht davon aus, dass Leon Ringl, Maximilian Andreas und Marvin W. („gesondert Verfolgter“) am 25. September 2021 auf dem Weg nach Erfurt waren, um am „Autonomen Jugendzentrum“ (AJZ Erfurt) eine ihrer Pläne umzusetzen. Vor Ort soll Kevin N., der mittlerweile von Eisenach nach Erfurt verzogen war, mit drei weiteren rechten Kampfsportlern gewartet haben. Die drei Eisenacher sollen mit Messern, einer Machete und einer Axt bewaffnet gewesen sein. Sie sollen mit ihren Autos mehrfach am AJZ vorbeigefahren sein, in der Annahme, man würde ihre Autos erkennen und dann angreifen. Ringl soll bekundet haben, er wolle im Falle eines Angriffs „in die Gegner ‚reinhacken‘“ und Marvin W. sollte Angreifer mit einem Auto überfahren. Nur der Zufall verhinderte diese Tat, da die Besucher des AJZ die Provokation der Neonazis nicht wahrgenommen hatten.

Die NPD-Immobilie „Flieder Volkshaus“ wurde von Ringl durch spezielle Baumaßnahmen in eine potentiell tödliche Falle für angreifende Antifaschist_innen umgebaut.

Gleichzeitig mit diesem Vorgehen und der versuchten Provokation linker politischer Gegner nahmen die Neonazis ab 2020 bundesweit an Demonstrationen der "Querdenker"-Szene teil. Hier suchten sie, so die Anklage, aktiv die gewalttätige Auseinandersetzung mit der Polizei. Im Kern setzte die Gruppe hier die Aktivitäten der AKK fort. Die Teilnahme an "Querdenker"-Demonstrationen erstreckte sich sowohl über das gesamte Bundesgebiet als auch lokal auf die in Eisenach durchgeführten Demonstrationen. Hier hatten die Mitglieder von „Knockout51“ sogar zeitweise eine Führungsfunktion inne, und waren für den Schutz und die Koordination der Aufmärsche zuständig.

Anklage und aktuelle Entwicklungen

Die von der Bundesanwaltschaft vorgelegte Anklage, welche auf den Ermittlungen des Bundeskriminalamtes basiert, ist umfassend und beschreibt den Weg der Radikalisierung der Gruppe nachvollziehbar. Ebenso zeigt die Anklage, dass „Knockout51“ über ein weites Unterstützer-Umfeld in Eisenach verfügte. Bis hin zur Polizei. Hier findet sich der Hinweis, dass über einen Beamten der lokalen Polizei-Inspektion immer wieder Informationen an die Gruppe weitergegeben wurden.

Im Vergleich zu anderen Verfahren ist der Umfang der Ermittlungen beachtlich. Die vom BKA geführten Ermittlungen beruhen neben wenigen Zeugenaussagen von Opfern der Neonazis vor allem auf Abhörprotokollen aus der Überwachung der Telefone und des Abhörens einiger PKW-Innenräume sowie der Auswertung von sichergestellten Mobiltelefonen und Computern. Daher finden sich detaillierte Angaben selbst über die Verläufe einiger geplanter Taten in der Anklage wieder.

Die Durchsuchungen und Festnahmen am 6. April 2022 haben jedoch nicht zur Zerschlagung der Strukturen rund um die Netzwerke von „Knockout51“ geführt. Weiterhin sind die Mitglieder der Gruppe, welche nicht in Haft sind, bundesweit aktiv. Hier bestehen vor allem nach Nordrhein-Westfalen, Bayern und Niedersachsen gute Kontakte. Mit Benjamin S. und Nils A. nahmen mindestens zwei „gesondert Verfolgte“ mehrfach an Treffen teil, bei der nicht nur Mitglieder der "Bandidos MC"-Abspaltung "Ghost Gang MC" aus Wuppertal anwesend waren, sondern auch Personen aus dem Umfeld des verbotenen „Blood & Honour“ Netzwerkes.

In Eisenach ist zwar insgesamt ein Rückgang von extrem rechten Aktivitäten zu verzeichnen, aber auch hier kam es nach den Verhaftungen zu verschiedenen Bedrohungen politisch aktiver Menschen durch die Neonazi-Szene. Gleichzeitig ist die Immobilie der NPD bzw. "Heimat" in den letzten Monaten zu einer der meistfrequentierten RechtsRock-Veranstaltungszentren der gesamten Bundesrepublik avanciert.

Die Verhaftung und der Prozess gegen vier der mutmaßlichen Haupttäter rund um den „Knockout51“-Komplex hat also keineswegs zu einem Erliegen der neonazistischen Aktivitäten der Szene geführt.

Für den weiteren Fortgang wird die Frage entscheidend sein, wie der Hauptprozess und die nachfolgenden Prozesse ausgehen werden. Sollten hier Haftstrafen verhängt werden, wäre dies sicher ein harter Schlag gegen die lokalen Netzwerke in Thüringen und auch die bundesdeutsche Neonazi-Szene insgesamt. Durch die große Kontinuität, die Breite und gute Integration der Szene vor Ort, ist aber von einem gänzlichen Erliegen der Aktivitäten nicht auszugehen.