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Die Zeitschrift „N.S. Heute“ und der Stand des Neonazismus

Einleitung

Seit 2017 erscheint im Dortmunder „Sturmzeichen Verlag“ das neonazistische Magazin „N.S. Heute“ (NSH). Herausgegeben wird die NSH vom Inhaber des Verlages, Sascha Krolzig, der zeitweise einer der beiden Bundesvorsitzenden der Partei „Die Rechte“ war.

Sascha Krolzig

Sascha Krolzig an einem Werbebanner seiner Zeitschrift „N.S. Heute“

Die Autor:innenschaft liest sich wie ein who is who der Neonaziszene. Sowohl Mitglieder der Parteien Die Rechte, NPD (jetzt „Die Heimat“) und „Der III. Weg“ sind vertreten, als auch ehemalige Mitglieder zahlreicher inzwischen verbotener Parteien und Organisationen. Das Magazin richtet sich ‚nach innen‘ – an eine aktivistische Leser:innenschaft. Die NSH erschien bisher i.d.R zweimonatlich, laut Eigenangabe mit einer Auflage von 1000 bis 1500 Exemplaren.  

Strategiedebatten in der NSH

Entsprechend der adressierten Leser:innenschaft ist die NSH ein Ort für Strategiedebatten des ‚nationalen Widerstands‘. Hierbei fällt auf, dass auf eine Einigkeit innerhalb des Neonazismus hingewirkt wird. In Organisierungsfragen geht der Trend klar zur Bewegungs-Partei, zur Sammlung, zur Überwindung von Differenzen. Historische Streitigkeiten werden zurückgestellt, inhaltliche Differenzen ausgehalten und die Führungsfrage wird nicht explizit gestellt. Insbesondere mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts im NPD-Verbotsverfahren gilt die Organisationsform Partei in neonazistischen Kreisen als repressionssicher.

 In Hinblick auf ethnische und organisatorische Sammlungsbewegungen, die im Osten Deutschlands stattfinden sollen, werden auch positive Bezüge auf das Konzept der ‚national befreiten Zonen‘ hergestellt. Dieses wird im Sinne der ursprünglichen Idee von lokaler Hegemonie interpretiert u.a. durch die Etablierung exklusiver neonazistischer Projekt- und Wirtschaftsvernetzung. 

Die NSH ist ebenfalls ein Forum in dem sich verschiedene Vorfeldorganisationen, Medienprojekte und (soziale) Initiativen des Neonazismus vorstellen. Dazu zählen auch Akteure des RechtsRock, der innerhalb der Szene einerseits als wichtiger wirtschaftlicher Faktor für den Neonazismus gilt, andererseits durch weitreichende auch internationale Vernetzung ein organisatorischer Grundpfeiler ist. Die neonazistische Musikszene wird weiter als zentrales Rekrutierungsfeld wahrgenommen. Auf europäischer Ebene strebt man eine Sammlung bzw. Vernetzung an. 

Die Zusammenarbeit mit neofaschistischen Organisationen anderer europäische Länder wird in der NSH regelmäßig porträtiert. Diese Kooperationen erschweren den sonst in der neonazistischen Szene üblichen Revanchismus und Revisionismus, erscheinen aber notwendig zur Bekämpfung äußerer Feinde. So entstehen neue Sagbarkeiten jenseits von ‚(Gebiets-)Verzicht ist Verrat‘. 

Kontroversen gibt es in der NSH vor allem im Zusammenhang mit der Außenwirkung des ‚Nationalen Widerstands‘. Einerseits gelten der Skandal und die Provokation mit NS-Symbolik weiterhin als eine wichtige Ausdrucksform – nur so könne man als glaubwürdige Fundamentalopposition wahrgenommen werden. Andererseits gibt es in der NSH auch Stimmen, die dieses Auftreten kritisieren und auf eine Modernisierung der öffentlichen Selbstinszenierung zugunsten einer größeren Anschlussfähigkeit drängen.  Das Verhältnis zur AfD und anderen Spektren Im Verhältnis zu anderen Spektren der extremen Rechten wird das Konzept der ‚Mosaik-Rechten‘ aufgegriffen, das eine gewisse Heterogenität als vorteilhaft für eine arbeitsteilige, aber gemeinsame Verschiebung des Diskurses begreift.

Das Verhältnis zur AfD bewegt sich in der NSH in einem Spektrum von radikaler Ablehnung bis hin zur Hoffnung, dass diese Partei Wegbereiter für die eigene Politik sein könnte. Von einigen wird die Partei in einen opportunistischen Rechtspopulismus eingeordnet, der keine wahre Systemalternative darstelle. Kritikpunkte sind dabei eine Abgrenzung der AfD vom NS, ein staatstragendes Auftreten und insbesondere ein vorgeblich positives Verhältnis zu Judentum und Israel. Am anderen Ende des Sagbarkeitsfeldes erscheint die AfD als nützlich, denn sie trage zur Normalisierung extrem rechter Positionen bei. 

Das Auftreten rechter und rechtsoffener Protestmilieus angefangen bei PEGIDA, rassistischen Mobilisierungen wie etwa in Chemnitz oder im Zuge der Corona-Krise und des Krieges in der Ukraine wird in der NSH aufmerksam verfolgt und als vielversprechend begrüßt. Angehörige dieser Milieus gelten als Adressaten für Agitation, die Protestbewegungen als Rekrutierungsfeld. Es wird konstatiert, dass der Anschluss an rechte Protestmilieus zunehmend besser gelänge. In diesem Zusammenhang nehme auch die Mobilisierungsfähigkeit von Neonazis über ihre eigenen Kreise hinaus zu.  

Eine neues Selbstbewusstsein – Von der Szene zur Bewegung

Deutsche Neonazis haben die letzten Jahre als stärkend erlebt. Sahen sie sich selbst 2017 noch marginalisiert und ihre Positionen tabuisiert, so sehen sie sich heute als Gewinner der multiplen Krisen der letzten Jahre. Auch ein gesellschaftliches Klima in Deutschland kommt ihnen zugute, in dem laut Umfragen die AfD zweitstärkste Partei bei den Bundestagswahlen wird. Gleichwohl ist die Gegenwartsanalyse in der NSH geradezu apokalyptisch. Das ‚Volk‘ sei nahezu ‚zersetzt‘, die ‚demografische Katastrophe‘ fast vollzogen, der ‚Volkstod‘ nahe. Um mit diesen ‚Katastrophen‘ umzugehen, gelte es von der Szene zur Bewegung zu werden.

Um dem Kommenden etwas entgegensetzen zu können, reiche eine subkulturelle und gesellschaftlich marginale Szene nicht aus, vielmehr brauche es eine verschworene Kampfgemeinschaft politischer Soldaten. Es müsse ein politischer Alltag geprägt werden, sowie exklusive gegenseitige Hilfe und (klandestine) Vernetzung sollen auf die Tagesordnung gesetzt werden. Dafür wird mit großem Nachdruck die Herstellung von Wehrhaftigkeit gefordert und in diesem Kontext etwa neonazistische Kampfsportprojekte porträtiert. Angriffe auf migrantisierte Personen sind implizit Thema, wird doch das Szenario eines bereits laufenden ‚Rassenkriegs’ heraufbeschworen. Bewaffnung wird im Zusammenhang mit Waffengesetzen auf legalistischer Ebene thematisiert und  Angriffe auf politische Gegner:innen erwägt, vorgeblich stets nur in Situationen der Selbstverteidigung. Auch ‚Anti-Antifa‘-Konzepte, bereits seit den 1990er Jahren mit unterschiedlicher Intensität betrieben, werden in der NSH erneut aufgegriffen. 

Demonstrationen als politische Ausdrucksform werden kontrovers diskutiert: Allgemein wird eine Abkehr von einer ressourcenaufwändigen großen Zahl kleiner Demonstrationen gefordert, stattdessen fokussiert man auf einzelne gut mobilisierte Großevents. Bei diesen teils international beworbenen Veranstaltungen verspricht man sich,  ein Zeichen der Stärke nach innen wie außen senden zu können. Ebenfalls ist die eigene Teilnahme am Demonstrationsgeschehen in Europa relevant. Treffen am Rande dieser Demonstrationen dienen der europäischen Vernetzung.

Metastrategien: Der Weg zur Macht

Um die politische Macht zu übernehmen, werden in der NSH maßgeblich drei Strategien diskutiert,  wobei der parlamentarische Weg nur von wenigen als realistische Option wahrgenommen wird: Im katastrophischen Diskurs des Neonazismus, der eine absolute Dringlichkeit vermittelt und sich  mitten im Bürgerkrieg wähnt, werden stattdessen ‚Tag X‘-Szenarien diskutiert. Ausgelöst werde dieser durch eine Krise oder ein konkretes Ereignis, das man auch selbst herbeiführen könnte. Die strategische Option ist hier ein bewaffneter Umsturz, ein Putsch, eine Erlösung von der verhassten Demokratie hin zu einer faschistischen Neugeburt. 

Als weitere Option wird die Metapolitik diskutiert. Mit einer Strategie des Kulturkampfes sollen die Mythen von ,Rasse’, ‚Volk‘ und ‚Nation‘ im kollektiven gesellschaftlichen Bewusstsein verankert werden.  

Als dritte Option wird die Sammlung und Ansiedelung vor allem in Sachsen oder Thüringen gesehen, um sich dort den ‚ethnokulturellen Fortbestand‘ des homogenisierten ‚Volkes‘ zu sichern. Dabei herrscht das Primat des Volkskonstruktes gegenüber der Idee des angestammten Territoriums vor. Von der Sammlung aus, wird an eine Sezession gedacht (‚Säxit‘), um von dort zu einer ‚Reconquista‘, einer Rückeroberung der zuvor taktisch aufgegebenen Gebiete, kommen zu können. Für den Zeitpunkt nach der Machtübernahme wird eine ‚Remigration‘ als absolute Notwendigkeit betrachtet. Ethnische Säuberungen gehen dabei einher mit einer Bestrafung politischer Gegner:innen.1 

In der NSH laufen viele Fäden des (militanten) Neonazismus zusammen. Die Zeitschrift weiterhin im Blick zu behalten, lohnt sich zweifellos, nirgendwo sonst findet sich momentan eine solche Breite an neonazistischer Ideologie und Strategie.