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Die „Active Clubs“ – Wunschvorstellung und Realität

Exif Recherche
Einleitung

Sie sollen ein Ausweg aus der „aktuellen Planlosigkeit“ des sogenannten „Nationalen Widerstands“ sein, heißt es in einer Vorstellung des Konzepts der „Active Clubs“, kurz ACs. Doch was ist davon, fast ein Jahr nach der Gründung der ersten ACs in Deutschland noch übrig?

Patrick Schröder
(Foto: Pixelarchiv)

Patrick Schröder (1.v.l.) mit seinen Mitstreitern im kläglichen „Active Club“-Block am 15. Februar 2025 in Dresden.

Rund 4.000 Follower zählt der „Active Club Germania“ im März 2025 auf seinem Telegram-Kanal. Es ist der Hauptkanal des deutschen „Active Club“-Netzwerks, auf dem fast täglich Fotos, Videos und Grafiken verbreitet werden. Der erste Beitrag, mit dem der Kanal im April letzten Jahres eröffnet wurde, war ein Video vom „AC Nordgau“. Die Ästhetik des Videos - schnelle Schnitte, ein paar Filter und elektronische Musik – findet in den Beiträgen aller ACs Verwendung, nicht nur in Deutschland. Mittendrin im Debüt-Video des deutschen AC-Netzwerks ist unschwer ein alter Bekannter zu erkennen: Patrick Schröder aus der Oberpfalz (Bayern).

Seit der Jahrtausendwende ist er in der extremen Rechten aktiv und genießt u.a. durch das Video-Format „FSN-TV“ bundesweite Bekanntheit. In der Presse als „Nipster“ („Nazi-Hipster“) betitelt, galt er lange als Aushängeschild einer neuen Generation Neonazis. Nicht, weil er Vorreiter des damals neuen, aus den linken Subkulturen übernommenen Stils war, sondern weil er sich gerne in der Öffentlichkeit präsentierte und dabei eloquent und jugendlich-provokativ wirkte. Nicht zuletzt auch mit finanziellem Eigeninteresse hinsichtlich der Vermarktung seines Merchandise. Obwohl er seit den 2000er Jahren parteilich gebunden ist - früher in der Führungsriege der bayrischen NPD, heute beim Nachfolger „Die Heimat“ - setzt er bis heute seine Akzente im partei-unabhängigen Spektrum. Nicht zuletzt in dem er sich in regelmäßigen Abständen neu erfindet.

Eine solche Neuausrichtung fand zuletzt ab 2022 statt, als er sich u.a. auf einem RechtsRock-Festival in Italien in Kampfsport-Bekleidung präsentierte, als er dort einen Vortrag hielt. Spätestens im Januar 2023 fand man ihn zudem im Impressum des „White Rex“-Webshops - eine Marke des russischen Neonazi-Multifunktionärs Denis Kapustin, der in den 2010er Jahren immensen Einfluss auf die Kampfsportszene in ganz Europa hatte. Passend dazu trat Schröder im März 2023 mit Tomasz Szkatulski in Kontakt, der u.a. mit „Pride France“ fleißig in der Neonazi-Kampfsportszene mitmischt. Seine Reise zu Szkatulski nach Bulgarien und die gemeinsamen Trainings wurden filmisch festgehalten und in den sozialen Netzwerken geteilt. So konnte Schröders Transformation verfolgt werden, die im Frühjahr 2024 in der Vorstellung der „Active Clubs“ mündete.

Seine Gedanken dazu füllten u.a. einige Seiten in der Neonazi-Szenezeitschrift „N.S. Heute“, waren dort gar Titelthema, angekündigt mit den Worten: „Ausweg ‚Active Club’ – Neue Wege für den Nationalen Widerstand“. Schröder ist schwer überzeugt von dem Konzept der ACs. Er habe, nachdem er festgestellt hatte dass die Szene nur noch vor sich „hin plätscherte“, nach neuen Aktionsformen gesucht und sei so auf die ACs gestoßen. Mit Robert Rundo, dem Wegbereiter der 2021 in den USA gegründeten ACs, hatte er ein längeres Interview geführt und zudem alle verfügbaren Beiträge zum Thema durchforstet, wie er in der „N.S. Heute“ schreibt. Offenbar war er tief beeindruckt von der Ästhetik der amerikanischen ACs: durchtrainierte Neonazis, die mal Oberkörperfrei und mit angespannten Bizeps am Strand posieren, mal gemeinsam wandern. Eine „Kontrakultur“, die eine Chance biete, damit „Widerstandsarbeit“ wieder zur „Qualitytime“ werde, so Schröder. Bestehende Gruppen können sich unter dem Label ebenfalls einfinden, von „Junge Nationalisten“ und „Junge Alternative“ hin zu „Identitärer Bewegung“ und Fußball-Fanszene, schwadroniert er. Mit den „peinlichen Gestalten“ aus den eigenen Reihen will er hingegen nichts zu tun haben. Zudem fordert er: „Rechts sein muss Spaß machen“.

Schröders Aufruf wurde Folge geleistet und in kürzester Zeit gründeten sich eine handvoll lokaler ACs in Deutschland. Im August 2024 zählte das Netzwerk 19 dieser Gruppen. Reine Augenwischerei, denn viele der auflisteten ACs schufen kaum eigene Inhalten, verschwanden nach einem ersten Beitrag in den sozialen Medien wieder in der Bedeutungslosigkeit oder dienen bis heute lediglich der Verbreitung von Propaganda anderer Kanäle. Einige Accounts des deutschen AC-Netzwerks existieren auch einfach gar nicht mehr. Dass dem Netzwerk damals Gruppen wie „Elbland Revolte“, „Pforzheim Revolte“ und „Hermanns Heide“ zugeordnet wurden, verdeutlicht die Selbstüberhöhung. Denn zwar bedienen diese Gruppen die Ästhetik der ACs, gehören aber eigentlich den „Jungen Nationalisten“, das heisst der Partei-Jugend von „Die Heimat“ an.

Tatsächlich scheinen die drei bis vier Neonazis vom „AC Westerzgebirge“ zu den wenigen Aktiven zu gehören, die seit der Vorstellung der ACs in Deutschland regelmäßig Videos von „Trainings“ im Keller und anderen „Erlebnissen“ auf ihrem Kanal teilen – irgendwo in der Provinz kurz hinter Zwickau, eben dort, wo sich das Westerzgebirge „erstreckt“.

Zur Wahrheit des deutschen AC-Netzwerks gehört auch, dass eine erste Mobilisierung der virtuellen Anhängerschaft kläglich scheiterte. An einen eigenen AC-Block auf dem diesjährigen „Gedenkmarsch“ in Dresden nahmen nur rund 30 Personen teil, trotz dessen, dass aktuell zig dutzend gewaltorientierte Jung-Neonazis in den Startlöchern stehen und nur darauf warten politisch eingebunden zu werden. Auch die „Jungen Nationalisten“ entschieden sich in Dresden für einen eigenen Block, statt für den Schulterschluss mit dem AC. Die Präsentation eigenständiger Gruppen ist offensichtlich immer noch wichtiger. Der große „Spaß“, den man sich als Anhänger der ACs versprach, blieb in Dresden aus.

Dass das Konzept der ACs in Deutschland nicht funktioniert, wie u.a. Schröder es gerne hätte, hat viele Gründe. Ein wesentlicher Faktor ist die Beschaffenheit der politischen Landschaft. Im „Mutterland“ der ACs, den USA, lag diese vor wenigen Jahren fast brach. Keine der virtuellen Gruppen schaffte den Schritt aus den Internetforen, bis Robert Rundo 2017 das „Rise Above Movement“ (RAM) mitgründete. Eine Gruppe, die Kampf-und Kraftsport, wie auch aktive, gemeinschaftliche Freizeitgestaltung als essentiellen Bestandteil ihrer Arbeit hervorhob. Auch wenn dem RAM nur knapp ein dutzend Neonazis angehörten, schaffte es die Gruppe die Szene in den USA stark zu beeinflussen und zum Vorbild der heutigen ACs zu werden. Inspiration fanden Rundo und seine Mitstreiter dabei maßgeblich in der europäischen Neonazi-Kampfsportszene. Also jene, die eigentlich den „Neuen Weg des Nationalen Widerstands“ bestritten hatte, mit Formaten wie dem „Kampf der Nibelungen“ (KDN). Noch bevor Rundo die ACs 2021 in den USA erschuf, war er 2017 schließlich selbst Teilnehmer eines Events des KDN in Deutschland.

„Wandern statt Disco“, eine aktive und positiv besetzte Freizeitgestaltung, wird auch seit vielen Jahren von „Der III. Weg“ forciert. Die „Jungen Nationalisten“ stehen dem heute in Nichts nach.

Das Konzept der ACs im Jahr 2024 in Deutschland als neue, nie da gewesene Aktionsform vorzustellen, dürfte also all jenen genannten Protagonisten der sich modernisierenden Neonazi-Szene übel aufgestoßen sein. Allen voran dem KDN, der seit über zehn Jahren gebetsmühlenartig wiederholt, wie wichtig es sei sich fit zu halten, egal ob als Einzelperson oder als Trainingsgruppe. Seit Gründung des KDN in 2013 findet über den Sport ein spektren-und generationsübergreifender Austausch statt, ähnlich wie in den USA. Dort verbinden die ACs nämlich alte Generation, u.a. die „Hammerskins“, mit Personen etwa aus dem Spektrum der „Alt Right“. Dass der KDN bis heute keinen einzigen Beitrag aus dem deutschen AC-Netzwerk auf seinem Telegram-Kanal geteilt hat bedeutet, dass sie das Konzept nicht als Teil ihres Netzwerkes akzeptieren. Sicher auch wegen Patrick Schröder als öffentliche Person, der in der Szene nicht nur Befürworter hat. Auch weil – wieder einmal - ein finanzieller Eigennutz hinter dem Projekt vermutet wird. Etwa 15 Euro für ein bedrucktes Schlauchtuch des ACs zu verlangen, klingt jedenfalls stark danach.

Was bleibt also von den ACs? Vor allem Selbstprofilierung. Denn wenn in der Presse und vor allem von Seiten der Behörden hinsichtlich den deutschen ACs vor einem „zügig voranschreitenden Ausbau von Strukturen“ und einer „internationalen Vernetzung“ gesprochen wird, hat dies faktisch nur wenig mit der Realität zu tun. Wenn dann noch von einem „potenziell erheblichen“ Gewalt-und Bedrohungspotential gewarnt wird, freut sich zumindest Schröder und Co., denn die Propaganda wirkt. Viel mehr als „Headline Hunting“ bleibt dem Projekt jedoch (derzeit) nicht.