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§129 StGB-Repression gegen Antifas in Nürnberg

Nürnberger Solikreis (Gastbeitrag)
Einleitung

Es ist allseits bekannt, dass die „Brandmauer gegen rechts“ in der Union mehr Risse als Steine hat und dem Einsturz bedrohlich nahe ist. Viele Antifaschist_innen tummeln sich da nicht gerade. Trotzdem kann mensch nur verwundert den Kopf darüber schütteln, welche Sichtweise die CSU auf den Antifaschismus hat, der in ihren Augen höchst gefährlich und kriminell zu sein scheint.

1UP Antifa Soli
(Bild: Screenshot facebook; 1UP CREW)

„Ach, wie herrlich ist die Antifa“

Das wird auch durch die Anklage deutlich, die die Generalstaatsanwaltschaft München gegen sechs junge Menschen aus Nürnberg erhoben hat. Diese wurden kurzerhand zu einer „kriminellen Vereinigung“ nach dem berüchtigten Paragraphen §129 StGB erklärt. Und zwar ausdrücklich, weil sie als aktive Antifaschist_innen eingeordnet werden, nicht etwa wegen „Mord und Totschlag“, wie man bei diesem Vorwurf vielleicht erst mal denken könnte.

Nein, sie haben niemanden ausgeraubt, nicht im großen Stil mit Drogen oder Waffen gedealt, keine Schutzgelder erpresst oder ähnliches. Worum es tatsächlich geht: Die Betroffenen sollen sich künstlerisch im Bereich Graffiti betätigt und dabei linke Parolen gesprüht haben. Was der Ordnungsmacht wohl besonders unangenehm auffiel: Die verwendeten Slogans nahmen nicht nur positiv Bezug auf antifaschistisches Engagement, sondern sollen obendrein auch noch Solidarität bekundet und „Freiheit für Lina und alle anderen “ gefordert haben, die in Dresden im „Antifa-­Ost-Verfahren“ vor Gericht standen. Ungeheuerlich in Bayern!

Daher fanden am frühen Morgen des 11. Oktober 2023 mehrere Hausdurchsuchungen in Nürnberg statt. Das Auftreten der Polizeibeamten war martialisch. Schwer bewaffnet rissen sie die Betroffenen aus den Betten, durchsuchen Räume, beschlagnahmten Laptops und andere Dinge. Da standen die Aktivist_innen nun und erfuhren staunend, dass sie „Mitglied einer kriminellen Vereinigung“ sein sollen.

So weit, so bitter und so unverständlich. Schmunzeln könnte man jedoch fast über die Ausdrucksweise im staatsanwaltschaftlichen Beschluss, die „Delinquenten“ hätten „die Antifa verherrlicht“. Wie bitte? Wer genau soll das sein, diese ominöse „Antifa“? Und was ist unter „Verherrlichung“ zu verstehen? Trifft diese schon zu, wenn man zum Beispiel Esther Bejarano gedenkt und sich an ihr Vorbild erinnert? Oder soll künftig schon das bekannte und beliebte Logo mit der roten und der schwarzen Fahne im Kreis den Antifaschismus unerlaubt glorifizieren? Was wird aus dem Schwur von Buchenwald, wenn es nicht mehr legitim sein soll, sich auf den Antifaschismus und auf unsere Geschichte zu beziehen, weil das als verbotenes Bejubeln und bedenkliches Idealisieren gilt?

Die Richtung, in die diese Kriminalisierung von linken Menschen zielt, ist in jedem Fall gefährlich. Gerade in Zeiten, in denen - nicht nur im Osten des Landes, sondern auch in Bayern - die AfD erstarkt und geheime Strukturen aufgedeckt wurden, die an Plänen zur „Remigration“ von all jenen arbeiten, die nicht ihrem Weltbild entsprechen, darf so etwas nicht hingenommen werden. Es ist für die Gesellschaft fatal, wenn Menschen, die sich im linken Spektrum politisch und solidarisch engagieren, wegen Kleinigkeiten vor Gericht landen und dadurch eingeschüchtert werden sollen. Auch Bündnisse gegen rechts werden torpediert, wenn zivilgesellschaftliche Gruppen von einer Zusammenarbeit mit antifaschistischen Initiativen zurückschrecken, weil „die Antifa“ als „militant und gefährlich“ gilt.

Wenn nun schon progressive Kunst im öffentlichen Raum zu solch drakonischen Anklagen führt, kann es zukünftig uns alle - ob Gewerkschafter_innen, Umweltschützer_innen oder Kriegsgegner_innen - treffen.

Wie bekannt wurde, hat die Polizei auch in diesen Kreisen viel geschnüffelt und abgehört, um sich Kenntnisse über Strukturen zu verschaffen und Einblicke in bestimmte „Szenen“ zu gewinnen. Ein Beleg dafür, dass der Paragraph 129 StGB immer mehr ausgeweitet wird und immer stärker gegen links zum Einsatz kommt. 

Dass die Luft dünner wird, verdeutlichen auch die jüngsten Beispiele aus München, wie das Streichen der Gelder für die gegen die Münchner Sicherheitskonferenz gerichtete Friedenskonferenz oder wenn CSU und "Freie Wähler" gegen Lesungen von Drag Queens in München stänkern. 

All das vergiftet das gesellschaftliche Klima. Gerade in Zeiten, in denen sich der gesellschaftliche Diskurs stark nach rechts verschiebt, ist ein vielfältiger Antifaschismus mit verschiedensten Ansätzen notwendig. Aktuell wird nach dem Bekanntwerden des "Potsdamer Treffens" wieder mehr darüber diskutiert, wie man den Rechtsruck stoppen kann. Hier gilt es anzusetzen und einen konsequenten Antifaschismus in die Debatte einzubringen.

Institutionen wie die Generalstaatsanwaltschaft München sind nicht Teil der Lösung, sondern des Problems, weil sie nichts Besseres zu tun haben, als Antifaschist_innen zu kriminalisieren. Auch ein bayerischer Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ist wenig geeignet, auf Kundgebungen gegen die AfD zu sprechen, wie im Februar 2024 in Nürnberg auf Einladung der „Allianz gegen Rechtsextremismus“. Der Politiker, der den Sänger Roberto Blanco ernsthaft als „einen wunderbaren N…“ bezeichnete, hetzt mit Falschaussagen wie: „Da kommen Leute zu uns, die sehr viel schneller Konflikte mit Gewalt austragen“, auch gerne gegen Geflüchtete.

Nein, das ist nicht der Antifaschismus, den wir meinen. Darum haben wir uns als Solikreis aus Mitgliedern verschiedener Gruppierungen und Einzelpersonen zusammengetan, um die Öffentlichkeit über diese Kriminalisierung zu informieren. Als nächste Veranstaltung werden wir am Samstag, den 13. April 2024 eine Podiumsdiskussion im Nachbarschaftshaus Nürnberg Gostenhof organisieren, bei der über Strategien und Aspekte des Antifaschismus diskutiert werden soll. 

Inzwischen gibt es auch viel Unterstützung. Das Statement „Wir sind alle Antifa“ unterzeichnen bundesweit immer mehr Organisationen. Denn es ist klar: Gemeint sind wir alle - Wir sind alle Antifa!

Kontakt und Infos findet ihr unter: solikreis-nuernberg [at] riseup.net und www.alleantifa.noblogs.org  

Spenden bitte gerne auf das Soli-Konto:
Rote Hilfe Nürnberg
GLS Bank, IBAN: DE85 4306 0967 4007 2383 59
BIC: GENODEM1GLS
Verwendungszweck: „WirsindalleAntifa“