Antifa. Solidarität. Freiheit für KW-Thomas
Solikreis KW-Thomas (Gastbeitrag)Unser Freund KW-Thomas, unser Genosse Nanuk sitzt im Gefängnis. Er sitzt in Haft, weil er aktiver Antifaschist und Internationalist ist und Verantwortung übernommen hat. Zeitgleich sind viele weitere aus der Antifa-Bewegung inhaftiert, so viele wie in den letzten 30 Jahren nicht, andere haben sich der drohenden Festnahme entzogen.
Die Notwendigkeit von Antifaschismus
Hunderte offene Haftbefehle gegen rund 600 Neonazis stehen aus und werden nicht vollstreckt. Die abgetauchten Neonazis werden wegen zum Teil schwerster Gewalttaten gesucht. Sie bringen Menschen um, bilden Netzwerke – unter Beteiligung von Angehörigen der Bundeswehr und der Polizei. Sie arbeiten an einem Umsturz und der Errichtung einer faschistischen Diktatur. Die Zahl der Toten, die auf das Konto von mordenden Nazis gehen, beziffert sich seit 1970 auf mindestens 311, die Dunkelziffer ist viel höher.
Die Mittäter*innen des NSU-Netzwerkes sind (wieder) auf freiem Fuß und können ihre Aktivitäten ungestört fortsetzen. Mit der AfD haben auch Neonazis wieder eine parlamentarische Vertretung und damit Zugriff auf Geld, Informationen, Macht und gesellschaftlichen Diskurs bekommen. Die AfD ist eine Partei, deren Politiker*innen sich an Programm und Sprache der NSDAP orientieren: Anfang des Jahres trafen sie sich heimlich mit organisierten (teilweise militanten) Neonazis, und um Pläne einer „Remigration“ zu entwerfen – damit meinen sie naheliegenderweise nichts Anderes als die massenhafte Deportation von einem Drittel der bundesrepublikanischen Gesellschaft aufgrund rassistischer Kriterien. Mittlerweile tun sie dies auch ganz öffentlich, wie jüngst auf einem Parteitag in Bayern. Damit prägen sie den öffentlichen Diskurs. Manche ihrer lokalen Mandatsträger bewaffnen sich und gründen Terrorzellen, wie es zuletzt durch die „Sächsischen Separatisten“ bekannt wurde.
Auch wenn es in den letzten Jahren einen Schwenk gegeben und auch gegen manche Neonazis ermittelt und vorgegangen wird, sieht dies auf der politischen, juristischen und gesellschaftlichen Ebene ganz anders aus: Der politische Gehalt der Auseinandersetzung wird geleugnet und Neonazis und Antifaschist*innen werden gleichgesetzt, als ob es das gleiche wäre, Menschen verfolgen, abschieben oder gar ermorden zu wollen oder eben genau dies zu verhindern. Innenministerin Faeser bedient in fast jedem Pressestatement das totalitaristische Weltbild, dass links und rechts das Selbe seien und gleichermaßen bekämpft werden müssen. Es ist ein billiger Trick, mit dem die Mächtigen sich so als die ausgewogene Mitte, die Stimme der Vernunft präsentieren und sich als alternativlos darstellen können. Während sie gleichzeitig weiter an der Abschottung der Festung Europa, am Abbau demokratischer Rechte und am Ausbau ihrer Herrschaft arbeiten.
Und diese politische Gemengelage trifft auf einen in vielen Bereichen strukturellen und institutionell verankerten rechten Konsens bei Polizei und Justiz in der ganzen BRD. So wird in Sachsen und weiteren ostdeutschen Bundesländern zur Zeit gegen Antifaschist*innen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung (§129 StGB) ermittelt. KW-Thomas ist einer von ihnen. Es hat bereits Verurteilungen zu langjährigen Haftstrafen gegeben, deren Beweiskette äußerst dünn ist. Sie gehen auf dubiose Aussagen des Kronzeugen Johannes Domhöver zurück, der seinen eigenen Arsch retten will. Der angeklagt war in einem Vergewaltigungsverfahren, das fallengelassen wurde, als er bereit war, mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenzuarbeiten. Dessen Rechnung zu sein scheint: je mehr und je stärker ich andere belaste, desto mehr springt für mich raus. Im Verfahren gegen KW-Thomas und andere fungiert er als die „Wunderwaffe“ der sächsischen Justiz.
Schauen wir mit historischem Blick auf das Ganze, so zieht sich das Muster der staatlichen Duldung rechter Gewalt1 bis hin zu Begünstigung und Unterstützung von rechten Terrorzellen wie dem NSU bei gleichzeitiger Verfolgung antifaschistischer Politik wie ein roter Faden durch die Geschichte (des wiedervereinigten) Deutschlands. Wer selbst von Neonazis bedroht ist, wer denen zur Seite steht, die es sind, wer bei der (neo)faschistischen Land- und Einflussnahme nicht zusehen will, der kann sich dabei nicht auf den Staat verlassen.
Antifaschismus und Solidarität sind das, was wir den Rechten und denen, die sich ihnen unterwerfen und anpassen, entgegenhalten. Aktiv einschreiten und die Menschenfeinde stoppen, bevor sie zur Tat schreiten können. Mit Massenprotesten, aber auch mit tagtäglichen Interventionen, wo immer sie sich breit machen wollen. Am 27. Januar 2024, dem Jahrestag
der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau, demonstrierten in Düsseldorf mehr als 100.000 Menschen gegen die AfD unter dem Motto: „Wir schweigen nicht. Wir schauen nicht weg. Wir handeln.“ Am Vortag wurde der Haftbefehl gegen KW-Thomas ausgestellt, weil ihm genau das vorgeworfen wird, was das Anliegen der Demonstration war.
Warum macht denn einer sowas?
Wir wissen natürlich nicht, was KW-Thomas gemacht hat, aber wir wissen, warum jemand Antifaschist*in wird. Für die vielen, die ähnliche Entscheidungen getroffen und eine aufrechte Haltung eingenommen haben, lässt sich dies an den Ereignissen in Königs-Wusterhausen (KW) in den 90er und 00er-Jahren exemplarisch nachzeichnen: Als Jugendlicher bekam KW-Thomas in den Nachwendejahren, die als Baseballschlägerjahre in die Geschichte eingegangen sind, früh die Gewalt von Neonazis zu spüren. Er hat erfahren müssen, dass einem nicht geholfen wird und die Notwendigkeit von solidarischem Handeln erkannt. Er wird Teil der Antifa-Bewegung, die sich angesichts der Pogrome in Rostock-Lichtenhagen und Hoyerswerda, der rassistischen Morde in Solingen und Mölln und der nahezu täglich stattfindenden Anschläge, Mordversuche und Angriffe überall formiert und den Neonazis entgegentritt.
Wie in ganz Deutschland werden auch in KW und Umgebung Menschen durch Neonazis ermordet. Der Kreis um die „United Skins“ ist berüchtigt. Im Sommer 1991 wird mit einem Gewehr auf linke Hausbesetzer in Zeesen geschossen und eine Person verletzt - für die Tat gibt es lediglich Bewährungsstrafe. Ende 1992 werden die beiden 17-jährigen Mario H. und
Mario S. zwischen Wildau und KW tot neben den S-Bahngleisen aufgefunden. Die Polizei ignoriert die Aussagen der Freund*innen, dass die Antifaschisten Morddrohungen erhielten. Am 26. Mai 1993 wird der 25-jährige Jeff Dominiak, der Schwarz ist, mit einem geklauten Auto von dem Neonazi Daniel K. überfahren und getötet. Am „Herrentag“ 1997 überfallen Neonazis Augustin Blotzki in seiner Wohnung in KW und ermorden ihn. Als Auslöser für die Tat reicht ihnen sein „ausländischer“ Nachname.
Gesellschaftliche Realität ist, dass Jugendliche von Neonazis ermordet werden – schlicht und ergreifend, weil sie aus dem ‚alternativen Spektrum‘ kommen, Punks sind, keine Neonazis sind. KW-Thomas hätte es genau so treffen können wie Sven Beuter, Torsten Lamprecht, Frank Böttcher oder Maik Zerner, die in dieser Zeit von Neonazis totgeschlagen werden. KW-Thomas muss erfahren, wie im Zuge von Ermittlungen gegen Szczepanski und sein Neonazi-Umfeld bei Hausdurchsuchungen eine Rohrbombe und ein Gewehr mit Munition gefunden werden, die dafür gedacht sind, Linke umzubringen. Als mittlerweile bekannter Antifaschist ist klar, dass auch er gemeint ist.
Von KW aus etabliert in den frühen 90er Jahren der überzeugte Neonazi Carsten Szczepanski seine politische Netzwerke und initiiert eine Art Ableger des rassistischen „Ku-Klux-Klan“ in Deutschland. Gemeinsam mit anderen versucht er, einen Lehrer aus Nigeria in einem See zu ertränken und baut das militante Neonazi-Netzwerk „Blood & Honour“ in Brandenburg mit auf.
KW-Thomas erlebt, wie Szczepanski nach kurzer Zeit aus der Haft freikommt. Wie dieser zum V-Mann ‚Piatto‘ wird, der mithilft, das Netzwerk um den NSU aufzubauen. Der im NSU-Komplex eine Rolle spielt und nie dafür belangt wird, ebenso wenig wie sein V-Mann Führer Gordon Meyer-Plath, der später zum Chef des Verfassungsschutz Sachsen aufsteigen wird.
Im Sommer 2001 fliegen Brandsätze auf eine Festivalbühne in KW, auf der Antifaschist*innen schlafen – einer von ihnen ist KW-Thomas. Auch auf einen von Erwachsenen und Kindern bewohnten Wohnwagen im Nachbarort Wildau werden aus rassistischer Motivation Brandsätze geworfen. Die Täter*innen werden zwar ermittelt, aber nur zwei von ihnen, die Neonazis Sebastian D. (Szenename „Dahle“) und Jeannine P., zu einer Haftstrafe wegen versuchten Mordes in fünf Fällen verurteilt.2 Wobei Jeannine P. erfolgreich ein Gnadengesuch beim zuständigen Ministerium der Justiz stellt und frei bleibt.
KW-Thomas beteiligt sich in dieser Zeit und in den folgenden Jahrzehnten an der antifaschistischen Arbeit, die von Ausstellungen und Veranstaltungen, Konzerten und Festivals bis hin zur Konfrontation mit Neonazis reicht. Auch bietet er für Jugendliche aus der Region Selbstbehauptungstrainings an, um der allgegenwärtigen Neonazigewalt besser begegnen zu können. Aus der Neonazi-Szene wird er deswegen namentlich bedroht.
Seine Perspektive bleibt dabei nicht auf das Nationale beschränkt: Für einen kurzen Moment sind die Augen der Weltöffentlichkeit auf die Gebiete im Norden von Syrien und dem Irak gerichtet, als Islamisten des IS den Völkermord an den Jezid*innen begehen. Erst im letzten Moment werden sie von einer kleinen Einheit der kurdischen Arbeiterpartei aufgehalten, bevor sie weitere Gräuel anrichten können. An diesem Punkt reist KW-Thomas, der ausgebildeter Sanitäter ist, mit dem Wissen nach Rojava, dass es bald hierzulande niemanden mehr scheren wird, was in Rojava geschieht. Er reist hin, um die demokratische Revolution gegen die Angriffe des IS und der sie unterstützenden Türkei zu verteidigen, in der Fortsetzung des Kampfes gegen alles Reaktionäre und für ein Leben in Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit.
Unser Freund KW-Thomas, unser Genosse Nanuk gehört nicht ins Gefängnis, sondern mit uns allen zusammen auf die Straße! Im Gegensatz zum Staat können wir uns auf ihn und alle anderen Antifas in Haft im Kampf gegen den aufziehenden Faschismus nämlich verlassen.
Freiheit für KW Thomas/Nanuk. Freiheit und Glück für alle Antifaschist*innen.
(Kontakt: soligruppe-kwt [at] systemli.org)