Skip to main content

AfD-Thüringen: Der „Weg des Aufräumens und des Neuaufbauens“

Kai Budler (Gastbeitrag)
Einleitung

Mit der Aufstellung ihrer Landesliste hatte sich die AfD in Thüringen schon frühzeitig auf die Landtagswahl im September vorbereitet. Wie das Wahlprogramm trug auch die Liste die Handschrift des Landesvorstandes um den Faschisten Björn Höcke.

AfD Stefan Möller
(Bild: Screenshot YouTube/phoenix)

Stefan Möller führt neben Björn Höcke die Landesliste der Thüringer AfD an.

In der DDR fanden in Pfiffelbach im Nordosten des Landkreises Weimarer Land Staatsjagden mit dem SED Chef Erich Honecker statt. Heute leben in dem Ortsteil nur noch etwa 570 Menschen, am Ortsrand befindet sich das von Norbert Kirchner betriebene „Kultur- und Kongreßhotel Pfiffelbach“, ein in die Jahre gekommenes Gebäude mit DDR-Charme. Das Hotel geriet im Oktober 2022 in die Schlagzeilen, weil dort wiederholt Treffen der „Querdenker“-Szene und große „Reichsbürger“-Kongresse stattfinden, umrahmt von Auftritten von Neonazi-­Liedermachern wie Axel Schlimper und Kathrin Enderle („Eine deutsche Frau“). Auch für die „Alternative für Deutschland“ (AfD) in Thüringen ist das etwa 30 Minuten von Weimar entfernte Hotel von zentraler Bedeutung, denn seit 2018 finden hier immer häufiger ihre Landesparteitage statt. So auch Mitte November 2023, als die rund 200 Delegierten die Landesliste der AfD zur Landtagswahl in Thüringen wählten.

Zuckerbrot und Peitsche

Neun Monate vor der Wahl schwor sie der Landesvorsitzende Björn Höcke auf das Wahljahr ein: Nicht nur für die AfD werde 2024 eines der wichtigsten Wahlkampfjahre werden, sondern für die Bundesrepublik Deutschland: Es gehe um eine „Richtungsentscheidung“. Vor dem Schriftzug „Wir stellen die Machtfrage 2024“ auf der Leinwand des Tagungssaals kündigte Höcke für den Fall eines Wahlsiegs seiner Partei „politischen Neuanfang“ an. 

Für den „langen Weg des Aufräumens und des Neuaufbauens“ wählten die Delegierten gleich 44 Personen auf die von der Parteispitze vorgegebene Landesliste, die im Vorfeld auch als „Kungelliste“ kritisiert wurde, nur ein Sechstel davon ist weiblich. Auffällig: unter den gewählten Kandidat*innen fehlen mehrere Landtagsabgeordnete wie Jörg Henke, Corinna Herold, Olaf Kießling, Thomas Rudy und Karl-Heinz Frosch. 

Der Unternehmensberater Frosch ist momentan Alterspräsident im Thüringer Landtag und gilt auf kommunaler Ebene als Widersacher des Höcke-Lagers. Ein teils vor Gericht geführter Streit um die Liste zur Kommunalwahl im Kreis Saalfeld Rudolstadt zwischen den Lagern um Frosch und den Höcke-Anhänger*innen führte letztendlich dazu, dass im Landkreis sowohl die AfD als auch eine „Alternative für den Landkreis Saalfeld-Rudolstadt“ zur Kommunalwahl antraten. Höcke warb für die „unabhängige Wählergruppe“, Frosch verlor in einer Kampfabstimmung seine Aussichten auf die Direktkandidatur im Wahlkreis. 

Weil er von der Doktrin des Landesverbandes abwich, wurde auch der Landtagsabgeordnete Wolfgang Lauerwald aus Gera abgestraft, indem er nur einen aussichtslosen hinteren Platz auf der Landesliste erhielt. Nachdem er vor Ort bei den Reichbürger*innen-Aufmärschen die AfD-Konkurrenz „Aufbruch Gera“ unterstützt und bei der Gründung des gleichnamigen Vereins geredet hatte, ist Lauerwald auf Listenplatz 32 gerutscht. Unterdessen wurden auf dem Parteitag viele der aussichtslosen Plätze im letzten Viertel der Liste mit Spontankandidat*innen aufgefüllt. Der Grund: Einige der vorgesehenen Kandidat*innen waren bei den Abstimmungen nicht anwesend.

Verlässliche Kandidat*innen

Auf den ersten elf Plätzen wird die Liste größtenteils von Mitgliedern der aktuellen Landtagsfraktion angeführt, Spitzenkandidat ist der Faschist Björn Höcke, der mit knapp 90 Prozent im Amt bestätigt wurde. Seit 2014 trimmt er als Vorsitzender sowohl Landesverband als auch Landtagsfraktion auf die völkische Linie. In der Thüringer AfD passiert nichts ohne Höckes Segen, heißt es aus Parteikreisen. 

Gefolgt wird Höcke auf der Liste von Stefan Möller, der seit 2014 neben Höcke Landessprecher ist und 2015 zu den Erstunterzeichnern der „Erfurter Resolution“ gehörte, dem Gründungsdokument des inzwischen formal aufgelösten innerparteilichen völkischen Netzwerks „Der Flügel“. Auch Wiebke Muhsal gehörte 2015 zu den Erstunterzeichner*innen und war bis 2019 Mitglied des Thüringer Landtages. Wegen der Abrechnung von Scheingehältern wurde sie 2016 vom Amtsgericht Erfurt wegen Betruges verurteilt, zwei Jahre später wurde das Urteil rechtskräftig. 

Mit Verurteilungen hat auch der Polizist Torsten Czuppon Erfahrung, der mit Platz 10 der Liste voraussichtlich wieder in den Landtag einziehen wird. Er wurde im Juli 2022 wegen der Verfolgung Unschuldiger verurteilt, weil er als Polizist eine von ihm gestellte Strafanzeige auch selbst bearbeitet hatte. Vorausgegangen war eine Anzeige der Gedenkstätte Buchenwald gegen Czuppon wegen Hausfriedensbruchs, weil er bei einer Veranstaltung in der Gedenkstätte ein „Thor Steinar“-Kleidungsstück getragen hatte. Czuppon wiederum hatte gegen zwei Zeugen des Vorfalls wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung Anzeige erstattet und sie anschließend selbst bearbeitet. 

Der für Platz 5 vorgesehene Landtagsabgeordnete Denny Jankowski landete auf Position 14, nachdem er seinem Konkurrenten Jörg Prophet aus Nordhausen unterlag. Der 1962 geborene Unternehmer unterlag im September 2023 knapp in der Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters in Nordhausen, nachdem er im ersten Wahlgang mit Abstand die meisten Stimmen erhalten hatte.

Für „Abschiebeinitive“, gegen „Klimagedöns“

Fünf Monate nach dem Listenparteitag trafen sich etwa 230 Delegierte der Thüringer AfD erneut im Hotel in Pfiffelbach – dieses Mal stand das Programm der Landtagswahl auf dem Programm. Zu den Zielen in dem 93-seitigen Papier gehört die Auflösung des "Landesamtes für Verfassungsschutz", das „offen zur Bekämpfung und Unterdrückung friedlicher Opposition missbraucht“ werde. Schon im Oktober 2023 kündigte Höcke in Pfiffelbach an: „Wir werden den Kampf gegen Rechts einstellen“. Damit nähme sich die AfD sämtliche zivilgesellschaftliche Initiativen und Vereine vor, die der Partei ein Dorn im Auge sind. Das Landesprogramm „Denk bunt“ würde eingestellt, das seit rund 20 Jahres Demokratieprojekte fördert. Damit stünden auch die vier wichtigsten Thüringer Beratungsstellen zum Thema Extreme Rechte vor dem Aus. 

In der Klimapolitik will die AfD jedes „Klimagedöns, das auf landesgesetzlichen Regelungen fußt“, abräumen. Dies würde die Einstellung der Klimaschutzbemühungen und entsprechenden Förderprogramme auf Landesebene in Thüringen bedeuten. Wie das konkret aussieht, hat die AfD bereits in ihren Vorstellungen zum Landeshaushalt 2024 gezeigt. Die insgesamt 40 Änderungsanträge zum entsprechenden Haushaltsbereich enthalten 26 Anträge, die die Ausgaben für „Maßnahmen zur Energienutzung und Klimaanpassung“ auf Null setzen. Zur Begründung heißt es, die Maßnahmen dienten für „Vorhaben der ideologisch motivierten Energiewende“. 

Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk will die AfD den Geldhahn zudrehen, die Medienstaatsverträge kündigen und den Rundfunkbeitrag abschaffen. Das Programm der Öffentlich- Rechtlichen soll auf eine „Grundversorgung“ von etwa zehn Prozent des aktuellen Programms eingestampft und durch eine Steuer für die großen Internet-Konzerne finanziert werden. 

Nicht fehlen darf im AfD-Programmentwurf naturgemäß eine vollmundig angekündigte „Abschiebeinitiative“ für „illegal eingereiste und geduldete Ausreisepflichtige“. Einen Familiennachzug für unbegleitete Minderjährige schließt die AfD aus, er soll nur noch „hoch qualifizierten“ und „gut integrierten“ Arbeitsmigrant*innen zustehen sowie anerkannten Asylbewerber*innen, die ihre Familie mit Arbeit selbst ernähren können. Für den Fall, dass er Ministerpräsident werden sollte, kündigte Höcke zudem eine Verfassungsklage im Namen des Landes Thüringen an. Damit soll angeblich geklärt werden, ob die Entscheidung der damaligen Bundeskanzlerin Merkel rechtmäßig war, die Grenze von Österreich nach Deutschland für Geflüchtete offenzuhalten. Bayerns Ministerpräsident Seehofer hatte damals von einer „Herrschaft des Unrechts“ geredet, bereits 2016 ein solches Organstreitverfahren angekündigt, aber nie geführt. Gegen Merkels damalige Politik agiert Höcke schon seit 2015 drastisch, in Pfiffelbach bezeichnete er sie erneut als „Putsch von oben“. Unabhängig von einem möglichen Erfolg würde ein solches Verfahren noch einmal Höckes Erzählung von einem „Unrechtsstaat“ nähren. Zugleich wäre es ein fatales Zeichen an Geflüchtete und Menschen mit Migrationshintergrund in Thüringen.