Völkische Familienclans: "Blut ist dicker als Wasser" (Teil 2)
Völkische Verbindungen kappen (Gastbeitrag)November 2023 – ein ausgewählter Kreis an Personen trifft sich im „Gästehaus Adlon“ von Mathilda Martina Huss in Potsdam, um über Visionen und Pläne der Bewegung für Deutschland zu sprechen, sich zu vernetzen und Geld für die Sache zu sammeln. Von Gernot Mörig geladen ist eine breite Auswahl an Neonazis, finanzstarken Unternehmer*innen und (extrem) rechten Aktivist*innen verschiedener Generationen, die für 5.000 Euro dem Vernetzungstreffen beiwohnen dürfen.
Im selben Zeitraum werden die vielfältigen Netzwerke der Familie des Organisators, Gernot Mörig, aufgedeckt, circa zwei Monate später löst ein Bericht über das Treffen deutschlandweit Empörung aus. Doch das Zusammenkommen in Potsdam war keineswegs das erste dieser Art, vielmehr vernetzt sich die (extreme) Rechte – u.a. unter der Federführung Mörigs - schon seit mindestens einem Vierteljahrhundert kontinuierlich untereinander, schmiedet Pläne, bildet sich gemeinsam weiter, sorgt für Finanzierung der eigenen Projekte und zieht oftmals die eigenen Kinder gezielt zu neuen Kadern heran.
Januar 2011 – für „nur“ 500 Euro könne man an einem gemeinsamen Seminarwochenende teilnehmen – diese Einladung erreicht einen handverlesenen Kreis an Gästen per E-Mail. Besagte Treffen fanden im Hause von Gernot und Astrid Mörig1 in Düsseldorf statt, welche die (extrem) rechten Schulungsevents auch gemeinsam mit einigen ihrer Kinder federführend organisierten und durchführten. Auf dem Plan stand ein inhaltliches Programm mit Vorträgen und Seminaren ausgewählter Personen, aber auch Kulturprogramm wie gemeinsames Essengehen. In diesem Jahr verzeichnet Mörig laut eigener Aussage eine Rekordzahl an Gäst*innen, doch das erste dieser Treffen ist es keineswegs.
Seine Tochter Inka Mörig2 gibt an, dass die sogenannten „Kaminrunden“ bereits seit knapp 10 Jahren, also den frühen 2000ern stattfinden. Über die Gäst*innen ist wenig bekannt, es ist jedoch anzunehmen, dass sie aus völkisch-nationalistischen Milieus stammen, Mitglieder des Mörig-Clans, ideologische Wegbegleiter*innne, Kamerad*innen und (extrem) rechte Akteur*innen sind. Darunter sind auch einige bekannte Personen – so war 2011 die Rechtsrapperin Mia Herm (Künstlerinnenname „Dee Ex“) mit dabei, später auch der AfDler Tino Chrupalla oder IB-Posterboy Martin Sellner.
Juni 2011 – im Haus der Mörigs findet erneut eine (extrem) rechte Bildungsveranstaltung statt – diesmal explizit an Jugendliche und junge Erwachsene gerichtet. Sie freuen sich auf ein abwechslungsreiches Programm zu den Themen „Kontroverses zum Thema AIDS“, „Heuschrecken und Wirtschaftskriese“ (Fehler im Original) oder „Freiheitskämpfer für die Einheit Tirols“. Bei der Organisation diesmal mit von der Partie ist der Bruder von Inka Mörigs damaligem Freund (jetzt Ehemann) und späterem IB-Bundesvorstand Sebastian Zeilinger, der wie sein Bruder in völkischen Lagern unterwegs war und zu dem Zeitpunkt gerade in die ultra-rechte „Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks“ eingetreten sein dürfte. Kaum ein Jahr nach dem Düsseldorfer Schülertreffen bei den Mörigs taucht der Bruder von Sebastian Zeilinger in Kreisen des völkischen Jugendbunds „Sturmvogel“ auf.
Juli 2023 – diesmal lädt die Fürstin Gloria von Thurn und Taxis nach Regensburg auf ihr Schloss Emmeram. Der Anlass ist eine Spendengala für Hans-Georg Maaßen, der aus der CDU ausgeschlossen werden soll und um Gelder für seine Rechtsmittel bittet. Diesmal lediglich als Gast vor Ort ist Gernot Mörig, es ist mindestens die vierte Veranstaltung Maaßens, die er besucht. In der „WerteUnion“, der Maaßen zeitweise vorsitzt gibt es Klagen über ein „Mörig-Netzwerk“ an Mitgliedern – dieses bestehe seitdem Max Otte Vorsitzender ebenjener geworden war, ein weiterer Gast mindestens einer Kaminrunde Mörigs.
Ebenfalls im Juli findet eine Party im Haus des Berliner Ex-CDU-Politikers - sowie ehemaligen Chefs von Arne Mörig3 und (Mit)Financier der IB-Hausprojekte in Chemnitz und Steyregg - Peter Kurth statt. Anwesend sind u.a. Maximilian Krah (AfD), Martin Sellner (IB) – und auch Mathilda Martina Huss, die Eigentümerin des Gasthauses Adlon – die inzwischen auch "Burg Reinsberg" gekauft hat, an deren Erwerb ursprünglich die „Identitäre Bewegung“ gehindert wurde.
All diese Treffen, von denen nur einige hier exemplarisch genannt wurden, zeigen die Professionalisierung der Vernetzung innerhalb eines Teils der (extremen) Rechten bis hinein in (rechts-)konservative Kreise. Von Burschenschaftern, IB-Funktionär*innen, Publizist*innen, Politiker*innen, Entertainer*innen, finanzstarken Unternehmer*innen oder Figuren aus einer völkischen Szene kommt alles zusammen – um sich zu besprechen und zu bilden.
Extrem relevant ist auch die Ausbildung und Vernetzung des eigenen Nachwuchses – damit sind sowohl die eigenen Kinder gemeint, als auch die Partei- oder Organisationsfunktionär*innen von morgen. Und wenn diese dabei direkt eine*n Ehepartner*in finden, umso besser – man bleibt lieber unter sich im völkischen Milieu.
Die zahlreichen personellen und strukturellen Überschneidungen zur IB und ihren Aktivitäten legt die Vermutung nahe, dass die Mörig’schen Schulungswochenenden für die Jugendlichen eine Art Ersatz für völkisch-nationalistische und extrem rechte Organisationen wie die „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ) darstellen könnten, die 2009 verboten wurde. So waren es früher Zeltlager der BHJ/HDJ, dann Seminarwochenenden und Sturmvogellager und heute IB-Sommercamps und Schulungswochenenden in den IB-Hausprojekten in Chemnitz & Steyregg, in denen die völkische Jugend sich das Wissen und die Fähigkeiten zur Umsetzung ihrer (neo)faschistischen Visionen aneignet.
Schon in den 1970ern war Gernot Mörig „Bundesführer“ einer völkischen Jugendorganisation, dem „Bund Heimattreuer Jugend“ (BHJ). Auch mehrere Kinder der Mörigs besuchten Lager der HDJ, bis diese 2009 verboten wurde. Zeitgleich verbrachten Sebastian Zeilinger und sein Bruder einige Zeit auf Lagern des „Deutscher Jugendbund Sturmvogel“.
Der „Sturmvogel“, so berichtet das APABIZ, ist eine extrem rechte Jugendorganisation und entstand 1987 als Abspaltung von der neonazistischen »Wiking Jugend« (WJ). Sie vermittelt Jugendlichen völkische und antidemokratisch-elitäre Elemente der deutschen Jugendbewegung und anderer Organisationen aus den 1920er-Jahren. Kontakte zur später verbotenen HDJ haben Befürchtungen geweckt, die Gruppierung könne sich zumindest in Norddeutschland zu einem Sammelbecken deren (ehemaliger) Mitglieder entwickeln. Es ist zu vermuten, dass sich Inka Mörig und Sebastian Zeilinger auf der Hauptversammlung des Sturmvogel 2010 kennenlernten, was wiederum dazu führte, dass auch sein Bruder zu den Kaminrunden der Mörigs eingeladen und in die Organisation der Schüler*innen- und Studierendentreffen eingebunden wurde. Dass ebenjene ebenfalls die Lücke an Veranstaltungen für völkische Jugendliche füllen könnten, die nach dem Verbot der HDJ entstand, liegt also nahe.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Gernot Mörig und sein Umfeld schon lange vor dem "Potsdamer Vernetzungstreffen" – und darüber hinaus - daran gearbeitet haben, verschiedene neonazistische, (extrem) rechte und rechtskonservative Kreise zusammenzuführen. Neben dem Kennenlernen, Austausch und Spendensammeln haben dabei immer Bildung und die Sozialisation in die (extreme) Rechte eine Rolle gespielt. Nicht nur für Erwachsene mit bereits gefestigtem Weltbild, sondern auch für Kinder und Jugendliche, die besonders empfänglich für die Indoktrination (extrem) rechter Komplexitätsreduktion sind.
Beispielhaft dafür stehen mehrere Mörig-Kinder und Zeilinger-Geschwister, die phasenweise in HDJ- bzw. Sturmvogel Kontexten sozialisiert wurden, größtenteils innerhalb der Szene Partner*innen fanden und auch über das völkische Lager hinaus in (extrem) rechten Organisationen aktiv wurden. Dadurch bilden sich feste professionelle, freundschaftliche und auch familiäre Netzwerke, die einige Entscheidungen – wie den Kauf von bestimmten Immobilien, die Herausbildung bestimmter politischer Positionen oder Kampagnen oder die Wahl von Führungskadern – durch Netzwerke und Verbindungen nachvollziehbarer machen und zu einem großen Bild zusammenfügen. Ein Bild einer Szene, die sich gegenseitig unterstützt und bildet, die manche der eigenen Kinder weiter indoktriniert und zum Nachwuchs heranbildet. Eine Szene, die als solche ausrecherchiert, aufgedeckt und die als solche politisch bekämpft werden muss.
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Astrid Mörig ist nicht "nur" Ehefrau, sondern auch politische Akteurin. So nahm sie während des „Geheimtreffens“ in Potsdam die Spendengelder entgegen. Im bürgerlichen Kontext wurde sie gemeinsam mit ihrem Mann als "Stifter, Spender und Zeitspender" der "BürgerStiftung Düsseldorf" öffentlich bekannt.
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Vgl. AIB Nr. 142: Inka Mörig trat öffentlich als politische Akteurin in die Öffentlichkeit. Bei Demonstrationen trat sie als eine Rednerin auf, die sich gegen Asylsuchende richten oder verschwörungsideologisch gegen die Coronapolitik agitierten. „Wie können Sie für diesen Bevölkerungsaustausch im eigenen Land sein?” kritisierte sie außerdem 2015 in einem Kommentar einen Versandhandel, der sich für Geflüchtete engagiert und verdeutlichte dadurch in der Öffentlichkeit ihre politische Haltung.
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Vgl. AIB Nr. 142: Arne Mörig ist nicht "nur" Sohn von Gernot Mörig, sondern auch politischer Akteur. Er war zeitweise bei der AfD-Bundessprecherin Alice Weidel angestellt und beim "Potsdamer Treffen" zugegen, um Pläne für eine eigene rechte Medienagentur vorzustellen.