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Die AfD im sächsischen Landtag

Steven Hummel (chronik.LE)
Einleitung

Bei der Landtagswahl am 1. September 2024 erreichte die AfD 30,6 Prozent (+3,1 Prozent) der Stimmen und zog daraufhin mit 40 Abgeordneten in den sächsischen Landtag ein. Es ist zwar das bisher beste AfD-Ergebnis in Sachsen, allerdings verfehlte es die Partei, sowohl stärkste Kraft zu werden als auch eine Sperrminorität (41 Sitze) zu erreichen. Ein Blick auf die Abgeordneten des neuen Landtags macht deutlich, dass die Partei klar als völkisch-nationalistisch und somit extrem rechts einzuordnen ist. Die 36 Männer und vier Frauen böten viel Gesprächsstoff, an dieser Stelle soll sich aber auf zwei Beispiele beschränkt werden.

Wiesner AfD Sachsen
(Bild: Screenshot von YouTube)

„Einfach mal nachdenken“: der Verschwörungsideologe Jörg Dornau

Jörg Dornau (* 1970) trat 2016 in die AfD ein und ist seit 2017 Vorstandsmitglied des
AfD-Kreisverbandes Landkreis Leipzig. Seit 2019 ist er Landtagsabgeordneter, 2024 gelang ihm über den Listenplatz 22 der Wiedereinzug. Er unterlag bei den Erststimmen im Wahlkreis Leipzig Land 3 Matthias Berger, damals amtierender Bürgermeister von Grimma. 2022 kandidierte Dornau bei der Landratswahl im Landkreis Leipzig, unterlag aber dem CDU-Amtsinhaber deutlich. Seit der Kommunalwahl 2024 sitzt Dornau neben seiner Tätigkeit als Stadtrat in Rötha (bereits seit 2019) auch im Kreistag Landkreis Leipzig.

Dornau ist dem offiziell aufgelösten „Flügel“ zuzuordnen, mehrfach führte er Veranstaltungen mit anderen Protagonisten des „Flügels“ (u. a. Björn Höcke, Andreas Kalbitz) durch. Er spielt in der Region eine zentrale Rolle bei rassistischen und (extrem)
rechten Straßenprotesten, diese werden von ihm selbst initiiert, angemeldet oder aber durch Redebeiträge und Werbung auf Social Media unterstützt. So organisierte er in mehreren Städten und Gemeinden aufeinanderfolgende Demonstrationen zur Verhinderung von Geflüchtetenunterkünften. 

Der gelernte Landwirt beschäftigt sich vorrangig mit den Themen Landwirtschaft, Migration, Außen- und Energiepolitik. Auf Social Media verbreitet er zahlreiche rassistische, verschwörungsideologische und antisemitische Narrative, verpackt mit der unverfänglichen Aufforderung an seine Follower*innen: „Einfach mal nachdenken.“ Dazu verweist er immer wieder auf verschwörungsideologische und (extrem) rechte Medien als Quellen.

Anfang 2024 wird bekannt, dass Dornau seit Oktober 2020 Anteilseigner und seit November 2023 Geschäftsführer eines Agrarunternehmens, konkret einer Zwiebelfarm, in Belarus ist. Entsprechende Einkünfte hätte er bei der Landtagsverwaltung angeben müssen. Das Landtagspräsidium verhängt gegen ihn daraufhin ein Ordnungsgeld in Höhe von 20.862 Euro. Einige Monate später wird bekannt, dass auf der Zwiebelfarm politische Häftlinge arbeiten mussten.

Im November 2024 wurden acht mutmaßliche Mitglieder der „Sächsischen Separatisten“, darunter fünf aus dem Landkreis Leipzig stammende Personen, festgenommen. Ihnen wird vorgeworfen nach einem „Tag X“ ein „am Nationalsozialismus ausgerichtetes Staats- und Gesellschaftswesen“ errichten zu wollen. Der Grimmaer AfD-Stadtrat Kurt Hättasch wurde bei der Festnahme angeschossen. Dornau bezeichnet Hättasch als „engagierte[n] Patriot[en] und damit Feindbild aller Deutschland-Hasser“. Bei der Landesregierung stellt er nach der Festnahme mehrere Anfragen, die die Erzählung von Hättasch stützen sollen: Dieser sei von einem „Überfall der Antifa“ statt eines Polizeieinsatzes ausgegangen, setzte einen Notruf ab und trat mit einem Gewehr vor die Tür – daraufhin wurde er von einer Polizeikugel getroffen und schwer verletzt. Dornau versucht seitdem, die Ermittlungen gegen Hättasch und die anderen Angeklagten zu diskreditieren. 

Beschäftigte mutmaßliche Rechtsterroristen: Alexander Wiesner

Alexander Wiesner (* 1989) trat 2017 in die „Junge Alternative“ und die AfD ein und ist
seit 2019 Landtagsabgeordneter, 2024 zog er über Listenplatz 10 erneut in den sächsischen Landtag ein. Bei den Erststimmen unterlag er im Wahlkreis Stadt Leipzig 4 Juliane Nagel (Die Linke) sowie dem CDU-Vertreter deutlich. Von 2020 bis 2024 war Wiesner Vorsitzender der „Jungen Alternative Sachsen“. Beim Bundesparteitag im Januar 2025 in Riesa wurde die Auflösung der Jugendorganisation der AfD zum Ende März 2025 beschlossen. Der gelernte Vermögensberater ist „Alter Herr“ der pflichtschlagenden Studentenverbindung „Corps Saxonia Leipzig“. 

Einige mediale Bekanntheit erlangte Wiesner, weil er zwei mutmaßlichen Mitglieder der „Sächsischen Separatisten“, Kurt Hättasch und Kevin Richter, beschäftigte. Dies ist wenig verwunderlich, waren beide doch über die AfD und die „Junge Alternative“ schon länger mit Wiesner bekannt, gemeinsam organisiert und teilten politische Weltsichten. Nach Angaben von Wiesner und der AfD wurden die Arbeitsverhältnisse beendet und beide aus der AfD ausgeschlossen. Die Beschäftigung von mutmaßlichen Rechtsterroristen führte jedoch dazu, dass durch CDU und SPD im Landtag ein Abwahlantrag zur Abberufung von Alexander Wiesner vom Vorsitz des Ausschusses für Verfassung, Recht und Europa gestellt wurde: „Als Abgeordneter, der derart intensive arbeitsrechtliche wie politische Näheverhältnisse zu mutmaßlichen Rechtsterroristen unterhielt bzw. unterhält sowie einer erheblich radikalisierten rechtsextremistischen Jugendorganisation vorstand, kann Herr Alexander Wiesner nicht das repräsentative Gesicht des Ausschusses sein, der sich mit Fragen des Verfassungsrechts, der Justiz und des Rechtsstaats sowie der nachbarschaftlichen Beziehungen und des Zusammenwachsens Europas beschäftigt.“ Der Antrag wird voraussichtlich bis zum Erscheinen des Artikels entschieden sein.1 Er benötigt im Landtag 45 Stimmen, ein neuer AfD-Vorsitzender des Ausschusses kann im Anschluss durch die AfD festgelegt und nicht erneut abgewählt werden.

Oppositionspolitiker*innen berichten davon, dass sich das Auftreten und die Arbeit der AfD-Politiker*innen in den Ausschüssen über die Jahre verändert hat: Mittlerweile beteilige sich die AfD in diesen, trete vorbereitet und fachlich versierter auf. Auch wenn die AfD auf Landtagsebene bisher keine Mehrheiten für ihre Gesetzesvorhaben erreichen konnte, so übt sie über die Landtagsausschüsse bereits (indirekten) Einfluss aus.

Der Ausschuss für Verfassung, Recht und Europa dem Wiesner vorgesessen hatte ist einer von elf dauerhaft eingerichteten Fachausschüssen des Landtags. Der AfD stehen in allen Ausschüssen sechs der 18 Plätze zu (Ausnahme Petitionsausschuss 8/24). Die Mitglieder der Ausschüsse werden, ebenso wie die Vorsitzenden, lediglich durch die Fraktionen benannt, nicht aber durch den Landtag gewählt. Auf die AfD entfallen vier Ausschussvorsitze (Lars Kuppi, Holger Hentschel, Romy Penz, Alexander Wiesner) sowie vier stellvertretende Ausschussvorsitzende (Torsten Gahler, Thomas Thumm, Norbert Mayer, Martin Braukmann). Der vorsitzenden Person des Ausschusses „obliegt die Vorbereitung, Einberufung und Leitung der Ausschusssitzung sowie die Durchführung der Beschlüsse des Ausschusses.“ Was nach reinen Formalitäten
klingt, kann in der Realität einen großen Handlungsspielraum eröffnen.

(Steven Hummel ist Politikwissenschaftler. Er arbeitet als Bildungsreferent bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen und ist ehrenamtlich bei der Dokumentations- und Rechercheplattform chronik.LE aktiv. Sein Schwerpunktthema ist die extreme Rechte.)

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    Nachtrag: Wiesner wurde im März 2025 mit der absoluten Mehrheit des Parlaments von diesem Posten abberufen.