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AfD-Funktionär Kloth: „rassistischer Anwaltsredner“ ?

Andreas Reimann (Radio Dreyeckland, Freiburg)
Einleitung

Das Landgericht Freiburg hat es von der Presse- und Meinungsfreiheit als gedeckt angesehen, dass das "Radio Dreyeckland" (RDL) den AfD-Funktionär und Rechtsanwalt Oliver Kloth als "rassistischen Anwaltsredner" bezeichnet. In einem anderen Punkt bekam Kloth Recht: RDL darf ihm keinen Bruch des Anwalt-Mandanten-Vertrauensverhältnisses vorwerfen. RDL wird daher in Berufung gehen.1

  • 1Siehe auch: Urteil vom 21. Juli 2016, Landgericht Freiburg, Aktenzeichen 2 O 167/16
Bild: Faksimile aus Badische Zeitung/Freiburger Zeitung

Der AfD-Funktionär und Rechtsanwalt Oliver Kloth im Interview mit der Lokalpresse.

Auf einer Informationsveranstaltung der Stadt Freiburg über den geplanten Bau einer Flüchtlingsunterkunft am 1. Juni 2016 in Freiburg-Landwasser hatte Kloth aus dem Publikum heraus eine Rede gehalten, die Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach (SPD) später in einem Interview mit der Badischen Zeitung als „in unerträglicher Weise gehetzt“ bezeichnete. Bei seiner vierminütigen Rede kam es zu zahlreichen Zwischenrufen, schließlich wurde Kloth von der Veranstaltungsleitung das Mikrofon abgenommen. RDL berichtete auf seiner Website und stellte die Rede als Audiodatei online. In der Überschrift wurde Kloth als 'rassistischer Anwaltsredner' bezeichnet.

Kloth klagte auf Unterlassung dieser und drei weiterer Formulierungen. Beim Auftritt in Landwasser nannte Kloth seinen Namen nicht. Er wollte dennoch „etwas aus meiner Perspektive sagen, als Anwalt.“ Die Gruppe ‘Autonome Demosanis’ benannte ihn wenige Tage später namentlich auf Twitter und RDL machte dies zum Aufhänger eines Berichts. Bis dahin war in diversen Artikeln, etwa der "Badischen Zeitung" (BZ), immer nur von einem Anwalt die Rede gewesen — nun war klar, dass es sich um Kloth handelt, der im Übrigen nicht einmal Freiburger ist, sondern Rechtsanwalt mit Praxis in Teningen. Kloth wurde wegen der namentlichen Nennung nervös, offenbar wollte er lieber anonym als „honoriger Anwalt“ gegen Flüchtlinge auftreten. Wegen Rufschädigung überzog er RDL und einen Leserbriefschreiber der BZ — der nicht einmal Kloths Namen erwähnt hatte — mit einer Unterlassungsklage. Klagen ist offenbar eine gängige Methode des AfD-Funktionärs und Anwalts und so wurde bald noch ein weiterer Autor eines Leserbriefs von ihm verklagt. Den gesetzlichen Vertreter von RDL zeigte er wegen „Beleidigung“ an, das Strafverfahren wurde aber mangels hinreichendem Tatverdacht eingestellt. Ebenso richtete er Beschwerden an den Presserat und die Medienaufsichtsbehörden.

Was hat Kloth nun in Landwasser gesagt — und vor allem: Wie hatte RDL darüber berichtet? Kloth: „Ich denke, ein Großteil der Ängste, die in der Bevölkerung vorhanden sind und die man auch mal wahrnehmen müsste, rührt daher, dass es sich eben bei vielen Personen, die herkommen, nicht um Flüchtlinge im eigentlichen Sinne handelt, sondern um Glücksritter, teilweise, die hier ein besseres Leben suchen. Natürlich sind es genauso Menschen, auch genauso Menschen, die die Liebe wollen, genauso Menschen die ein gutes Herz haben, aber es sind auch viele dabei, die nutzen ein Sozialsystem aus und die kommen hierher und sie begehen Raubüberfälle, sie begehen Attacken auf Frauen, Attacken auf Männer.“ RDL kommentiert: Die „eingeladenen“ Ausländer und Flüchtlinge seien für Vergewaltigung, Raub usw. verantwortlich. Viele seien auch guten Herzens, aber beinah alle (wörtlich viele) Flüchtende seien „Glücksritter“.

Das Landgericht hat es als zulässig angesehen, den Tenor der Rede des AfD-Funktionärs in dieser Weise zusammenzufassen. Der Freiburger Soziologe Ulrich Bröckling beschreibt in einer Stellungnahme für das Gericht sehr treffend Kloths ‘Rhetorik des diffusen Pauschalverdachts’ gegen Flüchtlinge: „Es ist ein durchgängig zu beobachtendes Merkmal fremdenfeindlicher und rassistischer Rhetorik, dass abwertende Äußerungen über Flüchtlinge oder Migranten bewusst unscharf formuliert und/oder als lediglich persönliche Auffassung deklariert werden. Ebenso regelmäßig findet sich das den abwertenden Äußerungen vorangestellte Caveat, selbstverständlich gebe es unter den Flüchtlingen und Migranten auch gute Menschen. Auf solche rhetorischen Vorbehalte folgen dann pauschalisierende xenophobe Stereotype.“ Der Richter zeigte bei der mündlichen Anhörung wenig Verständnis für diese Stellungnahme — schließlich ginge es hier um juristische Fragen — und verzichtete bei der Beurteilung des Falls auf das Audio-Dokument. Kloths Rede lag als Mitschrift in einer eidesstattlichen Versicherung vor. Außer Acht blieb so, welchen Tonfall Kloth anschlug und welche Wirkung seine Rede im Saal entfaltet hatte.

Für viele Prozessbeobachter war dies vor allem deshalb kurios, weil der Richter bei der Anhörung ein BGH-Urteil heranzog, in dem es um die Vollständigkeit der Berichterstattung geht. In dem Urteil wird festgestellt, dass eine bewusst unterschlagene Tatsache bei einer Berichterstattung dann wie eine falsche Tatsachenbehauptung zu werten ist, wenn für Betroffene der Bericht aufgrund der Unvollständigkeit eine ehrverletzende Wirkung hat. RDL hatte Kloths Rede auf seiner Homepage in einem Text zusammengefasst und kommentiert. Wer es genau wissen wollte, konnte an gleicher Stelle die Rede per Mausklick anhören. Für den Richter war nur der Text von Belang, den er in einem Punkt als unvollständig betrachtete. RDL fasste dort zusammen, wie Kloth auf seine berufliche Erfahrung als Anwalt eingeht und er damit seine zentrale Aussage untermauert, dass es in Deutschland keine ‘echten’ Flüchtlinge geben könne: „Ich habe in meinem beruflichen Leben, in den letzten 20 Jahren, sehr viele Menschen kennengelernt, die aus anderen Ländern zu uns gekommen sind. Das sind sehr freundliche Menschen gewesen zum Teil, aber auch zum Teil sehr kritisch zu betrachtende Menschen. Ich habe auch viele bei einem Asylverfahren begleitet und es tut mir leid das sagen zu müssen, aber ich habe noch nie in diesen 20 Jahren jemanden getroffen, der tatsächlich die Gründe, die er im Asylverfahren vorgegeben hat, auch tatsächlich erlebt hat.“ Zumindest dem zitierten BGH-Urteil folgend, hätte das Gericht die Kommentierung von RDL als zulässig bewerten müssen. Dort heißt es, Kloth habe unter Verweis auf seine beruflichen Tätigkeitserfahrungen „bewiesen“, dass „alle“ von ihm als Rechtsanwalt „begleiteten“ Asylbewerber über ihre Asylgründe die Unwahrheit gesagt hätten, also keine echten Flüchtlinge seien.

RDL ist nach wie vor der Meinung, dass Kloth mit seiner Rede beim Publikum genau den Eindruck hervorrufen wollte, den RDL in seinem Beitrag wiedergegeben hat. Kloth hat unter Berufung auf seine 20jährige Anwaltstätigkeit gleichsam unter Beweis gestellt, dass alle ihm bekannten Asylbewerber lügen würden, um damit das Publikum den weiteren Schluss aus seiner Rede selbst ziehen zu lassen, es sei ja sonst auch immer der Fall. Der Richter hielt auch nicht den sich hieraus aufdrängenden Schluss für zulässig, der Rechtsanwalt habe damit das Anwalt-Mandanten-Vertrauensverhältnis verletzt. RDL-Anwalt Dr. Kauß gibt zu bedenken: „Wenn ein Rechtsanwalt ausnahmslos von ‘allen’ vom ihm begleiteten Asylbewerbern spricht, die die Unwahrheit gesagt hätten, dann hat — so der einzig nur mögliche Schluss — jeder der von ihm ‘begleiteten’ Asylbewerber sich auch strafbar gemacht. Damit gibt ein Rechtsanwalt die von ihm ‘begleiteten’ Asylbewerber der Strafverfolgung Preis und provoziert die Wiederaufnahme aller Asylverfahren". Da diese Argumentation vor Gericht nicht gewürdigt wurde, wird RDL Berufung beim OLG Karlsruhe einlegen.

Eher kurioser Natur ist insbesondere der letzte Punkt: RDL hatte Kloth irrtümlich als Vorsitzenden des Ortsvereins March der "Alternative für Deutschland" (AfD) bezeichnet. RDL hatte dies zwar gleich korrigiert, aber den Hinweis auf den Ortsverein in einer einschränkenden Klammer beibehalten. Bis heute konnte RDL nicht ermitteln, ob der Ortsverein March überhaupt einen Vorsitzenden hat. Kloth selbst jedenfalls ist Beisitzer des Kreisvorstands der AfD Breisgau-Hochschwarzwald. Für den AfD-Funktionär Kloth ist das dennoch keine Lappalie, wie er bei der Anhörung deutlich machte. Man stelle sich vor: Der richtige Vorsitzende des Ortsvereins March liest im Internet bei einem linken Radiosender, dass ein anderer seinen Posten innehat (nämlich dieser Oliver Kloth vom Kreisvorstand) – was glauben sie wohl, so Kloth vor Gericht, was das für einen Wirbel in der Partei auslösen könnte…?

Beunruhigendes Folge-Urteil zugunsten der Rechten 1

Im Berufungsverfahren Oliver Kloth gegen Radio Dreyeckland hat das Oberlandesgericht Karlsruhe (Zivilsenat Freiburg) Ende Dezember 2016 sein Urteil gefällt.

Das OLG bestätigte insoweit das Urteil der ersten Instanz, wonach RDL den Rechtsanwalt Kloth als "rassistischen Anwaltsredner" bezeichnen darf. Damit darf ein Rassist weiter als Rassist bezeichnet werden. Das ist die gute Nachricht. Diese wird jedoch getrübt. Denn das OLG hat im übrigen ein für die Medienlandschaft sehr beunruhigendes Urteil gefällt. So werden zentrale Passagen des RDL-Beitrages  vom OLG nicht als Meinungsäußerungen, sondern als unwahre Tatsachenbehauptungen eingestuft, weil angeblich nicht dem Beweis zugänglich.

In diesen Passagen werden von RDL Äußerungen Kloths über Flüchtlinge zusammengefasst, die er auf einer Infoveranstaltung der Stadt Freiburg im Sommer gemacht hatte. Nach Ansicht von RDL-Geschäftsführer Menzel ist der strittige Artikel auf der RDL-Homepage erkennbar ein Meinungsartikel, der sich auf die Tatsache bezieht, dass Herr Kloth diese rassistische Rede als sogenannter "besorgter Anwalt" gehalten hat. Die Rede ist im übrigen neben dem Meinungsartikel im Original zu hören. Die Bewertungen des Meinungsartikels (dass das Anwaltsverhältnis verletzt worden sei, dass es sich – jetzt wieder zusammengefasst - bei den Flüchtlingen um größtenteils Kriminelle handele) entfernen sich nicht vom Tatsachenkern der als "hetzerische Rede" wahrgenommenen Äußerungen des Herrn Kloth.

Herr Kloth zog es vor, auf der Veranstaltung der Stadt Freiburg als Nichteinwohner und Nichtbetroffener seine AfD-Mitgliedschaft zu verschweigen. Dabei war er nachweislich vom AfD-Kreisverband Freiburg zu dieser Rede eingeladen worden, wohl wohl wegen eines vergleichbaren Auftritts in Emmendingen. Kloth brüstet sich in seinem AfD- Bewerbungsschreiben zum Kandidaten für die Bundestagswahls 2017 sogar damit, dass sein Auftritt zur vollen Zufriedenheit des anfordernden Kreisverbands ausgefallen sei .

RDL musste nun diese Bewertungen der Rede als falsche oder unwahre Tatsachenbehauptung von der Website entfernen. Die Brandrede des "rassistischen Anwaltsredners" ist dort weiterhin im Orginal nachzulesen und als Audiodokument anzuhören.

RDL-Anwalt Dr. Udo Kauß meint: „Wenn dieses Urteil Schule macht, dann ist es um einen freien Journalismus im Lande geschehen."

Gerade rechten Rednern, die in geschickter Weise eine Rhetorik der Andeutungen pflegen, um gerade so gezielt Ängste zu schüren, spielt dieses Urteil in die Hände. Eine schlussfolgernde Berichterstattung, sei es als stellungbeziehender Bericht oder in anderen journalistischen Formen, die solche rhetorischen Tricks entlarvt, ist nach dem OLG-Urteil nun dem Risiko ausgesetzt, als eine nicht einem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung bewertet zu werden, und damit als Falschbehauptung verboten werden zu können.

RDL wurde von seinem Anwalt Dr. Kauß empfohlen, Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des OLG (und des LG) zu erheben, denn, so RA Dr. Kauß: „So ein Urteil darf um der Meinungsfreiheit willen und der Pressefreiheit keinen Bestand haben."

  • 1Nachtrag nach einer Pressemitteilung von Radio Dreyeckland 22.12.2016