Kein „Tag der Ehre“ in Budapest
Ein Beitrag der »Kampagne NS-Verherrlichung stoppen!«Die „Antifa Budapest“ ist im letzten Jahrzehnt konstante Akteurin in der Mobilisierung gegen den „Tag der Ehre“. Die Teilnehmendenzahl ist in den vergangenen Jahren auch durch internationale Beteiligung angestiegen. Als Kampagne „NS-Verherrlichung stoppen!“ stehen wir seit 2019 mit den Genoss*innen in Kontakt und beteiligen uns seitdem an den Gegenprotesten.
Der Einsatz der Budapester Antifaschist*innen und die größere internationale Aufmerksamkeit haben dazu geführt, dass die Neonazis ihr Gedenken nicht mehr offiziell abhalten dürfen. Der für sie historisch wichtige Ort der Budaer Burg wurde ihnen aufgrund der dort entlanglaufenden Antifa-Route streitig gemacht. Im Jahr 2023 musste das Gedenken in einem Waldstück außerhalb der Stadt abgehalten werden. Im Jahr 2024 gab es aufgrund eines Verbots eine konspirativ organisierte Flashmob-Aktion mit deutlich weniger teilnehmenden Neonazis auf dem Heldenplatz im Zentrum der Metropole. Im Februar 2025 fanden nur in den Tagen vor dem eigentlichen „Tag der Ehre“ kleinere Gedenkaktionen statt. Am Samstag selbst kamen noch deutlich weniger Neonazis aus dem „Festung Budapest“-Bündnis zu einem Flashmob zusammen, dessen öffentliche Wahrnehmung gegen Null lief. Die Konzerte fanden wie gewohnt unter konspirativen Umständen statt.
Die Regierung steht rechts
Staatliche Verbote der Versammlungen und der Umstand, dass die Neonazis ihre Konzerte wegen drohender Verbote nicht mehr in der Halböffentlichkeit abhalten, sollten nicht als demokratischer Akt missverstanden werden. „Fidesz“, die Partei der Viktor Orbán angehört, kontrolliert große Teile der Rechten in Ungarn. Orbán und seine Anhänger*innen verschaffen Neonazis Jobs in Sicherheitsunternehmen, in Medien, die staatlich kontrolliert sind oder in hochrangigen Fußballvereinen, die von Orbán mitfinanziert werden. Die organisierende Gruppe „Legio Hungaria“ gehört zum Umfeld der extrem rechten Partei „Mi Hazank“ (Unsere Heimat). Sie ist die extrem rechte Abspaltung der Partei „Jobbik“, die bei den Parlamentswahlen 2018 zweitstärkste Kraft wurde und anschließend einen gemäßigteren Kurs einschlug.
Orbán will Stärke demonstrieren und zeigen, dass er die Rechten im Griff hat bzw. zusammenhält. Er strebt aktuell eine weitere Amtszeit an. „Fidesz“ ist das erste Mal seit Orbáns Amtsantritt 2010 jedoch nicht mehr die populärste Partei. Er ist also auch auf Wähler*innenstimmen der rechten „Mi Hazank“ angewiesen und richtet seine Positionen selbst wieder weiter nach rechts aus.
Die Beziehungen von Regierung zur extremen Rechten haben Auswirkungen auf den Umgang mit dem „Tag der Ehre“. Neonazis sind jedes Jahr deutlich in der Überzahl und viele Jahre gab es wenig Polizeipräsenz. Dennoch kam es bisher lediglich einmal am Rande eines Gegenprotests zu Angriffen auf Antifaschist*innen. Rechte Gewalt auf den Straßen gegen Linke oder ihre Zentren gibt es kaum. Auch jetzt noch beschränken sich die Drohgebärden meist auf Angriffsandrohungen gegen Linke im Netz oder auf martialisch inszenierte Fotos, zuletzt anlässlich des zweiten Prozesstags gegen Maja.
Massive Gewalt richtet sich vor allem gegen Sinti*zze und Rom*nja. Diese alltäglichen Angriffe werden öffentlich jedoch nicht als rechte Gewalt gewertet und benannt. Lange Zeit schien es eine unausgesprochene Abmachung, als Neonazi alles am „Tag der Ehre“ machen zu können, solange es nicht zu internationalen Schlagzeilen kommt. Aufgrund internationaler Berichterstattungen durch antifaschistische Öffentlichkeitsarbeit und im Zusammenhang mit den Ereignissen im Jahr 2023, ist ein Druck entstanden, der die Behörden zum Handeln gezwungen hat.
Der „Budapest Komplex“ und seine Folgen für ungarische Genoss*innen
Die Angriffe auf Neonazis am Rande der Demonstration gegen den „Tag der Ehre“ im Februar 2023 hatten nicht nur in Deutschland Folgen. In Ungarn inszenierte vor allem die staatlich finanzierte Presse „die Antifa“ als immense Gefahr. In ihre Karten spielte, dass die zunächst per internationalem Haftbefehl Gesuchten, mittlerweile viele von ihnen Beschuldigte in einem Verfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, aus dem Ausland kamen. Die Täter*innen kämen von außen, die Opfer wurden zu unschuldigen Passant*innen.
Für alle Beteiligten der Antifa-Kundgebung 2023 hatten die Ereignisse zur Folge, dass in einem Polizeikessel sämtliche Personalien festgestellt und Fotos von den Teilnehmenden angefertigt wurden. Es wurden zu dem Zeitpunkt noch nach Beschuldigten gesucht, gleichzeitig konnten so Daten internationaler Antifaschist*innen gesammelt werden. Für die Genoss*innen in Ungarn haben die Vorfälle unmittelbar danach zu Befragungen durch den Verfassungsschutz und zu Outings mit Bildern und Klarnamen in Neonazimedien geführt. Eine eh schon herausfordernde Aufklärungsarbeit zum „Tag der Ehre“ in der Zivilgesellschaft, die mehr Menschen dazu bewegen soll, sich den jährlichen Gegenprotesten anzuschließen, wurde dadurch weiter erschwert. Die Polizeipräsenz stieg daraufhin in den Folgejahren merklich an, es konnte sich oft nur noch in Wanderkesseln bewegt werden. Auch wurden die Antifaschist*innen massiv abgefilmt.
Eine hohe Präsenz von internationaler Presse verschaffte jedoch eine breitere Öffentlichkeit. Etablierte linke Strukturen in Budapest hat das Ereignis langfristig allerdings wenig beeinflusst. Das liegt zum großen Teil daran, dass ungarischen Genoss*innen nicht direkt von der Repression betroffen waren, sondern Antifaschist*innen aus dem Ausland, insbesondere aus Deutschland. Unsere Genoss*innen setzen ihre politische Arbeit weiter fort und konnten im letzten Jahr sogar einen neuen linken Raum eröffnen, der als Bibliothek und Treffpunkt dient.
Was ging 2025?
In diesem Jahr konnte an die Erfolge von 2024 angeknüpft werden. Es gab erneut eine antifaschistische, internationale Demonstration in der Burg. Die Kundgebung der Neonazis wurde ein weiteres Mal verboten. Dennoch reisten etliche Neonazis an, die sich in größeren Gruppen am Wochenende durch die Stadt bewegten. Viele von ihnen kommen auch in diesem Jahr aus Deutschland, vorrangig aus dem Osten. Am „Ausbruch 60“-Marsch nahm etwa der völkische Siedler Christian Fischer teil, der im Juni 2024 als Fraktionsvorsitzender der „Freien Sachsen“ in den Leisniger Stadtrat gewählt wurde. Aus Cottbus beteiligte sich abermals eine Abordnung der „Black Legion – Wanderer Division“, zudem waren traditionell viele Neonazis aus dem Raum Chemnitz unter den Teilnehmenden. Etwa Heiko Wasilewski – Neonazi-Musiker u.a. bei „Blitzkrieg“ und in der NSBM-Band „Der Tod und die Landsknechte“ – oder David Hasenkrug. Letzterer gilt als Bindeglied zwischen dem rechten Hooligan-Milieu der 2000er Jahren, dem Security-Netzwerk und der Neonazi-Kampfsportszene um Formate wie den „Kampf der Nibelungen“. Wie schon in den letzten Jahren nahmen am „Tag der Ehre“ zudem viele Vertreter der Partei „Der III. Weg“ teil, etwa David Dschietzig, Führungsfigur des nordsächsischen Stützpunkts. Mit Paul Rzehaczek und Stefan Trautmann marschierten zudem bekannte Gesichter der „Jungen Nationalisten“ in Budapest mit, Neonazis aus Sachsen-Anhalt, die der Bruderschaft „Brothers of Honour“ angehören, legten auf der Burg lediglich einen Kranz ab.
„Blood & Honour Hungaria“ war auch in diesem Jahr für das Abendprogramm zuständig und organisierte am Freitag und Samstag Konzerte in einem Industriegebiet unweit der Budapester Innenstadt. Aus Deutschland traten u.a. „Spreegeschwader“ aus Berlin und „Heureka“ um Nico Roth auf. Zudem war die Band „Heiliger Krieg“ (aktuell im Raum Dresden ansässig) angekündigt und es sollte der erste Auftritt für „Kopfschuss“ sein, ein Projekt um Marcel Kosch und Sebastian Schmidt, die u.a. schon bei „Tätervolk“ aktiv waren.
Im Zuge des diesjährigen „Tag der Ehre“ wurde eine rechte Konferenz am Rande der Stadt abgehalten, bei der u.a. Matthias Deyda eine Rede hielt und Waffen ausgestellt wurden.
Eröffnung feierte der Neonazi-Laden „Nordic Sun Pub“ mitten in der Innenstadt. Im April meldete der Bürgermeister des betreffenden Stadtteils eine Demonstration vor dem Laden an und forderte dessen Schließung. Auch „Legio Hungaria“ eröffnete im Zentrum einen neuen Treffpunkt.
Ausblick
Die letzten Jahre haben gezeigt, dass der internationale Gegenprotest durchaus Wirkung zeigt und die Repression nur begrenzt Einfluss auf die politische Arbeit der Antifaschist*innen vor Ort hat. Für uns als Kampagne heißt es vermehrt in Deutschland und Österreich über den „Tag der Ehre“ aufzuklären und nicht müde zu werden sich auch international zu vernetzen und NS-verherrlichenden Aktivitäten in Europa gemeinsam entgegenzutreten.