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Für eine große internationalistische antifaschistische Demonstration

Autonome und antifaschistische Gruppen aus der BRD/Ex-DDR
Einleitung

Am 17. August 1992 ist der fünfte Jahrestag des Hitler Stellvertreters und Kriegsverbrechers Rudolf Heß. Er starb 1987 im Gefängnis der Alliierten in Berlin-Spandau und wurde in Wunsiedel beerdigt. Seit 1988 veranstalten Faschisten einen »Rudolf Heß Gedenkmarsch«. Inzwischen ist Wunsiedel für das gesamte Spektrum des europäischen neonazistischen Netzwerkes, vom Ideologen bis zum Neonazi-Skinhead, zum »Wallfahrtsort« geworden.

Foto: Christian Ditsch

Der "Rudolf-Heß-Gedenkmarsch" war Ziel antifaschistischer Konzepte und Mobilisierungen.

Ausgangslage I

Die neonazistische Demonstration ist auch Ausdruck der zunehmenden Zusammenarbeit der verschiedenen Flügel innerhalb ihrer Reihen. 1991 waren in Bayreuth (für ganz Wunsiedel galt ein 48-stündiges allgemeines Versammlungsverbot) 2.000 Neonazis versammelt, was damit die größte neonazistische Ansammlung auf dem Boden der BRD darstellte. Dieses Jahr rechnen wir mit 2.500 bis 3.000 Neonazis aller nur erdenklichen Richtungen und aus den verschiedensten Ländern, so auch aus dem ehemaligen Ost-Block.

Für eine Gegendemonstration waren 1991 rund 2.000 AntifaschistInnen mobilisiert worden. Den neonazistischen Aufmarsch konnten wir nicht verhindern. Auf der Rückfahrt wurden vier zusammen fahrende Busse durch Neonazis angegriffen, es gab Verletzte und einen Sachschaden von 15.000,- DM. Desweiteren gab es 1991 Probleme bei der kurzfristigen Ummobilisierung von Wunsiedel nach Bayreuth.

Für Samstag, den 15. August 1992, haben die Neonazis eine Demonstration in Wunsiedel angemeldet. Wir gehen davon aus, daß, spätestens mit unserer Mobilisierung nach Wunsiedel, beide Demonstrationens verboten werden und wieder ein allgemeines Versammlungsverbot über Wunsiedel verhängt und bei Widerspruch gerichtlich bestätigt wird. Die Neonazis werden wieder nach Bayreuth ausweichen und wir ebenfalls. Wir finden eine realistische Einschätzung unserer Möglichkeiten für eine Wunsiedel/Bayreuth Mobilisierung wichtig. Wir gehen davon aus, auch und gerade mit den gemachten Erfahrungen der letzten Jahre, den neonazistischen Aufmarsch nicht verhindern zu können.

Ausgangslage II

Die Saat, die durch die Propaganda der bürgerlichen Parteien und deren Sondergesetzen zu Flüchtlingen und MigrantInnen, Änderung des Grundgesetzes, etc. gesät wurde, geht auf. Der Terror neonazistischer Schlägertrupps wird täglich brutaler und menschenverachtender. Gewalt gegen Frauen, Flüchtlinge und MigrantInnen und gegen alle, die sich nicht dem nationalistischen Konsens unterordnen, wird immer gezielter geplant und durchgeführt. Schwerverletzte und Tote sind nicht mehr die Ausnahme bei neonazistischen Überfällen, sondern stehen auf der Tagesordnung. Gleichzeitig steigt in großen Teilen der Gesellschaft die Akzeptanz und Ignoranz gegenüber diesen »praktischen Auswirkungen« des geschürten Nationalismus und Rassismus.

Organisatorisches

Die Demonstration wird es nur geben, wenn sich im Vorfeld viele Gruppen verbindlich an der Vorbereitung beteiligen. Die AntifaschistInnen aus Bayern können und wollen die Demonstration nicht alleine organisieren. Da die Vorbereitungszeit relativ kurz ist, stellen wir uns regionale Zusammenschlüsse vor, die neben der Mobilisierung in ihrer Region Teilaufgaben für die bundesweite Struktur mit übernehmen (in Norddeutschland wird es schon probiert).

Ein Beispiel: Region Nord koordiniert sich, und neben der Mobilisierung in der eigenen Stadt gibt es in Norddeutschland eine Anlaufstelle, über die bundesweit die Plakate verschickt und alle Vorbereitungstreffen und inhaltlichen Veranstaltungen in Nord vorbereitet und durchgeführt werden, außerdem übernimmt Nord den Lautsprecherwagenschutz. Das selbe sollte es für Süd, West und Ost geben. So wäre es auch leichter, größere Konvois bei der An- und Abfahrt zu organisieren (wie gesagt, alles nur Beispiele).

Demonstration

Wir wollen eine BRD / Ex-DDR weite antirassistische und antifaschistische Demonstration mit einigen tausend TeilnehmerInnen. Wir wollen versuchen, europaweit AntifaschistInnen auf die Demonstration zu mobilisieren (zumindestens da, wo schon Kontakte bestehen). Wir wollen eine Demonstration, an der sich viele beteiligen können, die ein Ausdruck der breiten antifaschistischen Bewegung ist, auf der Flüchtlinge und MigrantInnen von ihrer Situation erzählen, auf der aus anderen Ländern AntifaschistInnen von ihrer Situation berichten, auf der nichts vergeben und vergessen wird (wir denken z.B. an das Erinnern an je des Opfer des neonazistischen Terrors des letzten Jahres), auf der was über die Zusammenarbeit zwischen Staat und Neonazismus, über Sexismus und die zunehmende Unterdrückung von Frauen / Lesben und über die zunehmende Akzeptanz breiter Bevölkerungsgruppen für Nationalismus und Rassismus gesagt wird, natürlich auch deren Ursachen und nicht zuletzt was über unsere Vorstellungen einer solidarischen Welt und des antifaschistischen Widerstandes.

Diese Inhalte sollten auch in der Mobilisierung eine große Rolle spielen. Die Demonstration sollte ein Ausdruck des Widerstandes gegen die Rechtsentwicklung sein und schon im zunehmende Vorfeld wollen wir die Diskussion mit allen Linken - nicht nur aus dem Teil bereich der Antifa - führen. Besonders freuen würden wir uns über die Teil nahme von Flüchtlings- und MigrantInnengruppen und AntifaschistInnen - aus anderen Ländern.

Gut fänden wir in regionalen Bündnissen die breite Mobilisierung zu beginnen. Wir finden eine massive Öffentlichkeitsarbeit auch schon im Vorfeld wichtig, z.B durch: Flugblätter, Plakate, Broschüren zu Wunsiedel (Geschichte, Hintergründe), Veranstaltungen, Pressearbeit, Konzerte usw. Daß die Demonstration geschlossen laufen soll, ohne Angriffe durch die Polizei, ist klar, über gesicherte An- und Ab fahrten müßten wir auch noch reden.

Behindern, Verhindern, Angreifen

Wir finden es richtig und wichtig, neonazistische Demonstrationen wo möglich zu verhindern. Für Wunsiedel halten wir eine Doppelstrategie für realistisch. Einerseits durch eine starke Bündnisdemonstration ihnen politisch zu begegnen und, wo möglich, ihnen »Räume und Plätze« zu nehmen, andererseits gezielt in ihre Vorbereitungen und den Ablauf ihrer Demonstration einzugreifen.

Beides wollen wir als Einheit vor, während und nach der Demonstration politisch vermitteln. Konkret stellen wir uns vor, daß sich erfahrene Gruppen überlegen, wo es Ansatzpunkte für eine mögliche Störung der neonazistischen Infrastruktur gibt. Einige Ansatzpunkte sind für uns: Welche Personen sind für die Planung und Durchführung von Wunsiedel wichtig, woher kommt die Infrastruktur für die Demonstration, wie fahren die Neonazis zur Demonstration, wie und womit koordinieren sich die Neonazis untereinander. Zusätzlich fänden wir es gut zu überlegen, wo es innerhalb der Neonazi-Demonstration selber Ansatzpunkte gibt. Desweiteren schlagen wir eine Anlaufstelle (Telefon?) vor, an die Informationen übermittelt werden, um die Informationen als gemeinsamen Ausdruck des antifaschistischen Widerstandes breit vermitteln zu können (z.B. auch schon auf der Demonstration oder bei einer Pressekonferenz nach der Demonstration).

(Dokumentiert aus dem Debattenpapier einer Diskussion von zwanzig autonomen und antifaschistischen Gruppen aus der BRD/ Ex-DDR vom Mai 1992)