Internationale Zusammenarbeit
Antifaschistischer Kampf muss international geführt werden. Theoretisch ist diese Erkenntnis Allgemeingut, praktisch umgesetzt wird sie fast nie. Je deutlicher wird, wie eng verflochten gerade die nationalistischen neonazistischen Gruppierungen ihre internationalen Netzwerke spinnen, desto größer wird die Einsicht in die Notwendigkeit internationaler Zusammenarbeit.
Bestehende Kontakte
1988 führten Berliner AntifaschistInnen in Abstimmung mit britischen, schwedischen und französischen AntifaschistInnen Aktionen durch. Seit dieser Zeit besteht die Zusammenarbeit mit GenossInnen in diesen Ländern. In Austausch von Informationen konnten sich 'Stoppa rasismen' in Schweden, 'Searchlight' und 'Antifascist Action' (AFA) in England und das Antifaschistische Infoblatt (AIB) in Berlin gegenseitig unterstützen. Zusätzlich rissen auch die Kontakte zu Genossinnen von 'SCALP' (Section Carrement Anti Le Pen) und der Pariser Antifa-Zeitung 'REFLEXes' nie ab.
Angesichts der massiven Bedrohung von Flüchtlingen in Deutschland zeigten die GenossInnen in Schweden und England deutlich, was internationale Solidarität über Informations-Austausch hinaus konkret bedeuten kann. In London protestierten 500 AntifaschistInnen vor der Botschaft der BRD gegen die deutsche Regierung, die diese Ausschreitungen geschürt hatte. In Manchester, Leeds und Newcastle gab es weitere Aktionen. In Stockholm gingen 1.500 Menschen auf die Straße, andere in Göteborg und Växjö.
Schweden 1991
Die schwedischen Aktionen halten wir für ein gutes Modell, wie internationale Zusammenarbeit praktisch aussehen kann. Die Demonstration war, wie auch die englischen Aktionen, bewusst auf den 9. November gelegt, der in Deutschland seit Jahren ein Aktionstag gegen Rassismus ist. Sie war deutlich als Solidaritätsaktion geplant und führte zur Deutschen Botschaft. Gleichzeitig sollte jedoch der Kampf im eigenen Land vorangebracht werden. Solidarität mit den Flüchtlingen und AntifaschistInnen in Deutschland war die eine Seite, die andere war: Kämpft, damit es hier nicht soweit kommt. Auch Spenden aus Schweden und England waren ein materieller Nutzen dieser Aktionen.
Rumsitzen und Reden ?
Vom 8. bis 10. Mai hatte die Initiative EAFE zu einer europaweiten Konferenz im niederländisch- belgisch-deutschen Dreiländereck eingeladen. Ziel dieser Konferenz war die offizielle Gründung eines Verbandes europäischer AntifaschistInnen. Eine verbindliche Zusammenarbeit antifaschistischer Initiativen mindestens in Europa befürworten wir. Wenn es sich auf der Grundlage einer solchen Zusammenarbeit als nötig oder richtig herausstellt, ihr den formalen Ausdruck einer Vereinsgründung zu geben oder ein Manifest zu verfassen, werden wir uns auch daran beteiligen.
Den Versuch, wie er im Mai in der Umgebung von Maastricht gemacht wurde, halten wir in einigen Punkten für kritikwürdig. Die Zusammenarbeit der niederländischen, deutschen und belgischen Gruppen, von denen die Initiative ausging, scheint gut zu funktionieren, und den Versuch, dies auszuweiten, begrüßen wir. Doch sind den Gruppen unserer Ansicht nach Fehler unterlaufen. So ist keine für uns erkennbare Auswahl getroffen worden, welche Gruppen eingeladen werden. Auch die Legitimierung der Delegierten als VertreterInnen zumindest eines relevanten Teils des antifaschistischen Widerstandes in ihrem Land fand nicht statt; die Delegierten stellten sich nicht einmal vor.
Daraus folgte unter anderem, das eine recht kleine Gruppe aus England die Konferenz weitgehend dominieren konnte. Unserer Erfahrung nach sind Treffen, bei denen nicht vorher klar ist, welche Gruppen anwesend sind und bei denen keine Auswahl bei den Einladungen stattfindet, meistens zum Scheitern verurteilt.
Dazu kam: Ziel der Konferenz war der Beschluss einer gemeinsamen Plattform statt der Vereinbarung gemeinsamer Aktivitäten. So drehte sich die Diskussion während der zwei Tage nur um ein Manifest, das nichts ausdrückte, weil es gar nicht Manifest eines laufenden, aktiven Widerstandes sein konnte. Das meinen wir unabhängig von dem, was in den Vorschlägen geäußert wurde.
Falsche Solidarität ?
Stark dominiert wurde die Diskussion von Vertretern einer britischen Gruppe, die unter dem Namen 'Cafe' (Campaign against Fascism in Europe) auftrat. Diese Gruppe forderte eine europa-weite Mobilisierung zum 1. Mai nach Paris. Unsere Genossinnen von 'Reflex' wiesen diese Anmaßung zurück. »Cafe« hatte als Vorfeld-Organisation der 'Anti Nazi League' bereits versucht, die französische Antifa-Szene zu dominieren und ihnen Ratschläge erteilt. In einem offenen Brief erteilte ihnen 'Reflex' eine Absage:
»Unsere Gruppe arbeitet seit 6 Jahren mit einer erklärten und erprobten Strategie, um den französischen Faschismus zu bekämpfen. Andere Gruppen sind hier ebenfalls seit langer Zeit verankert, die als Teil einer vereinigten antifaschistischen Front arbeiten. Wir finden es anmaßend, daß ihr glaubt, ihr könnt eure Lakaien hier rüber schicken, um eine Kampagne gegen Le Pen zu starten ohne irgend einen Versuch, französische Antifa-Gruppen anzusprechen... Wir wünschen die Unterstützung ausländischer Organisationen für unsere Kampagnen hier, aber die französische Antifa-Bewegung wird ihre Arbeit nicht unterboten und zerstören lassen durch gedankenlose und bevormundende Versuche der ANL, unseren Kampf zu übernehmen, ohne auch nur höflich genug zu sein, mit den hier bereits arbeitenden Gruppen Kontakt aufzunehmen.«1
Dieser Brief gibt der von 'Reflex', dem Antifaschistischen Infoblatt (AIB) und anderen Gruppen vertretenen Ansicht Ausdruck, dass ein solidarischer Kampf nur geführt werden kann, wenn die Wünsche, Vorstellungen und Erfahrungen der einzelnen Gruppen ernst genommen werden. Das gilt für internationale Zusammenarbeit ebenso wie für bundesweite. Aufgrund dieser Auffassung wurde der Vorschlag von 'Cafe' von uns abgelehnt. Eine Zusammenarbeit muss auf der Grundlage einer aktiven Arbeit im eigenen Land stattfinden. Direktes Eingreifen in Auseinandersetzungen in anderen Ländern und Regionen, in denen es antifaschistische Strukturen gibt, kann nur auf deren ausdrücklichen Wunsch und in Absprache mit ihnen stattfinden. Wichtiger als das Eingreifen in anderen Ländern ist aber der Kampf gegen die Verhältnisse, mit denen wir selber konfrontiert sind.
Aktionstag am 9. November
Wegen der Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit Schweden und als europaweite Antifa-Aktion, die unseren Vorstellungen näher kommt, wurde auf der Konferenz durch 'Stoppa rasismen' und das Antifaschistische Infoblatt (AIB), mit Unterstützung von 'Reflex', 'AFA' und 'Searchlight', der Vorschlag eingebracht, den 9. November zu einem europaweiten Aktionstag zu machen. Da in Deutschland an diesem Tag seit Jahren Aktionen stattfinden (und im selben Zeitraum auch die neonazistischen Gedenkmärsche in Halbe bei Berlin) und da 'Stoppa rasismen' dieses Jahr auch Aktionen machen will, lag der Vorschlag nahe. Wir halten es für besser, am selben Tag, aufeinander Bezug nehmend, im eigenen Land Aktionen zu machen, die der eigenen Situation angemessen sind, als alle AntifaschistInnen Europas irgendwohin zu mobilisieren. Es wäre gut, wenn antifaschistische Demonstrationen in der näheren zeitlichen Umgebung dieses Termins darauf Bezug nehmen, z.B. indem Grußadressen verlesen werden etc.
Konkrete Ergebnisse
Als Konferenz hat uns das Wochenende eher wenig gebracht. Am Rande allerdings gab es konkrete Ergebnisse. Während in zweitägigen Diskussionen wenig gesagt wurde, setzten sich VertreterInnen einzelner Gruppen zusammen, und vereinbarten in einem Gespräch eine engere Zusammenarbeit.
Beteiligt waren daran Gruppen aus Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden, Norwegen, Schweden und Deutschland. Kontakte nach Belgien, Griechenland und Italien wurden ausgeweitet. Auffallend an diesem Arbeitsgespräch war wieder einmal, wie wenig über bestimmte Themen diskutiert werden musste: In praktischer Arbeit werden manche Punkte einfach klar, so z.B. dass antifaschistischer Kampf sowohl auf der Straße als auch politisch geführt werden muss. Solche Sachen waren für die beteiligten Gruppen Voraussetzung, ebenfalls, dass eine konkrete Zusammenarbeit besser ist, als alle Manifeste, hinter denen wenig steht. Wie diese Zusammenarbeit ausfallen wird und ob alle beteiligten Gruppen sie ernst nehmen, wird die Zukunft zeigen. Besonders auf den 9. November sind wir gespannt. Für die Leserschaft unserer Zeitung wird sie hoffentlich mehr und bessere Informationen über den antifaschistischen Kampf in unseren europäischen Nachbarländern mit sich bringen.
- 1Zitiert nach 'Searchlight', June 1992