Kommunalwahlen in Brandenburg (1993)
Die »Deutsche Liga für Volk und Heimat« (DLVH) geht auf Stimmenfang.
Die DLVH schaffte es gerade einmal, in Guben und Cottbus Kandidaten für die Wahlen am 5. Dezember 1993 aufzustellen. Dieses magere Ergebnis hat sie ihrem Berlin-Brandenburger Vorsitzenden der Deutschen Liga (DLVH) und der Wählergemeinschaft »Die Nationalen« Frank Schwerdt aus Berlin-Heiligensee zu verdanken.
Der ehemalige CDU- und REP-Mann Schwerdt versteht sich als »Talentesucher« und seine Talente findet er vornehmlich im Kreis der jugendlichen organisierten Neanazi-Szene. Nach häufigen Reisen nach Cottbus warb er den ehemaligen Vorsitzenden der verbotenen „Deutschen Alternative“ (DA) Frank Hübner für die offene Liste der DLVH. Der Bundesvorsitzende der DLVH, Harald Neubauer, suspendierte Schwerdt daraufhin Anfang November 1993 von der Funktion des DLVH-Landesvorsitzenden, ein Parteiausschlußverfahren wurde eingeleitet und er betraute dessen persönlichen Gegner Peter Gilian kommissarisch mit dem Amt1 .
Der Grund für die Suspendierung Frank Schwerdts ist in der Kandidatur des Vorsitzenden der verbotenen Deutschen Alternative, Frank Hübner aus Cottbus, auf der Offenen Liste der "Deutsche Liga" zu sehen. Er ist die angegebene »Vertrauensperson« Hübners. Dieser kandidiert für das Amt des Oberbürgermeisters und zusammen mit dem Azubi Matthias Weiss im Wahlkreis 4, Sachsendorf, für das Cottbuser Stadtparlament.
Der Wahlkampf Hübners für die Deutsche Liga läuft zeitgleich mit der Propaganda gegen die Parteiverbote, die vor einem Jahr gegen die DA, die „Nationalistische Front“ (NF) und die „Nationale Offensive“ (NO) ausgesprochen worden sind. Cottbus ist in diesen Tagen mit dem Propagandamaterial zugepflastert. Zu vermuten ist, daß die Suspendierung Schwerdts ein Manöver ist, um die »national-konservativen« Kreise in der DLVH nicht gänzlich zu vergraulen. Schwerdt rief jedenfalls in seiner Funktion als DLVH-Landesvorsitzender Berlin-Brandenburgs zur Wahlkampfveranstaltung Frank Hübners am 24. November in Cottbus auf, wo auch der stellvertretende Landesvorsitzende Richard Miosga aus Berlin reden sollte.
Die DLVH unterhält schon seit zwei Jahren im Cottbuser Vorort Peitz einen Ortsverband, dessen Existenz jedoch dem Bundesvorstand angeblich unbekannt sei. In Peitz fand im August eine DLVH-Versammlung statt. Daran nahmen auch drei Mitglieder der „Direkten Aktion Mitteldeutschland“ teil, wie ihrem internen Rundschreiben »In Aktion«, zu entnehmen ist.
In Guben tritt Dipl. Ing. Dieter Gramke (Vertreter einer Arzneimittelfirma) für die DLVH zu den Kreistagswahlen an. Zusammen mit den Kreisbeauftragten Hans Bahlke und den stellvertretenden Kreisvorsitzenden Helmut Wandke aus dem Cottbuser Vorort Peitz gründeten sie 1993 einen Lausitzer Kreisverband der „Nationalen“/„DLVH“. Die Gubener und Peitzer sind quasi die einzig funktionierenden Gruppen der »Sammlungspartei« in Brandenburg.
Etwa 50 TeilnehmerInnen nahmen an der Gründungsversammlung des Lausitzer Kreisverbandes in Guben teil. Der Kreisbeauftragte Hans Bahlke leitete die Versammlung, tritt jedoch nicht zu den Komunalwahlen an. Zur Unterstützung war auch die Berliner Riege der "Deutschen Liga" angerückt, unter ihnen Frank Schwerdt und der ehemalige DSU-Mann Bernd Witte.
Ein Vermessungsingenieur als »Talentesucher«
Der 49-jährige Vermessungsingenieur Schwerdt sieht seine Funktion darin, überall verschiedene Flügel der NS-Szene unter einem Dach zu vereinigen. Dazu reist er durch die Lande und sammelt neue Kader. Zur Sichtung hält er, in seiner Eigenschaft als Mitglied des "Hoffmann von Fallersleben Bildungswerkes" (HvFB) aus Berlin, Schulungen für junge Neonazis ab, die zwar vor Ort schon politischen Terror ausüben können, denen jedoch die dazu noch eine Portion Ideologie fehlt. Nach seinen Angaben lernt er die »jungen Leute« kennen und bemüht sich "Führungskräfte« herauszufiltern. Schwerdt hat dabei keine Berührungsängste wie sein Bundesvorsitzender Harald Neubauer.
Überschwänglich feiert er sich selbst als »Talentesucher« und diese findet er nicht nur bei der verbotenen DA, sondern auch bei der derzeit stärksten brandenburgischen NS-Gruppe, der „Direkten Aktion Mitteldeutschland“. Diese Organisation betreibt die verbotene NF-Struktur unter neuem Namen weiter und ist durch ihren politischen Gewalt in der Stadt Schwedt bekanntgeworden. Bei deren Nauener Ortsgruppe hielt er eine Schulung über Kommunalpolitik ab, ansonsten beziehen sich die Kurzschulungen auf Themen wie »nationaler Sozialismus« und »Rassismus«. Das soll offenbar das Rüstzeug dazu vermitteln, wie sich diese Ideologien schon einmal »durchgesetzt« hat.
Zu seinem Repertoire gehören auch Themen wie „Rhetorik“, worin er die Neonazis in Wittenberg (Brandenburg) unterrichtete. Als Anfang November der „Freundeskreis Revolutionärer Volkssozialisten“ (FRVS) in Berlin-Marzahn zu einer »Gedenkkundgebung für Rene Gruber« aufrief2 , unterstützte natürlich auch Schwerdt diesen Aufmarschversuch. Es blieb bei einem Versuch, da auf dem angemeldeten Platz eine Antifa-Kundgebung stattfand und der Aufmarsch, nachdem er auch in der Presse öffentlich gemacht wurde, verboten werden mußte.3
Neuer kommissarischer Landsvorsitzender der DLVH ist, auf Anweisung des Bundesvorstands, Peter Gilian aus Kähnsdorf bei Seddin. Gilian betrieb für die Nationalen/DLVH Brandenburg eine Unterschriftensammlung für ein „Volksbegehren für Ausländerstop“. Der Rentner Gilian arbeitet nebenberuflich bei einer Firma aus Potsdam als Bauleiter und verkauft sich als „Wohltäter und Tierfreund“. Auf seinem Seegrundstück „Am Seeberg“ bietet ein Pferdehof Therapien an.
In der "Deutschen Liga" kracht es an allen Ecken und Enden. Der offene Kurs auf die klaren NS-Organisationen - für den u.a. Frank Schwerdt steht - wird von dem »gemäßigteren« Flügel der Partei nicht mitgetragen und zahlreiche Austritte in Westdeutschland sind die Folge. Die DLVH ist mit dem Austritt von Hans Altermann und Peter Nennstiel nicht mehr in der Bremer Bürgerschaft vertreten. Obwohl sie schon längst die Partei verlassen hatten, standen sie als Redner auf dem Programm des 2. Bundesparteitages der DLVH. Am 2. Oktober sollte dieser im brandenburgischen Kolkwitz, bei Cottbus, stattfinden. »Aufgrund zu erwartender antifaschistischer Proteste und Ausschreitungen« wurde er verboten und in kleinerem Rahmen in Westdeutschland abgehalten.
- 1Da Schwerdt sich von dem Einspruch des Bundesvorstandes nicht beirren ließ, wurde zunächst der organisatorische Notstand für den Landesverband Berlin-Brandenburg verhängt. Auf dem Bundesparteitag der DLVH am 13./14. November 1993 in Pfungstadt - der zuvor für den 02. Oktober 1993 in Kolkwitz bei Cottbus anberaumte Bundesparteitag war verboten worden - wurde ein Parteiausschlußverfahren gegen Schwerdt eingeleitet. Schwerdt habe sich daraufhin aus der DLVH zurückgezogen.
- 2Am 16. November 1990 war Grubert, Mitglied „Republikaner“ (REPs), nach rassistischen Agressionen in einer S-Bahn erstochen worden. „Kamerad Grubert“, so das Flugblatt, sei „multikriminellem Terror“ zum Opfer gefallen. Die sechs teils mit Kapuze, Sonnenbrille und Tuch vermummten Hooligans sollen allerdings zuvor Ayhan O. und seine Begleiter eingekreist und „Deutschland den Deutschen! Ausländer raus!“ skandiert haben. Zumindest zwei der Deutschen, darunter Grubert, hätten – so der Prozessbericht - eine Pistole gezogen und sie demonstrativ geladen. Ayhan Ö. sei angepöbelt, getreten und geschlagen worden. Bei den Hooligan-Ausschreitungen in Leipzig seien einige Beteiligte „rein zufällig“ dabei gewesen. Alle hatten zuvor in einem als rechtes Szenelokal genutzte Kneipe getrunken. (Vgl. DIE ZEIT, Nr. 43, 1991, Vera Gaserow: Tötete Ayhan Ö. in Notwehr?)
- 3Eine geplante Kundgebung der „Republikaner“ (REPs) war von der Polizei verboten worden, die Veranstaltung gefährde die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Angemeldet worden war die „Gedenk- und Mahnkundgebung“ vom stellvertretenden Vorsitzenden des REP- Kreisverbandes Berlin-Charlottenburg Olaf Hempelmann. Unterstützt wurde die Aktion zudem von REPs der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) von Berlin-Marzahn. Der Geschäftsführende Landesvorstand der REPs kündigte an Hempelmann von seiner Funktion als stellvertretender Kreisvorsitzender der Partei in Charlottenburg zu entbinden. Hempelmann, der bis zum Frühjahr 1991 dem REP- Vorstand unter Carsten Pagel angehörte und danach kurzzeitig aus der Partei ausgetreten war, hatte bereits im vergangenen Jahr eine Grubert-Gedenkveranstaltung in Marzahn organisiert. Der ehemalige Landesvorsitzende der Berliner REPs, Carsten Pagel, hatte im Oktober 1991 als Anwalt die Nebenklage der Geschädigten im Fall Grubert im Berliner Landgericht vertreten.