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Helmut Kohl rechtsaußen?

Einleitung

Wie u.a. die Wochenzeitung „Die Wahrheit“ (Wien) am 8. Februar 1988 berichtete veröffentlichte der Bundeskanzler Kohl seine politischen Ansichten in dem (extrem) rechten Blättchen „MUT“ ("Das Nationaleuropäische Magazin"). Deren Herausgeber Bernhard Christian Wintzek war in den 1970er Jahren als einer der Hauptinitiatoren der neonazistischen „Aktion Widerstand“ bekannt geworden und kandidierte bei der Bundestagswahl 1972 für die NPD.

Bild: Faksimile aus "Rechtsdruck" Dietz-Verlag

Aus einem Werbeprospekt der MUT.

Helmut Kohl stellte sich in der letzten Ausgabe als „ständiger Leser“ vor und meinte er studiere die Zeitung „oft mit viel Sympathie und Zustimmung“. Desweiteren schreiben dort der SPD-Wissenschaftspolitiker Ulrich Lohmar, der Vorsitzende des "Zentralkomitee der deutschen Katholiken" (ZdK) Hans Maier (CSU) oder Marie-Luise Schwarz-Schilling (Ehefrau des Bundesministers Christian Schwarz-Schilling).

Die Zeitschrift MUT ist 1965 von dem damaligen NPD-Funktionär Wintzek gegründet worden. Wintzek war 1972 Bundestagskandidat der NPD-Niedersachsen und war an der Vorbereitung des "1. nationaleuropäischen Jugendkongress" in Planegg beteiligt. 1977 soll er ein Mitveranstalter einer Art „Kappler-Entführungsfeier“ in Soltau gewesen sein.1 MUT begann als eine Art Neonazi-Jugendmagazin. In der Rubrik "Namen. Nachrichten. Termine" fand sich z.B. auch Werbung für die Zeitschrift "Wikinger" der "Wiking Jugend" (WJ) und für die Altnazi-Zeitung "Nation Europa" und "Deutsche Wochen Zeitung". Im Februar 1979 wurde die MUT-Ausgabe Januar 1979 zum Thema "Holocaust" als jugendgefährdend indiziert. Als Österreich Betreuer von MUT galt der extrem rechte Aktivist Konrad Windisch. Autoren von MUT sind u.a. Wolfgang Strauss (Furth i.W.) , ständiger Mitarbeiter der „national-revolutionären“ Zeitschrift „Neue Zeit“ des „Bundes Deutscher Solidaristen“ und der „Sache des Volkes/Nationalrevolutionäre Aufbauorganisation“, Gerd-Klaus Kaltenbrunner (Kandern) oder z.B. Herbert Gruhl von der „Ökologische Demokratische Partei“ (ÖDP). Aus Berlin wird Christian Erdmann als ständiger Mitarbeiter genannt. Zur MUT-Redaktion können weiterhin Britta Melzer (Frankfurt), Volker Reinhard (Bonn), Rainer Üblagger (Salzburg) und Dietmar Müller (Asendorf) gezählt werden. Bis Mai 1987 war auch noch der REP-Politiker Emil Schlee dabei gewesen. Für ganzseitige Cartoons ist Horst Haitzinger zuständig.

Womit Kohl übereinstimmt, können wir nur vermuten, wenn wir aus dem im „MUT“ veröffentlichten „Nationalrevolutionären Manifest“ vom 16./17. September 1972 zitieren, an dem Wintzek beteiligt war: „Die Menschen sind nicht gleich. Jeder Zwang zur natürlichen "Gleichheit" ist unmenschlich und freiheitsfeindlich: Unsere Humanität heißt Achtung der Eigenart jedes Menschen, jedes Volkes, jeder Rasse" und weiter „ (…) Gegen utopischen Pazifismus stellen wir eine wehrhafte und kämpferische Gesinnung. An Disziplin und Kampfbereitschaft der Streitkräfte sind höchste Anforderungen zu stellen. Der Geist europäischen Soldatentums wurzelt in der militärischen Tradition seiner einzelnen Völker.“

Trotz solcher Positionierungen aus der MUT erhielt deren Vertreter Gerd-Klaus Kaltenbrunner 1986 den "Konrad-Adenauer-Preis" der "Deutschland Stiftung" von Caspar von Schrenck-Notzing. Für Helmut Kohl scheinbar Grund genug in der Ausgabe MUT 2/1988 einen Leserbrief zu dem Artikel "Auf dem Wege zum Mafia-Staat? - Über einige Beziehungen zwischen Politik und Verbrechen" schreiben, der mit dem Wunsch an Kaltenbrunner endet: "Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir uns einmal über diesen Themenbereich in Ruhe aussprechen könnten".

  • 1Herbert Kappler war Kommandeur der nationalsozialistischen Sicherheitspolizei (SiPo) und des SD in Rom. Als Verantwortlicher für das Massaker in den Ardeatinischen Höhlen (Fosse Ardeatine) am 24. März 1944 wurde er 1948 zu lebenslanger Haft verurteilt. Aus Rom gelang ihm am 15. August 1977 die Flucht nach Deutschland (Soltau).