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Braune Bücher auf der Frankfurter Buchmesse

Johannes Bollmer
Einleitung

Mehr als 220.000 Interessierte besuchten vom 5. bis 10. Oktober 1988 die 40. Buchmesse in Frankfurt/Main. 8.000 Austeller zeigten rund 340.000 Titel. Doch unter den vielen neuen Büchern waren auch einige mit „altem Geist“.

Foto: Faksimile "Nation Europa", 35 Jahrgang, November 1985, Coburg

Auch in der Neonazi-Zeitschrift "Nation Europa" wurde das Zusammentreffen von Wigbbert Grabert mit Helmut Kohl auf der Buchmesse gefeiert.

In der äußersten Ecke des ersten Stockwerks der Halle 5 stellte der „K.W.Schütz-Verlag“1 seine neuen Bücher aus. Der von dem Altnazi Waldemar Schütz gegründete und heute von Erwin Höke betriebene Verlag war im letzten Jahr Ziel einer antifaschistischen Demonstration. Der kleine Stand stand einsam in der Ecke, weil - so war es aus Veranstalterkreisen zu hören - kein anderer Aussteller neben dem nazistischen Verlag stehen wollte. Ein Blick in die Regale erklärt die Ablehnung: „So war der U-Boot-Krieg“, „Die Ritterkreuzträger der Waffen-SS“ und „Die verfemte Rechte“ gehören noch zu den „harmlosen“ Titeln. Übel aufgestoßen sind z.B. die Adolf Hitler Trilogie von Erich Kern (alias Kernmayr)2 , „Rudolf Heß - Märtyrer des Friedens“ von Neonazi Edgar Geiß oder das Buch „Trotzdem“ vom Nazi-Offizier Rudel.3 Obwohl Ende der siebziger Jahre indiziert soll es laut Augenzeugenberichten bei "K.W. Schütz" im Regal gestanden haben.

In der gleichen Halle befand sich ein nobel aufgemachter Gemeinschaftsstand von sechs Verlagen. Beteiligt u.a. der Mönch-Verlag. Dieser war Ende 1987 aufgefallen, weil er, neben Rüstungsbüchern und Werken des Ex-Verteidigungsministers Manfred Wörner (CDU), auch einige Bücher über die Waffen-SS in seinem Buchversand anbot. Im Katalog fanden sich außerdem Anzeigen verschiedener rechtsextremer Verlage. Im Frühjahr 1988 distanzierte sich die Verlagsleitung nach massiver Kritik von SPD und "Die Grünen" - von dem Gedankengut. Diese Distanzierung betraf allerdings, so hat es zumindest den Anschein, nicht den Krefelder „Sinus-Verlag“, in dem Bücher der „Neuen Rechten“ erscheinen. Dieser Verlag war nämlich ebenfalls am Gemeinschaftsstand vertreten. In der „edition d“ bei Sinus sind u.a. Bücher der „Neuen Rechten“ von Armin Mohler, Wolfgang Venohr und Günter Rohrmoser erschienen.

Der rechte Verleger Wigbert Grabert war mit seinen Verlagen Grabert und Hohenrain im Katalog zu finden, stellte aber nicht aus. Hinter vorgehaltener Hand wurde gemunkelt, daß der Verleger mit dem zugewiesenen Standplatz nicht einverstanden war. Auf einer früheren Buchmesse hatte Bundeskanzler Helmut Kohl den Stand besucht und sich mit Grabert werbewirksam ablichten lassen.4

Während die Zeitschrift MUT von Bernhard C. Wintzek5 vor einigen Jahren als die „größte rechtsradikale Jugendzeitschrift“ galt, so ist es heute eher ein Blatt für die mittlere und ältere Generation. Mit Glanzpapier und Mehrfarbdruck richtet sie sich vor allem an neurechte und konservative Kreise. Den MessebesucherInnen präsentierte sich der "MUT Verlag" mit eigenem Stand, an dem die Zeitschrift sowie einige Bücher (u.a. von Gerd Klaus Kaltenbrunner, Emil Schlee, Caspar von Schrenk-Notzing) angeboten wurden. Kanzler Kohl ist übrigens „ständiger Leser6 der Zeitschrift, deren Januar-Ausgabe 1979 indiziert wurde.

Der „Pawlak-Verlag“7 bringt seit einiger Zeit "Billigangebote" auf den Markt, die dann besonders über Kaufhäuser abgesetzt werden. Mit Büchern wie „Heimatfront“, „Die Luftwaffe 1918 - 1945“ oder der Trilogie über „Hitlers Krieg“ von David Irving, sollen in Herrsching (Bayern) die Kassen klingeln.

Auch in der Zeitschriftenausstellung waren zweifelhafte Zeitschriften zu finden. So präsentierte der „Nordwind Verlag" und die "Versandbuchhandlung des Kritik-Verlages“ aus dem dänischen Kollund die Zeitschriften „Kritik - Stimme des Volkes“ und „Die Bauernschaft“. Sowohl hinter der „Nordwind“-Buchhandlung als auch hinter den beiden Zeitschriften steckt Thies Christophersen, ein Altnazi. Er wird in der Bundesrepublik per Haftbefehl gesucht und ist der Verfasser des neonazistischen Pamphlets „Die Auschwitz-Lüge“. In der „Bauernschaft“ werden entsprechende Artikel und Leserbriefe zum Besten gegeben und der Verlag bietet vom „Hitlerjugend-Liederbuch“ bis zu Hitlers „Mein Kampf“ alles, was junge und alte Naziherzen höherschlagen läßt.

Auch „Criticon - konservativ heute“, eine Zeitschrift mit Autoren der „Neuen Rechten“ und aus konservativen Kreisen, war in den Regalen anzutreffen. Die Zeitschrift wird von Caspar von Schrenck-Notzing und Klaus Motschmann herausgebracht

Rechte und neonazistische Publizisten versuchen seit einiger Zeit die Frankfurter Buchmesse für sich zu nutzen. Schon Monate zuvor, erinnert die Zeitschrift „Nation Europa“ an diesen Termin. Kein Wunder also, wenn diese Verlage und deren BesucherInnen auf der Buchmesse auftreten. Die Messeleitung ist offenbar machtlos gegen die rechte bis rechtsradikale Propaganda. Jeder angemeldete und zahlende Verlag darf dort offenbar ausstellen - egal was er verbreitet. Nach allen Seiten offen sein, ist das Motto der Handelsmesse. Ob dies ein befriedigendes Motto ist, darf bestritten werden. Offene Augen auf der Buchmesse werden jedoch immer nötiger.

  • 1Karl Waldemar Schütz war Inhaber verschiedener extrem rechter Verlage, Mitglied der NSDAP, der Waffen-SS, der DRP und der NPD und Herausgeber der "Deutschen Nachrichten", des Parteiblatts der NPD.
  • 2Erich Kern, eigentlich Erich Knud Kernmayr ist ein österreichischer (neo)nationalsozialistischer Funktionär und extrem rechter Publizist, dessen Schriften u.a. beim Verlag der "Deutsche National-Zeitung" verlegt wurden.
  • 3Hans-Ulrich Rudel war Offizier der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Er war  Träger des Ritterkreuzes. Nach Kriegsende betätigte er sich als NS-Fluchthelfer, Waffenhändler und unterstützte die neonazistische Deutsche Reichspartei (DRP), deren Spitzenkandidat er 1953 im Bundestagswahlkampf war.
  • 4Zu sehen in: Das Ostpreussenblatt - Unabhängige Wochenzeitung für Deutschland, Jahrgang 37 - Folge 24, 14. Juni 1986, Seite 3. Landsmannschaft Ostpreußen e.V.
  • 5Im Oktober 1972 trat Bernhard Wintzek mit dem NPD-Führer Adolf von Thadden und dem JN-Führer Andreas Rau bei einer Veranstaltung der "Aktion Widerstand" in Würzburg auf.
  • 6Laut eines vom Verlag vertriebenem Empfehlungs-Schreiben von Kanzler Kohl, in dem er sich als „ständiger Leser“ zu erkennen gibt.
  • 7Der Buchhandel von Manfred Pawlak (Herrsching am Ammersee) vertreibt seit über 25 Jahren vorwiegend Sach- und Ratgeberbüchern. Vgl.: Der SPIEGEL, 3.10.1988: "Der bayrische Pawlak-Verlag ist beim Schummeln erwischt worden".