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Der zweite Frühling des Terroristen Manfred Roeder

Einleitung

Immerhin 2,1 Prozent der Erststimmen erhielt Manfred Roeder im Wahlkreis Stralsund, wo er als NPD-Direktkandidat angetreten war. Für den 69jährigen war der Wahlkampf vorläufiger Höhepunkt eines spektakulären Comebacks.

Manfred Roeder beim NPD Wahlkampf 1998 in Rostock.

Er lächelt in jede Kamera, redet in jedes Mikrophon

Geboren wurde Roeder am 6. Februar 1929 in Berlin. 16 jährig meldete er sich freiwillig zur Wehrmacht und nahm er an den letzten Kämpfen um Berlin teil. 1967 erhielt er seine Zulassung als Rechtsanwalt, die ihm die Bundesanwaltskammer später wieder entzog. 1970 startete er in Bensheim seine offizielle politische Karriere in der örtlichen CDU. 1971 gründete er den gemeinnützigen Deutsche Bürgerinitiative e.V. Ab 1972 betätigte sich Roeder als Autor rechtsradikaler Schriften. Sein erstes Buch »Unser Kampf gegen eine widernatürliche Justiz« wurde von dem 1997 verstorbenen Revisionisten Thies Christophersen herausgegeben. Im selben Jahr folgten erste Aktionen mit Christophersen, wie z.B. Rauchbomben gegen die »Documenta« in Kassel. 1973 schrieb Roeder das Vorwort zu Thies Christophersens Hetzschrift »Die Auschwitzlüge«. Zudem betätigte er sich als Autor für Christophersens Hauspostille "Die Bauernschaft". 1974 wurde Roeder Bundesbruder der Europaburschenschaft Arminia in Zürich und erhielt das »Arminia-Ehrenband«. Im selben Jahr organisierte er einen Aufmarsch zum 80. Geburtstag von dem NS-Funktionär Rudolf Heß. Weitere Aufmärsche folgten, zumeist für die Freilassung von Rudolf Heß oder Öko-Demos für den Erhalt deutscher Landschaften. 1975 gründete er die Freiheitsbewegung Deutsches Reich (FDR), deren Nachfolgeorganisation die Europäische Freiheitsbewegung ist. In Absprache mit dem früheren Großadmiral Karl Dönitz, dem letzte Staatsoberhaupt des Deutschen Reichs, organisierte Roeder einen »Reichstag« der FDR in Flensburg und ließ sich dort als Nachfolger von Dönitz zum »Reichsverweser« ernennen. 1976 nahm der damals 47jährige an einem Treffen der illegalen NSDAP auf Helgoland teil. In dieser »bewegten« Zeit wurde er mehrfach wegen Beleidigung, Volksverhetzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt verurteilt. Er floh aus Deutschland über die Schweiz und Österreich nach Brasilien, wo er am 20. April 1978 zusammen mit einem früheren KZ-Wächter »Führers Geburtstag« feierte.

Weitere Fluchtstationen waren Großbritannien, Kanada, die USA und Südafrika. In diesen Ländern knüpfte Roeder enge Kontakte zu Neonazigruppen und alten Faschisten. Schon damals gehörte er, aufgrund seiner internationalen Beziehungen, zu den führenden (Neo)Nazis in Deutschland. Obwohl Roeder mit internationalem Haftbefehl gesucht wurde, gelang ihm noch 1978 die Wiedereinreise in die BRD. 1979 folgte seine Festnahme und eine kurzzeitige Inhaftierung in der Schweiz, jedoch keine Auslieferung an die BRD. Er knüpfte nicht nur wichtige Kontakte zur internationalen (Neo)Naziszene, sondern scharte auch militante Neonazis in der Deutschen Aktionsgruppe um sich. 1980 verübte diese Neonnazigruppe mehrere Sprengstoffanschläge, bei denen am 22. August 1980 in Hamburg zwei Vietnamesen ermordet wurden1 . Die Festnahme am 1. September 1980 in Hannoversch Münden markierte das vorläufige Ende seiner braunen Karriere: 1982 folgte Roeders Verurteilung wegen Rädelsführerschaft in einer »terroristischen Vereinigung« sowie der Anstiftung zu sieben Brand- und Sprengstoffanschlägen zu 13 Jahren Haft. Das 1983 von seiner Frau Gertrud Roeder gegründete Hilfswerk Manfred Roeder verbreitete dann die Neonazipamphlete, die Roeder in der Haft produzierte. Seine vorzeitige Haftentlassung 1990 feierte er, indem er - trotz Bewährungsauflagen - direkt am Revisionistentreffen »Wahrheit macht frei« in München teilnahm. Danach wurde es ersteinmal stiller um Roeder. Mit dem Abdruck seiner rassistischen und antisemitischen »95 Thesen zum Lutherjahr« in der Hessischen Allgemeinen Zeitung meldete sich Roeder 1996 ins Rampenlicht zurück. Seine Hauptenergie steckte er jedoch in das Deutsch-Russische-Gemeinschaftswerk - Förderverein Nord-Ostpreußen. Ziel ist die Ansiedlung von »Rußlanddeutschen« in der Nähe von Kaliningrad. Der Förderverein wirbt bei betuchten Rechtskonservativen um finanzielle Unterstützung. Außer vielen leeren Versprechungen und einigen nicht bezugsfähigen Häusern haben die sogenannten Rußlanddeutschen jedoch nichts von der versprochenen Unterstützung gesehen. Vermutlich hat Roeder einen Großteil der Spendengelder selbst behalten. Roeder und Co. wollen in Osteuropa -noch einmal - vollendete Tatsachen schaffen. In Staaten, in denen viele »Deutsche« leben, ist die Forderung nach Autonomie von Gebieten, die dann später »Heim ins Reich« geholt werden sollen, natürlich viel einfacher. Ein vermeintlicher »Freistaat Preußen« soll später aus dem russischen Staatenverband herausgelöst werden. Als »Experte« für die »Übersiedlung von Rußlanddeutschen in den Raum von Königsberg» hatte Roeder im Januar 1995 an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg im Rahmen einer Offiziersweiterbildung einen Vortrag zum Thema gehalten2 . Weiterhin wurde 1997 bekannt, daß die Bundeswehr, obwohl das Innenministerium angeblich die Bundeswehr-Führung eindringlich vor den Machenschaften des Naziterroristen und dem Deutsch-Russischen Gemeinschaftswerk gewarnt hatte, mit ausgedienten LKWs versorgt hatte. Roeder genoß jede Minute des Medienrummels, der nach den letzten Enthüllungen ausbrach, steigerten sie doch seine Popularität und seinen Marktwert innerhalb der
Neonaziszene erheblich. Mit der Kandidatur für die NPD stieg seine Medienpräsenz dann noch einmal. Gerade während des Wahlkampfs hatte Roeder kaum eine wichtige Neonaziveranstaltung ausgelassen; fast überall wurde er als mehr oder weniger gern gehörter »Vater der Bewegung« eingeladen. Auch sein vorerst letztes Ermittlungsverfahren rührt von einer NPD-Veranstaltung her: Der Antisemit und Revisionist hatte am 24. August in Updahl den Holocaust geleugnet. Auch wenn Roeder hin und wieder den Eindruck eines senilen Altnazis erweckt - so brachte er kürzlich ein Flugblatt in Umlauf, in dem er sich als »Kanzleralternative« anpries -, sollte man sich nicht täuschen lassen: Roeder ist eine der wichtigsten Integrationsfiguren für die Neonaziszene. Er ist sowohl bei burschenschaftlichen Treffen, in neuheidnischen Gruppen als auch auf »Vertriebenentreffen« und Veranstaltungen militanter Neonazis und der NPD gern gesehen. Außerdem verrügt er immer noch über beste internationale Kontakte. Nicht zuletzt ist er für den Tod von zwei Menschen verantwortlich. Das sollte nicht vergessen werden!

  • 1Siehe AIB Nr 42/1998, S. 11 /Kasten.
  • 2Siehe AIB Nr 42/1998, S. 10.