Die Struktur der "Unabhängigen Freundeskreise" - 1.Teil
Eine der wesentlichen Klammern, welche die neofaschistische Szene zusammenhält, ist die Struktur der "Unabhängigen Freundeskreise" (UFK) mit ihren Untergliederungen »Unabhängige Nachrichten« (UN), »Deutscher Rechtsschutzkreis e.V. - Deutsche Rechtsschutzkasse« (DRsK), »Freundeskreis Freiheit für Deutschland« (FFD) sowie der »Gesellschaft für Staats- und Völkerrecht« (GfSV). Im Folgenden werden wir hier nur kurz auf diese Struktur eingehen können, obwohl ihre Bedeutung für die extrem rechte bis neofaschistische Szene eine ausführlichere Betrachtung erforderlich machen würde.
Als Vorsitzender des »Freundeskreis Freiheit für Deutschland« trat Wilfried Bluschke in Erscheinung.
»Ihre Propaganda ist (...) nicht anti-NS. Ideologisch stehen sie uns oftmals nah, und ihre propagandistische Tätigkeit und die Arbeit der NSDAP-AO ergänzen sich eigentlich«1, so liest sich eine Aussage im "NS-Kampfruf" und so in etwa kann die Arbeit der "Unabhängigen Freundeskreise" innerhalb der NS-Netzwerke bewertet werden.
Gegründet wurden die "Unabhängigen Freundeskreise" (UFK) im Jahr 1969 von Günther Demolsky2, dem inzwischen verstorbenen Werner Gebhardt und Martin Voigt. Sie gelten bei einigen Akteuren als eine Art Nachfolgeprojekt der "Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher" (AUD)
Der kaufmännische Angestellte und Buchhalter Günter Demolsky (auch Günther Demolsky) war bis zum Verbot 1952 Funktionär der "Sozialistische Reichspartei" (SRP). Danach war er Anhänger der "Deutschen Reichspartei" (DRP) und ab 1962 Funktionär in der "Deutschen Freiheitspartei" (DFP), welche in der 1965 gegründeten ""Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher"" (AUD) aufging. Er gilt als Hintergrundfigur bzw. Gründungsmitglied bei DFK, FFD und GfSV, wo er anfangs Schatzmeister war.
Der Klempnermeister bzw. Installateurmeister Werner Gebhardt aus Oberhausen (geb. 26.12.1919) war bis zum Verbot 1952 Funktionär der "Sozialistischen Reichspartei" (SRP). Danach Akteur der "Deutschen Reichspartei" (DRP) und ab 1962 in der "Deutschen Freiheitspartei" (DFP) tätig. 1992 ist er verstorben.
Der Bergingenieur Martin Voigt (geb. 8.10.1937) aus Bochum ist u.a. Autor in der von Thies Christophersen herausgegebenen Neonazi-Publikation "Kritik" ("Staatsfeinde und andere Deutsche", "Die Verfassungsfeinde sitzen in Bonn"). Er gilt als Hintergrundfigur bzw. Gründungsmitglied bei den UFK-nahen Organisationen. Beim 1969 gegründeten "Freundeskreis Unabhängige Nachrichten" aus Bochum und dem 1979 gegründeten "Deutscher Rechtsschutzkreis / Deutsche Rechtsschutzkasse" aus Bochum trat er als Vorsitzender in Erscheinung.
Die Freundeskreise selbst haben sich zum Ziel gesetzt, "alle Gruppen politischer und volksbewußter Deutscher zusammenzuhalten bzw. zusammenzuführen." In ihren Leitlinien formulieren sie: "Unser Streben gilt der Überwindung der nationalen Minderwertigkeitskomplexe. Der deutsche Mensch ist nicht besser oder schlechter als die übrige Weltbevölkerung. Wir lehnen es ab, weitere Generationen unseres Volkes belasten zu lassen."
Die "Freundeskreise", in den 1970er Jahren eng mit der "Deutsche Bürgerinitiative e.V." (DBI) des Manfred Roeder verbunden, unterstützen die Herausgabe der Neonazi-Publikation "Unabhnägigen Nachrichten" (UN), versenden bundesweit Aufkleber, halten Jahrestagungen ab und organisieren Veranstaltungen. Bei diesen Treffen, die in den letzten Jahren nicht mehr oder nicht mehr so häufig stattgefunden haben, gibt sich fast die gesamte Neonazi-"Prominenz" die Klinke in die Hand. Beim Treffen "Tage der Gemeinschaft" vom 9. bis 15. Mai 1978 mit ca. 400 Gleichgesinnten in Scharzfeld/Harzjage (Harz), traten die Holocaust-Leugner Thies Christophersen, Udo Walendy und Wilhelm Stäglich auf. Weitere Redner waren der "Ritterkreuz"-Träger und Autor Rudolf Trenkel und Werner Gebhardt. Da die Polizei hier auf diverse NS-Publikationen wie "NS-Kampfruf", "Völkischer Beobachter" und "Wille und Weg" stieß, wurden Ermittlungsverfahren gegen Martin Voigt (Bochum), Paul Otte (Braunschweig) und Wilhelm Wübbels (Bocholt) eröffnet. Am 22. Mai 1979 organisierte der Kreis eine Verantaltung mit dem "Historiker" David Irving zum Thema "Hitlers Weg zum Krieg". Diese Massentreffen finden heute nicht mehr statt, kleinere Treffen werden noch durchaus abgehalten.
Die "Unabhängigen Freundeskreise" pflegen gute Kontakte zu allen möglichen Fraktionen des rechten Lagers, nicht zuletzt weil die Aktivisten selbst in den unterschiedlichsten Organisationen tätig waren. Kontakte oder Beziehungen bestehen zur FAP, zur NPD, zum "Weltbund zum Schutz des Lebens", den "Die Republikaner" und der "Deutschen Liga". Es wäre müßig all die Namen aufzuführen, die bei Veranstaltungen der UFK oder in der UN auftauchten und/oder geschrieben haben. Festzuhalten bleibt, daß die UFK eine wesentliche verbindende Funktion innerhalb der NS-orientierten Szene innehaben.
"Freundeskreis Freiheit für Deutschland" (FFD)
Mit dem "Freundeskreis Freiheit für Deutschland" (FFD) gründete sich im Mai 1989 eine Art UFK-Parallelstruktur in Bochum. Als Vorsitzender trat Wilfried Bluschke in Erscheinung. Als Akteure des FFD wurden rund 15 Personen um Günther Demolsky, Werner Gebhardt, Martin Voigt, Helmut Fuchs und Ekkehard Weil bekannt.3
"Unabhängige Nachrichten" (UN)
Das Hauptgewicht der politischen Tätigkeit der UFK hat sich in den letzten Jahren eindeutig auf die Herausgabe der "Unabhängigen Nachrichten" (UN) konzentriert, die sie als Ersatz für die früheren Großveranstaltungen herausgibt. Bei dem Erscheinungsbild der UN in den Anfangsjahren fällt auf, dass auf dem Titelblatt die überdimensionierten Buchstaben "U" und "N" jeweils aus kleinen "H"'s gebildet wurden. Kennt man die Vorliebe der Neofaschisten für den Buchstaben H oder die Zahl 8 als Platzhalter für den achten Buchstaben im Alphabet - häufig beenden Faschisten ihre Briefe mit "88" oder "HH" für "Heil Hitler" -, so ist hier schon eine inhaltliche Vorbestimmung anzunehmen.
Thematisch beschäftigen sich die "Unabhängigen Nachrichten" vor allem mit der "Umerziehung der Deutschen", mit der "Bonner Steuerverschwendung" (meist im Zusammenhang mit AsylbewerberInnen und mit finanziellen Leistungen an Israel) und mit der Hetze gegen AusländerInnen. Antisemitische Angriffe gehören ebenfalls zum ständigen Repertoire der UN.
Im Lauf der Zeit ist das Erscheinungsbild der "Unabhängigen Nachrichten" professioneller geworden; das Blatt wird inzwischen zweifarbig gedruckt und erscheint mit einer monatlichen Auflage von ca. 10.000 Exemplaren. Seit Ende 1993 wird die Zeitschrift von der Verlagsagentur Werner Symanek aus Bingen verlegt, der schon lange vorher als Autor in Erscheinung getreten ist. Die Mitarbeit ist ehrenamtlich, das Heft wird in der Regel kostenlos und häufig unangefordert versandt. Der Verdacht auf Adress-Weitergaben innerhalb der rechten Strukturen an die UN liegt daher nahe. Die Verantwortung für die Artikel in der UN wird in den letzten drei Jahren von ca. zehn Leuten übernommen, die sich wechselnd fr jeweils eine bestimmte Seite oder einen bestimmten Artikel als presserechtlich Verantwortlichen ausgeben. Der Verdacht liegt nahe, dass weit mehr AutorInnen in der UN schreiben,
aus rechtlichen und privaten Gründen jedoch nicht an die Öffentlichkeit treten wollen. Eine weitere Methode zur Vertuschung der unmittelbaren UN-Autorenschaft ist, dass einer eher rechtsstehenden Zeitung ein empörter Leserbrief geschrieben wird, der dann, wenn er veröffentlicht worden ist, als solcher wieder in der UN auftaucht. Beliebtes Objekt ist dabei die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ), die unseres Wissens dagegen noch nie protestiert hat. Diese Methode wurde offensichtlich eingeführt, um eine juristische Strafverfolgung zu erschweren und um das Erscheinen der UN nicht zu gefährden.
Die unmittelbaren Macher der UN selbst, gerieten früher mehrfach ins Visier der Justiz. 1978 musste sich Martin Voigt wegen seiner Behauptung, das "Tagebuch der Anne Frank" sei eine Fälschung, vor Gericht verantworten. Ein Jahr später wurde er wegen Verunglimpfung der BRD zu einer Geldstrafe verurteilt. Er hatte in einem UN-Artikel behauptet, "die letzte Reichsregierung" sei "in einem beispiellosen Banditenstreich abgesetzt worden" und "das führerlose, demokratische Zeitalter" habe begonnen. Obwohl Druckmaschinen und Druckwerke eingezogen wurden, erschienen die UN ungestört weiter.
Als neuer presserechtlich Verantwortlicher zeichnete in den Jahren 1979 und 1980 Friedhelm Kathagen aus Witten. Friedhelm Kathagen trat bereits 1939 als Freiwilliger der Waffen-SS bei. Später galt er als einer der Akteure hinter der GfSV-Gründung und war im Kreis der "Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS e.V." (HIAG) in Witten festzustellen. 1955/56 wurde er als Schriftleiter der HIAG-Zeitschrift "Der Freiwillige" benannt. Zeitweilg galt er als Drucker der "Unabhänigen Nachrichten" (UN), womöglich auch der Zeitschrift "MUT". Mit dem "Verlag F. Kathagen" bzw. "Verlag H.F. Kathagen" aus Witten war er zumindestens am Vertrieb beider Publikationen beteiligt.4 Auch ein "Buchdienst Witten" und ein "Wittener Naturpolitischer Verlag" sollen zu seinem Netzwerk zählen. 1980 wurde Kathagen wegen Aufstachelung zum Rassenhass und Volksverhetzung zu sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Wegen denselben Anklagepunkten wurde er 1984 zu einem Jahr und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, die er 1985 antreten sollte. Doch aus unerklärlichen Gründen erfolgte fünf Jahre lang keine Aufforderung zum Strafantritt. Kathagen blieb unbehelligt auf freiem Fuß.
Im Oktober 1991 stand Kathagen erneut, diesmal wegen Veröffentlichungen im "Leitheft" aus Marl, dem "Rundbrief der ehemaligen Waffen-SS zur Pflege der Kameradschaft, zur Abwehr von Geschichte- und Propagandalügen durch Aufklärung und Dokumentation", erneut vor dem Richter. Er galt zeitweilig als einer der Herausgeber des "Leitheft". Offiziell tritt der "Eigenverlag Burg" (Marl) von Wolfram Burg als Herausgeber und Vertriebsstruktur von dem "Leitheft" in Erscheinung.
Angeklagt war Kathagen im "Leitheft"-Prozess zusammen mit Johann Brandt ("Leitbrief Geschäftsstelle") als presserechtlich Verantwortlichem und Mathias Brandscheidt. Auch Brandt ist häufig als Autor bzw. presserechtlich Verantwortlicher der UN hervorgetreten. Die Anklage beinhaltete Volksverhetzung in Tateinheit mit Beleidigung und Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener, davon in einem Fall mit der Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen. Eine Hausdurchsuchung bei Hildegard Kathagen, Kathagens Ehefrau, brachte eine "konspirative" Wohnung von Friedhelm Kathagen unter dem Namen G. Engelhard zu Tage, die mit Falltür und einem Eingang durch eine Schrankrückwand gesichert war. Nach Angaben der Angeklagten wurden die beanstandeten Ausgaben des "Leitheft" in einer Auflage von 1.000 bis 1.500 Exemplaren zum Großteil über das ex-ANS/NA-Postfach verschickt. Ein "Leitheft"-Herausgeber war früher ein "Geschäftsführer" der ANS/NA gewesen.
Das Gericht verurteilte Brandt zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu 50 D-Mark, Kathagen bekam zu seiner schon zur Hlfte abgesessenen Strafe noch einmal ein Jahr und acht Monate auf Bewährung dazu. In der Urteilsbegründung wurde auf das Alter der Angeklagten und auf die von der Anstaltsleitung günstige Prognose für Kathagen hingewiesen. Nicht zuletzt wegen solcher und anderer Strafverfolgungen wurde 1980 von Martin Voigt (Bochum), dem Diplom-Kaufmann Gerhard Kestermann (Langenberg) und dem Ingenieur Aloys Wehner (Haltern) als ein weiterer Ableger der UFK der "Deutscher Rechtsschutzkreis e.V." gegründet. 1982 übernahmen hier die Kaufmänner Günter Ostwald (Lübeck) und Richard Scheppmann (Wetter) den Vorsitz.