Computerzeitschrift enttarnt Schlüsselfigur des "Thule-Netz"
Die in München erscheinende Computer-Zeitschrift CHIP enthüllt in ihrer Ausgabe 3/1997 interessante Internas aus dem neoneonazistischen Mailboxverbund „Thule-Netz“. Nach Recherchen von CHIP spielt der Münchner Computer-Journalist Ralf Kottcke dort eine führende Rolle.
Ralf Kottcke ist Betreiber der Münchner Thule-Filiale „Janus BBS“, wo er unter dem Pseudonym Thorin Eichenschild firmiert. Er wird von Insidern als »eine der dominanten Schlüsselfiguren« in Computer-Fragen bzw. als »technischer Oberguru« des braunen Mailboxverbundes gesehen. Er soll u.a. die Person sein, die die Verschlüsselung zum Austausch geheimer Nachrichten in der inneren Führungsebene organisiert.
In den jüngsten Internetaktivitäten des „Thule-Netz“ (Vgl. AIB Nr. 37) hat er eine zentrale Aufgabe. CHIP belegt dies: »Im Juni 1996 übernahm Eichenschild den Auftrag, das rechtsradikale Thulenetz ins Internet zu bringen. Heimlich, still und leise, so ergaben CHIP- Recherchen, wurde am 27. Juni 1996 beim kanadischen Web-Seiten-Discounter ICA Canada Online, Inc. in Toronto die neue Internet-Domain des Thulenetzes (Thulenet.com) eingerichtet. Als Inhaber firmiert in Kanada die Münchner Mailbox Janus Kommunikation. Verantwortlicher Administrator, so fand CHIP heraus, ist Ralf Kottcke.«
Mit den Thule-Netz-Aktivitäten im Internet - so meint CHIP - »kommt die internationale Vernetzung der rechtsextremen Szene einen Riesenschritt voran«, waren doch bislang die »Vertreter des braunen Gruselkabinetts mit ihren Mailboxen weitgehend von der Öffentlichkeit isoliert.« Der professionelle Auf- und Ausbau der Internet-Aktivitäten des „Thule-Netz“ wurde ganz offensichtlich dadurch ermöglicht, daß Ralf Kottcke die Infrastruktur des Münchner Computerzeitschriften-Verlags "Magna Media" nutzen konnte. Dort war er als Redakteur beschäftigt. Bei Internic (Whois-Abfrage) war „Janus Kommunikation“ aus München und Ralf Kottcke mit dessen beruflicher E-Mail-Adresse registriert. »Interessierte, die mit dem Betreiber der Thule.net-Domain via Internet Kontakt aufnahmen, landeten also nicht in einem E- Mail-Postfach des braunen Sumpfes, sondern auf dem Netzserver des Magna-Media-Verlags.« Für CHIP drängt sich gar die Frage auf, »ob nicht seit einem halben Jahr das neonazistische Thule-Internet-Angebot heimlich über den Account des MagnaMedia-Verlags gewartet wurde.«
Nach Bekanntwerden der Aktivitäten des Ralf Kottcke gab der Verlag an, »nichts vom Treiben des Redakteurs gewußt« zu haben und warf diesen - nach eigenen Angaben - noch am selben Tag hinaus. CHIP hält es jedoch für zweifelhaft, daß dort »niemandem das doppelte Spiel des Redakteurs aufgefallen sein soll«, denn »ehemalige Verlagsmitarbeiter äußerten gegenüber CHIP, daß sie schon vor zwei Jahren auf den Neonazi (...) aufmerksam geworden seien.« Ralf Kottcke soll damals ausländerfeindliche Plakate in seinem Büro aufgehängt haben.
Auch der Betreiber der Wiener Thule-Mailbox „Dissident BBS“, Christian Anderle, hat zur Zeit – so weiß CHIP zu berichten – Probleme. Die Mailbox ist derzeit nicht zu erreichen, was daran liegt, daß Wilhelm Christian Anderle mit internationalem Haftbefehl gesucht wird und untergetaucht ist. Ihm drohen, nach Angaben der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, 20 Jahre Haft. Anderle soll eine nationalsozialistische Zeitung verbreitet und 1992 zusammen mit einem weiteren Neonazi den jüdischen Friedhof in Eisenstadt geschändet haben. Neben SS-Runen, Hakenkreuzen sowie »Heil- Haider!«-Parolen hinterließen die Täter ein Bekennerschreiben, in dem sie als Motiv angaben, sie wollten »auf diese Weise« ihrem »Vorbild Jörg Haider einen arischen Gruß zukommen lassen.« Neben der deutschen „Störtebeker BBS“ (Stavenhagen), der „SoRevo BBS“ von Thomas R. (Berlin), „Bunker BBS“ (Berlin), „Germania BBS“ (Bonn) von Wilhelm H., der „Propaganda BBS“ von Norbert G. (Karlsruhe), der „Elias BBS“ von Jürgen J. (Oftersheim), der „Reisswolf BBS“ (Weinheim), der „Empire BBS“ von Thomas Sch. (Winnenden), der „Osgiliath BBS“ (Frankfurt/M), der „Kraftwerk BBS“ von Kai D. (Marktrodach), der „Widerstand BBS“ von Thomas H. (Erlangen) und der „Oberland BBS“ (München) gibt es neben der „Dissident BBS“ (Wien) noch die „Motstand BBS“ aus Oslo und die „Weerwolf BBS“ aus Rotterdam.