Landtagswahlen in Niedersachsen (1998)
Vielleicht hat sich in der Landtagswahl in Niedersachsen am 1. März 1998 die Äußerung eines Mitgliedes der "Deutschen Partei" (DP) als wahr erwiesen, daß es verwunderlich sei, daß sich die Presse so über seine Partei aufrege, wo doch einige Äußerungen von Noch-Ministerpräsident Gerhard Schröder zu weiten Teilen denen der DP und anderer rechter Parteien ähneln.
So konnte bei der Landtagswahl keine der beiden explizit ultra rechten zur Wahl angetretenen Parteien DP und Republikaner (REPs) - NPD und DVU traten zu der Wahl nicht an - eine nennenswerte Anzahl von WählerInnen-Stimmen auf sich vereinigen. Vielmehr trug die SPD mit 48,8 % der Stimmen einen klaren Sieg davon. Dennoch machen auch die knapp 1,7 % der Stimmen, die eines der rechten »Originale« wählten, einen Rückblick aus antifaschistischer Sicht auf den Wahlkampf notwendig.
Den Auftakt zum Landtagswahlkampf des ultra rechten Lagers stellte die Festveranstaltung zum »Tag der deutschen Einheit« am 3. Oktober auf dem Kyffhäuser (ein seit dem 19. Jahrhundert sehr beliebtes Symbol von Nationalisten jeder Couleur) dar, zu der unter anderem Alfred Mechtersheimer aufgerufen hatte. Heiner Ernst Kappel, Generalsekretär des "Bund freier Bürger – Offensive für Deutschland" (BFB), hielt die Festrede; Vertreter der "Deutschen Sozialen Union" (DSU) und des BFB waren ebenfalls auf der Redeliste zu finden. Die Veranstaltung war unter dem Motto »Für eine gemeinsame Deutsche Zukunft 1998 - Kein Euro, kein Maastricht-Europa, keine Multikultur!« angekündigt worden.
Nicht weniger öffentlichkeitswirksam zogen auch die REPs mit einer Kampagne gegen den Euro in die Schlacht. Obgleich die Nähe zu den REPs nicht von vornherein offengelegt wurde, riefen spätere Landtagswahlkandidaten einen "Initiativkreis Volksbegehren" ins Leben, der ein Referendum gegen die Maastrichter Verträge erreichen sollte. Die Hürde von 25.000 erforderlichen Stimmen wurde allerdings nicht überwunden, so daß daraus für die Landtagswahl der REPs kein propagandistischer Gewinn gezogen werden konnte. Ganz im Gegenteil fiel in der Folge der Kreisverband der REPs in Hannover auseinander, denn der Ratsherr und Kreisvorsitzende Gerhard Wruck sowie der Bezirksratsherr und Mitgründer der REPs in Hannover, Günter Lüdtke, traten aus dem Verband aus und zogen vermutlich die Hälfte der ca. 50 Mitglieder in Hannover mit sich.
Da nun die Eurokampagne als gescheitert angesehen werden konnte, mußte wieder auf die »klassischen« Themen der Rechten zurückgegriffen werden. Ein Dilemma gleichwohl, daß die von den REPs und der DP anvisierte Zielgruppe, die auf Populismen wie »Wer unser Gastrecht mißbraucht, für den gibt es nur eins: Raus und zwar schnell!« (SPD-Politiker Gerhard Schröder in der BILD am Sonntag, 20. Juli 1997) anspringt, sich unterdessen auch in der Wählerschaft der niedersächsischen SPD wiederfinden kann.
Insgesamt kandidierten 18 Personen für die REPs, darunter zwei Frauen. Spitzenkandidat der REPs war Peter Lauer, Oberstudienrat eines hannoverschen Gymnasiums, der zugleich Landesversitzender der REPs ist. Er war früher über Jahre Funktionär der NPD gewesen. Auf dem 2. Bundesparteitag 1966 in Karlsruhe wurde er sogar in den Parteivorstand gewählt. Ob er hier schon seinen früheren REP-Kollegen Gerhard Wruck traf ist nicht bekannt. Auch dieser soll früher in der NPD Mitglied gewesen sein. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht wirklich, das Peter Lauer im Januar 1998 den Neonazi-Terroristen Peter Naumann als Referent zu "Multikultikulur warum ?" zu einem REP-Parteitag einlud.1
Die DP wartete mit einer Kandidatenliste von 12 Personen auf. An vierter Stelle stand dort Wilken Weseloh, der der Bundesgeschäftsführung seiner Partei angehört und der zu den Mitunterzeichnern des Aufrufes zur "Festveranstaltung" auf dem Kyffhäuser gehörte. Die zentralen Wahlkampfveranstaltungen beider Parteien fanden in Hannover und Verden an der Aller statt.
Am 13. Februar trafen sich etwa 100 AnhängerInnen der Reps im Congreß-Centrum-Hannover. Unter den Rednern waren Spitzenkandidat Peter Lauer und der REP-Bundesvorsitzende, Rolf Schlierer.
In Verden kamen einen Tag später bei der Wahlkampfveranstaltung der DP nicht mehr als 50 Personen zusammen, die den Reden des Vorsitzenden Johannes (Freiherr) von Campenhausen und der Gastreferenten lauschten. Letztere waren Hubert Dorn, Vorsitzender der Bayernpartei (BP) und Heinz-Siegfried Strelow, Bundessprecher der "Unabhängige Ökologen Deutschlands" (UÖD). Bemerkenswert hierbei die offenen Querverbindungen der rechten Splittergruppen untereinander: Während Strelow als Vertreter der UÖD bei der DP zu Gast weilte, ist Jürgen Wirtz, Platz 6 der Kandidatenliste der REPs, ebenfalls früher bei der UÖD aktiv gewesen (als Redaktionsmitglied der parteieigenen Zeitung).
Bei der zweiten Veranstaltung der DP, am 21. Februar in Hannover, war Heiner Kappel als Gastredner zugegen. Diese letzte Veranstaltung deutete bereits auf die Bundestagswahl im kommenden Herbst hin, für die die Landtagswahl als Indikator dienen sollte.
Sehr verhalten waren in dieser gesamten Wahlkampfperiode die Reaktionen von Seiten der lokalen Antifa Gruppen, wenn Veranstaltung von DP oder REPs (wie am 21.2. in Hannover geschehen) fast völlig ohne Protest von antifaschistischer Seite blieben. Einzig eine Veranstaltung der REPs in Hameln, die am 11. Februar stattfinden sollte, konnte erfolgreich verhindert werden.
Parallel dazu konnten einige sich rechtspopulistisch bis z.T. rassistisch gebärdende SPD Politiker einen Teil der rechten Stimmen auf sich vereinen. Im Hinblick auf die kommende Bundestagswahl wird es - bei aller Notwendigkeit, die ultra-rechten Wahlparteien aufmerksam zu beobachten und zu behindern - genauso wichtig sein, den kontinuierlichen Rechtsruck innerhalb der bürgerlichen Parteien SPD, CDU/CSU und FDP zu thematisieren. Dies gilt insbesondere in den Bereichen Innere Sicherheit und Sozialpolitik.
- 1Werra Blitz 24/25. Januar 1998