Rückblick auf die Entwicklung der Neonazi-Szene in Südniedersachsen
Mackenrode Soligruppe (Gastbeitrag)Nach der Gründung des Kreisverbandes Göttingen der "Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei " (FAP) im Jahr 1985 kam es auch in Göttingen zu einem stetigen Anstieg von Neonazi-Aktivitäten.
So wurde z.B. am 23.1.1988 das "Jugendzentrum Innenstadt" (JuzI) von 30 Neonaziskinheads, u.a. die im "Mackenrode-Prozeß" als Zeugen auftretenden Thorsten Heise und Michael Homeister, angegriffen. Aufgrund der anschließenden antifaschistischen Gegenwehr konnten sie nur unter Polizeischutz die Stadt unversehrt verlassen.
Ende 1989 entwickelte sich Göttingen zu einem überregionalen Treffpunkt von Neonaziskinheads. Gerade an Wochenenden kamen zum Teil bis zu 60 Neonazis zusammen. An dieser Stelle darf natürlich nicht der 17. November 1989 vergessen werden, als die Antifaschistin Conny im Zusammenhang mit einer antifaschistischen Mobilisierung von Polizisten in den laufenden Verkehr und somit in den Tod getrieben wurde, während die Neonazis von der Polizei aus der Stadt eskortiert wurden.
Die Aktivitäten der Neonazis gipfelten schließlich in einem FAP-Aufmarsch am 9.12.1989 mit ca. 80 Teilnehmerinnen, in dessen Verlauf auch das JuzI angegriffen wurde. Am 28.4.1990 plante Heise in Nordhausen ein RechtsRock-Konzert u.a. mit "Störkraft" (Andernach)1 , Commando Pernod" (Hamburg)2 , "Werwolf" (Gütersloh)3 , "Noie Werte" (Stuttgart)4 und "Endstufe" (Bremen)5 . Die Veranstaltung in einem alten Wehrmachtsbunker wurde von der Polizei gestoppt. Während 800 bis 1.000 Neonaziskinheads durch die Region irrten bzw. sich Schlägereien lieferten, verschwanden Polacek und Heise mit der Kasse. Am 14.7.1990 wurden vier Antifas in Mackenrode von Oliver Simon und Karl Polacek angegriffen. Letzterer verletzte dabei eine Frau mit einer Axt. Hierfür wurde er wegen gefährlicher Körperverletzung zu acht Monaten auf drei Jahre Bewährung verurteilt. In Rosdorf wurde in der Silvesternacht 1990/91 der 21 jährige Alexander Selchow von den beiden FAP-Aktivisten Oliver Simon und Sven Scharf durch mehrere Messerstiche und Fußtritte getötet. In derselben Silvestemacht wurde in Weende bei Göttingen ein Passant von Neonazis mit einem Messer ebenfalls schwer verletzt, in Adelebsen griffen fünf bis acht Neonaziskinheads zwei Personen an, die schwerverletzt ins Krankenhaus eingeliefert wurden.
Obwohl am 22.1.1992 Polacek nach Österreich ausgewiesen wurde, waren die Neonazi-Aktivitäten in Südniedersachsen mitnichten beendet. Im Gegenteil, 1992 kam es, wie überall, zu verstärkten Angriffen auf MigrantInnen und ihre Unterkünfte. Neben Hetendorf war das wichtigste Zentrum der Neonazis in Niedersachsen das Schulungszentrum in von Polacek in Mackenrode. Für die meisten Neonaziaktionen in und um Göttingen diente Mackenrode als Treffpunkt und Rückzugsort.
Am 16.1.1987 sprengte sich Ingo Kretschmann beim Basteln einer Bombe versehentlich selber in die Luft. In der Wohnung des Polacek-Zöglings und JN-Anhängers befand sich ein umfangreiches Waffenlager. Am Tag seiner Beerdigung wurden in Göttingen Brandanschläge auf ein Jugendzentrum mit vorwiegend türkischen BesucherInnen, den AStA und das Frauenzentrum verübt. Ostern 1987 griffen Neonazis bei der Feier zu »Führers Geburtstag« in Northeim, unbehelligt von der Polizei, einen "Türken" an und lieferten sich mit darauhin herbeigerufenen AntifaschistInnen eine Straßenschlacht.
Schon vor - aber erst recht nach - der Ausweisung Polaceks, entwickelte sich Thorsten Heise zu einer der führenden Figuren der FAP. Nach dem Verbot der FAP 1994, widmete er sich verstärkt der Neonazisubkultur. Er organisierte mehrere RechtsRock-Konzerte, vor allem in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen.
- 1Zur Band "Störkraft sollen Jörg Petritsch, Volker Grüner und Steve Martin zählen.
- 2Zur Band "Commando Pernod" sollen u.a. Carl-Peter W., Andreas B., Oliver H. und Dominic Burzlaff aus Hamburg zählen.
- 3Zur Band "Werwolf" sollen Henning A., Markus D'., Udo G. und Christian G. gehören.
- 4Zur Band "Noie Werte" sollen u.a. Steffen Hammer, Oliver Hilburger, Michael Wendland und Marc G. gehören.
- 5Zur Band "Endstufe" sollen Jens Brandt und Carsten L. gehören.