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Braune Doppelmoral beim Porno Business?

N.N. (Gastbeitrag)
Einleitung

Das deutsche Neonazis sich zunehmend an gesellschaftlichen Themen versuchen, die eigentlich fernab jeder rechten Mitsprache liegen sollten, ist in den letzten Monaten nicht mehr ganz so neu. Kreise der "Freien Nationalisten" im Raum Norddeutschland wollen seit Beginn dieses Jahres ausgerechnet beim Thema "Kindesmißbrauch" inhaltlich mitmischen. »Kinderschänder = Todesstrafe« lautet einhellig der rechte Konsens. Doch das Thema »Kinderschänder« könnte sich beim genauerem Hinsehen auch zu einem Bumerang für sie entwickeln. Denn Berichte aus Frankreich und Deutschland zeigen: Ganz so weit sind Formen der Kinderprostitution und der Kinderpornographie nicht von der rechten Bewegung entfernt.

Bild: Screenshot YouTube

Ungklärte Fragen im Fall Bleich

Als am 16. September 1996 um 18.10 Uhr ein Sondereinsatzkommando der Polizei einen verfallenen Flugzeughangar auf dem Militärgelände der einstigen Sowjetarmee bei Techentin stürmte, um den Schweriner "Pornofilmer" Norbert Bleisch beim Drehen mit vier Jugendlichen (zwischen 15 und 16 Jahre alt) auf frischer Tat festzunehmen, war das nur der Anfang vom Ende einer langen Affäre, die die Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns bis heute nicht zur Ruhe kommen läßt.

Der Haftbefehl vom Amtsgericht Hagenow (Oktober 1996) sprach deutliche Worte: Der Beschuldigte sei unter dem Künstlernamen Sebastian Bleisch in einschlägigen Kreisen bekannt für die Fertigung von Filmen mit pornographischen Inhalten. Dargeboten würden durchweg sexuelle Handlungen zwischen männlichen Jugendlichen im Alter von etwa 16 Jahren. Als sexuelle Handlungen wurden Masturbation und Oralsex sowie auch Analsex festgestellt. 1997 wurde Norbert Bleisch durch ein Schöffengericht zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Anschließend wurde sein Haftbefehl aufgehoben und er verbüßte ein Jahr im offenen Vollzug.

Norbert Bleisch ist in der Region eine bekannte ud öffentliche Person. Bereits Mitte der 1980er Jahre forschte er als Historiker zu den "Lebensborn"-Heimen der Nazis. Hieraus entstand 1988 ein Roman mit dem Titel "Kontrollverlust", der ihm 1998 eine Nominierung zum aspekte-Literaturpreis einbrachte. Es folgte sein Roman "Lord Müll" und die Erzählung "Viertes Deutschland", die 1991 mit dem von Günter Grass gestifteten Alfred-Döblin-Förderpreis ausgezeichnet wurde. Auch sein Interesse für Pornografie war kein Geheimnis. In einer Videoperformance bei einem Filmfests in Schwerin thematisierte er Sexualität und Pornografie öffentlich. 1991 folgte ein „pornografisches Manifest“ an Beate Uhse.

Bleisch ist kein bekannter Teil der organisierten rechten Szene, doch trotzdem ist er ein Gesprächsthema in der regionalen rechten Jugend-Szene. Ein Detail aus dem Fall ist in Schwerin zwar eine Art offenes Geheimnis, doch bis her kein wichtiger Teil der Prozess- und Medienöffentlichkeit. Es könnte auch der Grund sein, warum es keine Neonazi-Aufmärsche zum neuen Lieblings-Thema der Neonazi-Szene in der rechten Hochburg Mecklenburg Vorpommern gibt. Bleisch, der zwischen 1991 und 1996 mit rund 150 Schweriner Jungen und ein paar Mädchen Pornofilme gedreht haben soll, soll angeblich seine »Darsteller« auch -oder sogar zu größeren Teilen- aus der rechten Jugendszene der Stadt rekrutiert haben. Ob hiermit einfache anpolitisierte Jugendliche im ostdeutschen Bomberjacken-Outfit gemeint waren oder jugendliche Neonazis ist nicht bekannt. Einem Wachschützer der auf gesperrtem Gelände auf einen "Porno Dreh" von Reisch stieß wurde allerdings von Bleisch mit der Erklärung abgewimmelt, hier würde ein Film über "rechtsradikale Jugendliche" gedreht.

Im Zusammenhang der "Darsteller-Rekrutierung" wurde gegenüber der Presse und dem Gericht von "Freiwilligkeit", "korrekten Verträgen" und von "Genehmigungen der Eltern" gesprochen. Einige Eltern berichteten jedoch auch von früheren Anzeigen und eingestellten Ermittlungsverfahren. Strafbar war wohl schließlich weniger der Porno-Dreh mit Darstellern unter 18 Jahren, als deren Bezahlung dafür. Es entstanden Filme mit Namen wie »Strolche und Irre«, »Die Knabenburg«, »Das Schloß der Geilen Boys«, »Erste Versuche« oder »Sperma Service«. Eine anvisierte Käufergruppe der Filme dürften auch Pädophile und Päderasten gewesen sein, da einige der "Darsteller" noch minderjährigen waren.

Warum die organisierte Neonazi-Szene zum Thema schwieg und wer alles finanziell davon profitierte sind sicherlich politisch und journalistisch wichtige Fragen. Doch steht bei der Aufklärung im Zweifel Zurückhaltung zum Schutz der Betroffenen an erster Stelle.

Bekannt wurde jedoch bereits, das es wohl nicht gerade die Mecklenburger literarisch-künstlerischen Vertriebswege waren, die an der Produktion beteilgt gewesen sein sollen. Mit einer groß angelegten Durchsuchungsaktion in deutschen Sex-Shops und bei der Düsseldorfer Vertriebsfirma "Gero-Video Produktions GmbH" sollen viele Kopien der Porno-Produktionen beschlagnahmt worden seien.

Über die Schweiz und die Niederlande soll der Handel aber angeblich weitergehen. Die Verhaftung und Inhaftierung Bleischs sowie die Beschlagnahme haben angeblich die Nachfrage und die Preise für die »Kult-Videos« erst richtig in die Höhe getrieben. Während Norbert Bleisch »nur« rund 800.000 Mark mit seinen Videos kassiert haben soll, dürfte sich Georg G. von Gero-Video über ein Mehrfaches dieses Betrages in seiner Kasse gefreut haben. Sebastian Bleisch-Filme verkauften sich angeblich bestens im internationalen Porno-Geschäft.

Eine Eigenwerbung der Firma zeigte den Status von Bleischs Filmen: "GERO Gay Video Vertrieb - Europas größter Vertrieb für Homo-Pornokassetten (...) Ein kometenhaftes Coming Out erlebten seit 1991 die Gay Videos von Sebastian Bleisch. Der Newcomer aus der ehemaligen DDR, Schriftsteller im Hauptberuf, hat mit seinen Boy-Filmen neue Maßstäbe gesetzt (...)"

Laut Berichten von Journalisten mit Kontakt zu Ermittlerkreisen soll es Sex nicht nur zwischen den Darstellern vor der Kamera gegeben haben. Auch ein Regisseur und ein (früheres) Firmenmitglied von Gero-Video sollen angeblich in sexuelle Handlungen involviert gewesen sein. "Der Spiegel" berichtete kürzlich, das der frühere Inhaber Georg G. im Frühjahr dieses Jahres zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt wurde, weil er Sex mit 15jährigen Jungen hatte. (DER SPIEGEL 32/1998)

FKK bis Wehrmacht

Als einer der deutschen Marktführer bei der Produktion von sog. "weicher Kinderpornographie" und der Einfuhr und dem Verkauf sogenannten »FKK-Materials« mit Jungen und Mädchen ist der Lübecker "Pojkart Verlag" samt angeschlossener "KJB. Kunstbild Vertriebs GmbH". Mit einem Bein steht man dort offenbar im internationalen Geschäft mit "Kunst Fotos" und "Foto Kalendern" von wenig bekleideten Kinder und Jugendlichen, mit dem anderen auf eher politisch zweifelhaften Boden. Im Katalog führen Bücher mit Pfadfinder-Fotos ("Die Klampfen erklingen, Bildband Wandervögel") und der politisch-militaristische Titel »Noch vierzig Kilometer bis Stettin Kampf eines Panzerjagdkommandos in Pyritz, Pommern« ein Nebeneinander mit den Büchern »Memory«, »Zittergras - ein Jungenbildband« oder »Studio-Kinder«.

Einige (frühere) Wandervögel und Pfadfinder berichteten und kritisierten in diesem Zusammenhang, das der ehemalige "Nerother Ordensritter" Harry Turné aus bündischen Wandervogel-Kreisen, schon in den 1980er Jahren den „PojkART – Jugend in der Kunst“ Verlag gegründet habe, um u.a. Fotos von jungen Pfadfindern vertreiben zu können.

Die Geschichte rechter Jugendbünde und der Neonazi-Jugendverbände wie der "Wiking Jugend" (WJ) dürfte auch nicht frei von Formen des sexuellen Mißbrauchs gewesen sein. Doch nur wenige entsprechende Gerüchte drangen bis her durch die Mauer des Schweigens. Das Buch "Drahtzieher im braunen Netz" berichtete, das der WJ-Gründer und frühere WJ-Bundesvorsitzende Walter Matthaei 1952 wegen "sexueller Übergriffe auf Kinder der WJ" aus der WJ ausgeschlossen worden sei. Er gründete daraufhin in Spanien den Jugendverband "Juventud Vikinga" und blieb führend in der NS-Bewegung aktiv.

Von der Neonazi-Gruppe zum Kinderporno-Ring

Vor rund 10 Jahren trat auch der Franzose Bernard Alapetite ins Geschäft mit dem »zarten Fleisch« ein. Während man sich beim "Pojkart Verlag" in Lübeck noch um einen moderaten Anstrich bemühte, schmiedete Alapetite zusammen mit den ebenfalls szenebekannten Jean-Manuel Vuillaume und Michel Caignet in Frankreich binnen kürzester Zeit einen weitverzweigten Ring für die Herstellung und Verbreitung von (Hardcore-) Kinderpornos. Alapetite und Caignet unterhielten bis zu ihrer Festnahme im Juni 1997 Kontakte zur deutschen Neonazi-Szene. Caignet war ein Weggefährte des langjährigen deutschen Neonazi-Führers Michael Kühnen und Teil des "Komitees zur Vorbereitung des 100 Geburtstages Adolf Hitlers".

Die französische Zeitung »Le Monde« titulierte Caignet unverblümt als den »Freund der deutschen Neonazis«. Caignet gilt als Hitlerist und übersetzte »Die Auschwitz-Lüge« ins Französische. Er wurde von der Zeitung "liberation" zu ultra-rechten Gruppen wie "Défense de l'Occident", "Eléments", Grece ("Groupement de recherche et d'étude pour la civilisation européenne") und Fane ("Fédération d'action nationale européenne") in Verbindung gebracht.

Auch Bernard Alapetite ist politisch kein unbeschriebenes Blatt. Er engagierte sich auch in der rechten Bewegung Grece und wurde ebenfalls der ultra-rechten "Défense de l’Occident" und "Éléments" zugerechnet. Vuillaume zählte laut Presseberichten auch zum ultra-rechten Netzwerk um "Défense de l’Occident" und betrieb in Bogota eine Art Bordell, in dem auch Kinderpornos gedreht worden sind.

Spätestens dieses Netzwerk zeigte eine Verbindung zwischen Neonazismus und Kindesmißbrauch, das vermutlich nur in Teilen aufgedeckt werden konnte.