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Rassistische Hetzjagd in Guben

Einleitung

In der Nacht vom 12. auf den 13. Februar 1999 verblutete im Hausflur der Hugo-Jentsch-Straße 14 der Algerier Omar Ben Noui nach einer rassistischen Hetzjagd durch Gubener »Jugendliche«.

Bild: Christian Ditsch

Antirassistisches Gedenken an Omar Ben Noui.

Seinen Ausgangspunkt hatte alles in der Diskothek »DanceLand« im Plattenbauviertel in der Sprucke, der einzigen "Multi-Kulti-Disco" im Ort, mit einem von dem stadtbekannten Neonazi Ronny Penschow (Spitzname "Nessen") angezettelten Streit zwischen VietnamesInnen und einer Gruppe Neonaziskins, in dessen Folge die Neonazis von den Ordnern vor die Tür gesetzt wurden.
Angeblich wurde Ronny Penschow bei dem Streit durch einen Machetenhieb verletzt, so daß die Neonazis per Handy Verstärkung holten. Mindestens vier Autos machten sich sofort auf die Suche nach potentiellen Opfern, unbehelligt von der inzwischen erschienenen Polizei. So warfen sie die Scheiben eines Asia-Shops und des vietnamesischen Restaurants »Drachenstübchen« ein und bedrohten einen 17 jährigen Dunkelhäutigen und seine gleichaltrige Begleiterin in der Altstadt mit den Worten: »Wenn wir Euch noch mal sehen, machen wir Euch tot!«.

Gegen 2.30 Uhr entdeckte die rassistische Meute, u.a. angestachelt von dem stadtbekannten NPD-Kader Alexander Bode, die drei späteren Opfer (die nichts mit der Auseinandersetzung im »DanceLand« zu tun hatten) in der Nähe der Aral-Tankstelle (Sprucke), einem beliebten Treffpunkt für rechte Jugendliche nicht weit vom »DanceLand« entfernt - und fing gleich unter lautem Gejohle an, die Drei zu jagen. Die rassistische Jagd endete schließlich im ca. 500 Meter entfernten Hauseingang für Omar Ben Noui tödlich. Der mit Omar Ben Noui geflüchtete Afrikaner konnte sich in ein vorbeifahrendes Taxi retten, der dritte Flüchtling rettete sich in die Disco zurück. Zuvor wurde er von einem Teil der Angreifer eingeholt, niedergeschlagen und getreten. Er fiel mit dem Kopf gegen ein Auto und wurde bewusstlos. An der offiziellen Version des »tragischen Unglücksfalles« (0-Ton Gubener Polizeichef Klaus Lippmann), daß Omar Ben Noui sich beim Eintreten der Haustürscheibe die Knieschlagader verletzte, bestehen erhebliche Zweifel, da laut Zeugenaussagen die rassistischen Verfolger vor dem Haus »Türken raus« brüllten und quietschende Reifen deutlich zu hören waren.

Von einem »relativ großen räumlichen Abstand zwischen Verfolgern und Verfolgten« (Staatsanwalt) kann also keine Rede sein. Auffällig war und ist auch das Verhalten der Ermittlungsbehörden, besonders von Staatsanwaltschaft und Polizei. Es wird weder von Totschlag geschweige denn Mord geredet, allenfalls Körperverletzung kommt in Betracht. Immerhin mußte selbst die für ihre abwiegelnden Kommentare bekannte Gubener Polizei zugeben, daß die fünf in der Tatnacht festgenommenen Neonazis Ronny Hahn, René K, Jörg Donath, Christian Kaschke und Daniel T. stadtbekannte Neonazis und Gewalttäter sind, die schon mehrfach wegen Neonazi-Propagandadelikten und Körperverletzungen aufgefallen waren. Die 17jährigen Daniel T. und René K., gegen die wegen Landfriedensbruch und fahrlässiger Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt wird, wurden 48 Stunden nach der Hetzjagd auf Antrag der Staatsanwaltschaft in ein geschlossenes Heim überwiesen. Die drei 18jährigen beteiligten Neonazis wurden wieder aus der Untersuchungshaft entlassen. Zwei weitere Beteiligte, darunter auch Alexander Bode, wurden in der Nacht vom Sonntag auf Montag festgenommen.

Bezeichnend ist auch die Verhaftung des in ein Taxi Geflüchteten, der vom Fahrer in eine Kneipe (»Tom's Bistro«) gebracht wurde, verfolgt vom rassistischen Mob. Das Bistro wurde von den rassistischen Verfolgern belagert. Nachdem die Polizei den Afrikaner unter dem Verdacht der Körperverletzung festgenommen hatte, verfolgten die Rassisten den Polizeiwagen bis zum Polizeirevier und versuchten dort einzudringen. Bei den Neonazis wurden nicht einmal die Personalien aufgenommen. Währenddessen saß der Afrikaner über vier Stunden mit auf dem Rücken gefesselten Händen auf der Polizeiwache, Omar Ben Noui lag verblutend im Hausflur. Zur selben Zeit rief der Wirt vom "DanceLand" per Telefon die Polizei, die eine (!) Stunde später eintraf. Die Neonazis konnten den Mord bis 5.30 Uhr mit einem Autokorso und »Sieg-Heil«-Rufen in der Altstadt feiern - von der Polizei keine Spur zu sehen.

Daß die Gubener Polizei öfter mal wegschaut bei neonazistischen Aktivitäten und die verharmlosende bzw. falsche Berichterstattung örtlicher Medien ihr übriges tut, beweisen eine Reihe von Vorkommnissen, wie z.B. der Überfall auf VietnamesInnen im Frühjahr 1998 an der Aral-Tankstelle und die  nicht unterbundene Sonnenwendfeier bei Guben in Juni 1998. Viele Dinge kommen erst jetzt an die Öffentlichkeit - an einer chronologischen Auflistung wird noch gearbeitet.

Die Gubener Kameradschafts-Szene ist gut vernetzt. So gaben nach Berichten von Szene-Insidern die Gubener Neonazi-Aktivisten Ronny Sch. und Bernd B. das Neonazi-Heft "Volkswille" heraus, das u.a. über Postfächer des "Blood & Honour"-Milieus in London und Belgien herausgegeben wurde. Als weiterer regionaler Neonazi Anführer gilt Michael Nattke, der zum Netzwerk der Neonazi-Partei "Die Nationalen" der Berliner Neonazi-Kader Frank Schwerdt und Christian Wendt gezählt wird. Er trat mehrfach als Autor in Frank Schwerdts Neonazi-Publikation "Berlin-Brandenburger Zeitung" in Erscheinung. Michael Nattke war es wohl auch, der dafür sorgte, daß Christian Wendt 1996 zu einem "Runden Tisch gegen Gewalt" mit Vertretern der Stadt Guben und deren SozialarbeiterInnen eingeladen wurde.