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1999: Rechte im Wahljahr

Einleitung

Österreich hat gewählt und das Wahlvolk hat die ultrarechte Partei Jörg Haiders zur zweitstärksten Partei des Landes gemacht. Kaum ein Ereignis der letzten Jahre war so vorhersehbar wie dieses: Seit Jahren treiben die »Blauen« die bürgerlichen Parteien vor sich her, bestimmen die Themen der Innenpolitik und gewinnen pro Nationalratswahl mindestens 5% der abgegebenen Stimmen hinzu. Dabei hat Österreich nach Luxemburg die geringste Arbeitslosigkeit in Europa und ausgezeichnete Wirtschaftsprognosen. In diesem Heft findet ihr Berichte über die Situation verschiedener europäischer Länder: Gerade ein Vergleich Österreichs mit der Situation in Großbritannien macht deutlich, wie wenig die Gleichung Arbeitslosigkeit und soziale Krise gleich Rechtsextremismus/Faschismus stimmig ist.

Foto: Christian Ditsch

Die DVU-Funktionäre Michael Claus, Siegmar-Peter Schult und Günther Schwämmer beim Einzug in den Brandenburger Landtag.

Die Bekämpfung des Faschismus bzw. des Rechtsextremismus ist eine internationale Angelegenheit. Erfolge wie in Österreich haben ihre Ausstrahlungskraft auf andere Länder. Würde eine eventuelle Regierungsbeteilung Haiders nicht zu anhaltenden internationalen Protesten und zu einer Isolierung der Alpenrepublik führen, könnten auch in anderen Ländern, wie in unserem eigenen, Dämme brechen -wissen wir doch sehr genau, über die prinzipielle Übereinstimmung eines relativ großen Bevölkerungsteils mit Parolen der extremen Rechten und über den weitverbreiteten Rassismus.

Wir haben uns für diesen Schwerpunkt aus mehreren Gründen entschieden: Zum einen halten wir eine internationalistische Ausrichtung der Antifabewegung für essentiell, um als Bewegung nicht im Reflex auf die ringsum stattfindende nationalistische Renaissance selber in einen »deutschen Tunnelblick« zu verfallen. Zum anderen hat die internationale Solidarität mit AntifaschistInnen und MigrantInnen in Deutschland mehrfach - zuletzt während der Pogromwelle Anfang der 90er Jahre und des Kaindl-Verfahrens gegen türkische MigrantInnen Mitte der 90er in Berlin eine wichtige Rolle gespielt, um Druck auf staatliche Instanzen auszuüben - einen Druck, den wir alleine nicht hätten aufbauen können und der auch einen Schutz für die Antifabewegung hier darstellt. Darüber hinaus vernetzt sich die extreme Rechte immer mehr auch international - es wäre kurzsichtig, wenn wir dem nicht Rechnung tragen würden und uns darauf beschränken, uns nur innerhalb der begrenzten eigenen Kreise zu bewegen. Internationalismus heißt immer auch, voneinander zu lernen, Erfahrungen auszutauschen, Fehler der anderen durch das Wissen um sie vielleicht selber vermeiden zu können und das eigene Blickfeld zu erweitern. In diesem Sinne wollen wir mit dem vorliegenden Schwerpunkt an die besseren Traditionen der internationalistischen Bewegungen der 70er und 80er Jahre anknüpfen.

Das Sommerloch ist definitiv vorbei, und demnächst setzt dann erstmal das langersehnte Wahlkampfloch ein - jedenfalls bis zum nächsten Frühjahr. In drei ostdeutschen Bundesländern sind die Landtagswahlen gelaufen, Berlin steht noch aus. Die Ergebnisse: Angesichts eines dezidiert rechten bis extrem rechten Wählerinnenpotentials, das Umfragen zufolge u.a. in Brandenburg 12 bis 15 Prozent der Wählerinnen umfaßt, hätte es noch schlimmer kommen können. Die Ergebnisse der rechten und ganz rechten Parteien DVU, Reps und NPD sind - auch wenn sie bis auf die DVU in Brandenburg alle an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert sind - keineswegs ein Grund zur Entwarnung. Offenbar ist es der CDU mit ihrer massiven rassistischen Mobilisierung vom Frühjahr und ihrem populistisch-nationalistischen Law-and-Order-Kurs gelungen, viele Rechtswählerinnen an sich zu binden - sofern diese nicht ganz zuhause blieben.

Der Rechtsruck der CDU, der am deutlichsten von Jörg Schönbohm repräsentiert wird, zeigt deutlich auf, daß der Partei viele demagogischen Mittel recht sind, um Erfolge von rechten Parteien neben sich zu verhindern und den rechten und ultra-rechten Rand mit ihrer Umarmungstaktik noch weiter zu integrieren. Schönbohm hatte es sich nicht nehmen lassen, vor der Wahl der rechten Zeitung "Junge Freiheit" ein Interview zu geben. Seine Begründung: Er wollte den Rechten zeigen, daß Teile ihrer Inhalte auch von der CDU vertreten werden. In die gleiche Kerbe schlug Schönbohm dann auch bei einem Besuch in einem fast ausschließlich von rechten und neonazistischen Jugendlichen besuchten Jugendclub in Cottbus. Es habe durchaus Anküpfungspunkte gegeben, so sei man sich in der Forderung nach der Abschiebung von kriminellen AusländerInnen einig. Beim Wahlvolk in Brandenburg kam die kaum verhüllte rassistische Hetze durchaus an: So klebten Schönbohms Wahlkampf-Aufkleber mit der Aufschrift »Hier fehlt Schönbohm«, die die Wählerinnen an Orten mit vermeintlichen Mißständen anbringen sollten, in mehreren Städten und Dörfern neben Wohnungen und Heimen von MigrantInnen und Aussiedlerinnen.

Die DVU, die in Brandenburg mit dem aus Sachsen-Anhalt bewährten Slogan »Protest wählen« angetreten war, wurde angesichts der rechten Konkurrenz durch Schönbohm dann noch von genau 58.225 Wählerinnen gewählt. Damit gelang der Partei von Gerhard Frey, die offensichtlich den harten Kern der extrem rechten Wählerinnen für sich einnehmen konnte, der Sprung über die 5%-Hürde. Sie landete bei 5,28 Prozent der Stimmen und wird mit fünf Abgeordneten in den brandenburgischen Landtag einziehen. Wie schon in Sachsen-Anhalt ging es dem rechten Multimillionär Gerhard Frey vor allem darum, durch die Wahlkampfkostenrückerstattung und die monatlichen Fraktionszuschüsse seine Einnahmen zu steigern und sein eigenes Medienprofil zu erhöhen. Und das ließ sich Frey auch in Brandenburg einiges kosten: Rund zwei Millionen Mark hatte die DVU in den Wahlkampf investiert. 50.000 Plakate wurden geklebt und rund 500.000 Parteiprogramme verschickt. Auf öffentliche Veranstaltungen verzichtete die DVU aus Angst vor antifaschistischen Störaktionen fast vollständig. Statt dessen wurden die etwa 200 brandenburgischen DVU-Mitglieder mit Einladungen zu konspirativen Veranstaltungen bombardiert. Die brandenburgische Landtagswahl hat sich für die DVU jedenfalls gelohnt: Neben Bremen, wo die ultra-rechte Partei mit einem Abgeordneten in der Bürgerschaft vertreten ist und Sachsen-Anhalt sitzt sie jetzt in einem dritten deutschen Landtag. Und die Parteikasse bzw. Parteichef Frey sind erst einmal wieder saniert: Rund 291.125 Mark erhält die DVU an Wahlkampfkostenrückerstattung, für jede der 58.225 Zweitstimmen wird pro Jahr über fünf Jahre hinweg eine Mark aus dem Landeshaushalt gezahlt. Die DVU-Fraktion kann darüber hinaus bis zum Ablauf der Legislaturperiode mit DM 584.131 an Fraktionsgeldern rechnen.

Gemeinsam mit der DVU buhlten auch der rechte "Bund Freier Bürger" (BfB) und die Neonazipartei NPD um das rechte Wählerinnenpotential in Brandenburg. Während der BfB gerade einmal auf 0,33% der Stimmen kam, schaffte auch die NPD nicht den Sprung über 1%. Insgesamt wurde sie von 8.137 Menschen in Brandenburg gewählt, das sind 0,74 Prozent der Stimmen für die Neonazipartei, die im Wahlkampf ihre gesamte Führungsriege aufgeboten hatte, darunter auch Parteichef Udo Voigt, der extra für seine Kandidatur bei den Landtagswahlen seinen Wohnsitz aus Süddeutschland nach Brandenburg verlegte. Auf dem zweiten Listenplatz kandidierte der "Nazibarde" und das JN-Bundesvorstandsmitglied Jörg Hähnel (Frankfurt/Oder). Auf Listenplatz sieben fand sich dann ein alt-bewährter Kader der ersten Stunde der brandenburgischen Neonaziszene wieder: Der 28jährige Maik Hampel war seit 1992 Mitglied der später verbotenen "Nationalistischen Front" (NF) und Mitte der 90er Jahre »Gebietsbeauftragter Mitteldeutschland« der neonazistischen Sammlungsorganisation "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG). In der Brandenburger Neonazi-Szene galt er neben Nadin F. (Oranienburg) als ein Anführer der "Kameradschaft Oberhavel". Laut Berichten aus der Szene sollen die Berliner Neonazis Marcus B. und Reinhard G. zwar vor einigen Jahren innerhalb der Neonazi-Netzwerke einen Spizelvorwurf gegen ihn geäußert haben, der hatte aber seiner Karriere in der NPD offenbar nicht geschadet.

Ähnlich wie die DVU versuchte auch die NPD die rechte Wählerinnenklientel mit rassistischen und nationalistischen Parolen zu überzeugen. Daneben setzte sie auf Aufmärsche, mit denen das jugendliche und rechte  Skinheadumfeld der Partei für die Wahlen mobilisiert und gleichzeitig die rechte Hegemonie auf Brandenburgs Straßen weiter ausgebaut werden sollte.

Auch in Thüringen entschieden sich dann in der Woche darauf die meisten Rechtswählerinnen für die CDU und ließen die DVU mit 3,1% und 24.306 Wählerinnenstimmen an der 5%-Hürde scheitern. Damit schnitt die DVU sogar noch schlechter ab als in den Umfragen vor der Wahl. Der Parteichef Frey war gar nicht erst nach Erfurt gekommen. Vor der Wahl hatte sich die DVU siegesgewiss gegeben, und Frey träumte von bis zu acht Prozent Wählerinnenstimmen. Der Spitzenkandidat der DVU, Otto Reißig , war bei der Kommunalwahl in Thüringen im vorigen Jahr angetreten und hatte bei der Bürgermeisterwahl in der kleinen Gemeinde Frauenwald mehr als 49 Prozent der Stimmen erhalten. Der Bauunternehmer wäre damit um ein Haar der erste Bürgermeister der DVU in Deutschland geworden. Die CDU-Kreisrätin Jutta Ewald hatte sich laut Medienberichten mit einer Postwurfsendung offen für den DVU-Kandidaten eingesetzt. Die DVU brüstet sich nun damit, die viertstärkste Partei in Thüringen zu sein, da die Grünen dort nur 1,7% der Stimmen erhalten haben. Die Republikaner, die 1994 noch 1,3% der Stimmen erhalten hatten, kamen gerade noch auf 0,8%. Ihr beabsichtigtes »Bündnis für Thüringen« gemeinsam mit der "Pro DM" Partei und dem BfB endete in einer Huckepackliste. Für die Partei hatten neben Reps auch BFB'ler und der wegen des Bündnisses von seiner Partei gefeuerte Thüringer Pro DM Vorsitzende kandidiert.

Die NPD, die weit abgeschlagen bei 0,2% der Stimmen bzw. 2757 Wählerinnen landete, zeigte sich jedoch nicht enttäuscht über ihr mageres Ergebnis. Sie hatte ihre Erwartungen weniger an den direkten Wahlerfolg geknüpft, sondern stärker auf eine langfristige Wirkung ihres rassistischen Wahlkampfes gesetzt. Ziel war es, öffentliche Beachtung und neue Mitglieder zu gewinnen. Mit einem Altersdurchschnitt ihrer Mitglieder von 32 Jahren verfügte die NPD landesweit über die jüngste Kandidatenstruktur - darunter insbesondere auch mehrere junge Anti-Antifa-Kader des "Thüringer Heimatschutz" (THS). Der THS wird von den Thüringern Neonazis um Tino Brandt, Mario B., Sven R. und Christoph N. als Plattform für ihre Aktionen genutzt und verfügt(e) über eigene Treffpunkte in einem Lokal in Heilsberg und einem Stadtteilzentrum in Saalfeld-Gordndorf. Auf der Kandidatenliste der NPD fanden sich u.a. die Neonazi-Aktivisten Jan Stöckel und Jörg Krautheim aus den Kreisen der "Kameradschaft Gera". Jörg Krautheim galt innerhalb der Neonazi-Netzwerke als stellvertretender Vorsitzender der "Jungnationalen", einer Art Jugendgruppe von "Die Nationalen e.V.".

In Sachsen, wo die NPD in den letzten Jahren immer stärker auf einen Wahlkurs gesetzt und seit den Kommunalwahlen im Frühsommer in mehreren Städten und Orten in den Kommunalparlamenten vertreten ist, verfehlte die Neonazipartei ihr selbstgestecktes Ziel mit nur 1,5 % der Stimmen völlig. Lediglich der NPD Direktkandidat Johannes Müller im Wahlkreis Sächsische Schweiz erhielt 5,5 Prozent der Stimmen. In der niedersächsischen Oberlausitz kam der NPD-Direktkandidat Ulrich Becker immerhin noch auf 4,1% und Mirko Liebscher (auch aus dem Wahlkreis Sächsische Schweiz) erhielt 3,9 % der Stimmen.

Es bleibt abzuwarten, ob sich der schon vor den Wahlen eskalierte Streit zwischen den »Freien Kameradschaften«, Teilen der JN und der NPD-Parteiführung in Sachsen nach diesem Mißerfolg weiter zuspitzen wird. Auch auf der Bundesebene wird das Scheitern der braunen Biedermänner-Strategie Auswirkungen haben: Schon einmal, Anfang der 70er Jahre, führte das Scheitern der NPD auf parlamentarischer Ebene dazu, daß das neonazistische Spektrum zersplitterte und gezielter neonazistischer außerparlamentarischer Terror zunahm.

Heute warten die »Freien Kameradschaften« um die GdNF-Kader Christian Worch, Thomas Wulff und Thorsten Heise nur darauf, das junge Sympathisantenspektrum der NPD vollständig in ihre Reihen zu integrieren. Sie setzen dabei auf die militante, antistaatliche Karte, und Teile ihrer Anhängerschaft bereiten sich schon länger auf eine neue Terrorwelle vor.