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Die Neonazi-Szene in der Region Zittau

Antifaschistisches Rechercheteam Ostsachsen (artos)
Einleitung

Anläßlich des Antirassistischen Grenzcamps bei Görlitz soll die Neonazi-Szene in der Region Zittau näher beleuchtet werden.

Foto: Chistian Ditsch

Aufmarsch der NPD in Zittau im März 1998.

"Nationaler Jugendblock Zittau e.V."

Der NJB gründete sich Anfang 1992 mit dem Ziel, »besonders für rechte, deutsche Jugendliche« etwas erreichen zu wollen.1 Schon zehn Tage nach der Gründung erhielt der Verein ein Haus von der "Städtischen Wohnungsbaugesellschaft Zittau" für 80,- Mark Miete im Monat. Zittaus Oberbürermeister Jürgen Kloß (CDU) bestreitet bis heute, daß das Haus jemals städtische Mittel bekommen hat. Wobei das aber nur eine Frage der Interpretation ist, da die Wohnungsbaugesellschaft zu 100 Prozent der Stadt Zittau gehört. Als Akteure des NJB Vereins traten über die Jahre hinweg regional bekannte Neonazis wie Ronny Löwe, Jens Leubener, Robert Pech und Alexander Weikelt auf.
 

Bald schon hatte der NJB auch seinen ersten Märtyrer: Holger Müller starb, als er im Juli 1992 einen Asylbewerber überfiel und dieser sich in Notwehr mit einem Messer verteidigte. Seit dem führen die Neonazis Jahr für Jahr einen »Holger Müller-Gedenkmarsch« durch. 1992 nahmen daran u.a. Mitglieder der inzwischen verbotenen "Nationale Offensive" (NO) teil.

Von Anfang an war der NJB Dreh- und Angelpunkt für die Neonaziszene in der gesamten Umgebung. So wurden jährliche Sonnenwendfeiern und Veranstaltungen durchgeführt. Das NJB-Haus in der Zittauer Südstraße wurde für AntifaschistInnen in Sachsen zum Synonym für Neonaziterror und Gewalt über Zittaus Grenzen hinaus. Ebenso von Anfang an dabei beim NJB war Robert Pech. Pech war zunächst bei der rechten Partei "Die Republikaner" und wurde dann "politischer Leiter" des NJB. Bis mindestens 1997 war er Vorstandsmitglied des NJB. Außerdem vertritt er die NPD bei Veranstaltungen und hielt z.B. dieses Jahr die Trauerrede für Holger Müller beim seit 1997 von der NPD organisierten Aufmarsch.

Obwohl der Verein sogar vom Verfassungsschutz als neo-nationalsozialistisch eingestuft wurde, hielt das die Stadt Zittau nicht davon ab, mit dem NJB zusammenzuarbeiten. So organisierte die Stadt Zittau 1992 eine Diskussions-Veranstaltung zum Thema »Gewaltbereitschaft in Zittau" oder "Deutschland ohne Ausländer«. Dort hielt der NJB einen Vortrag zum Thema »Deutschland den Deutschen« und das Multikulturelle Zentrum Zittau (MUK) referierte über Multikultur. Am Ende des Abends diskutierten die Anwesenden gemeinsam mit den Neonazis. Ende 1992 bedankten sich dann die Neonazis beim MUK, der Stadt und dem Landratsamt in einem Flugblatt für die Unterstützung.

In den folgenden Jahren entstand ein Trägerverbund aus Kirchen, dem MUK, der Stadt und anderen Vereinen, die dem NJB zu mehr Einbindung in die kommunale Sozialarbeit verhelfen sollten. Die meisten der beteiligten Vereine mußten jedoch im Laufe der Zeit feststellen, daß den Neonazis nicht mehr zu helfen ist. So zogen sich immer mehr Vereine aus dem Verbund zurück. Inzwischen sind noch zwei Sozialarbeiterinnen im Haus beschäftigt. Die Stadt Zittau weigert sich bislang, zu der Frage Stellung zu nehmen, wer diese Stellen finanziert.

Mittlerweile sind einige der »alten« NJB-Anhänger mehr oder weniger schwer vorbestraft. Einige von ihnen haben sich auch deshalb aus der aktiven Szene etwas zurückgezogen. Dennoch hat zum Beispiel Jens Leubner aus Zittau, Mitgründer des NJB, erst vor kurzem eine Internet-Adresse des NJB eingerichtet. Die Bedeutung des Hauses in der Südstraße als Treffpunkt für Neonazis hatsich zugunsten anderer Orte verringert.

Aktive, militante Nazis sammeln sich in Zittau jetzt um Wohngemeinschaften und in Stadtteilgebieten bzw. im Umland. Nach Ansicht von sächsischen AntifaschistInnen ist dort eine klare Tendenz zu "autonomen Kameradschaften" zu beobachten.

NPD Kreisverband Löbau/Zittau

Den NPD-Kreisverband Löbau/Zittau gibt es seit 1997, als er sich vom KV Görlitz abspaltete. Die geschätzte Mitgliederzahl beträgt etwa 15 bis 25 Personen. Wichtiges Aktionsfeld ist neben dem "Holger-Müller-Gedenkmarsch", das Erstellen einer Internetseite, die fast täglich mit allerlei Tagespolitik aktualisiert wird. Desweiteren ist auch die nach eigenen Angaben monatlich mit einer Auflage von 1.000 Stück erscheinende Zeitschrift »KOMPASS« zu nennen. In ihr beschäftigt sich die NPD mit aktuellen Themen.

Die NPD Zittau ist laut Einschätzung Zittauer AntifaschistInnen ein Musterbeispiel für funktionierende Zusammenarbeit zwischen militanten Neonazis und bürgerlichen Rechten. So zog nach der Gemeinderatswahl im Juni 1999 Renk Wittmann mit 7,9 Prozent der Stimmen für die NPD in den Gemeinderat von Hirschfelde ein. Der NPD gelang und gelingt es, sich durch bürgernahes Auftreten zu etablieren. Ihr Kreisschatzmeister, Kreisvorsitzender und Internet-Verantwortlicher Torsten Hiekisch aus Hirschfelde gilt bei den Nachbarn als »Pfundskerl«.

Auch das NPD-Bundesvorstandsmitglied Gregor Janik ist in Zittau fest etabliert. Janik betreibt eine Anwaltskanzlei und ist auch Vorsitzender der Zittauer Tafel, einem Verein für Obdachlose. Alle Versuche, sich bieder zu geben, hindern die NPD jedoch nicht daran, enge Kontakte zu militanten Neonazis zu pflegen. Beim Holger-Müller-Gedenkmarsch am 4. Juli 1999 marschierten u.a. Neonazi-Funkrtionäre wie Christian Worch (Hamburg), Udo Hempel (Niesky) vom "Jungen Nationalen Spektrum" (JNS), Winfried Petzold (Leipzig), Neonazis aus dem Muldental, andere Kameradschaften aus der Region, sächsische und tschechische Neonazis neben örtlichen NPD-Kadern auf. Auffällig ist, dass sich in Zittau entgegen der sächsischen Parteilinie die NPD nicht von militanten Neonazis löst, sondern sie vielmehr integriert. Neben der engen personellen Verknüpfung zum NJB durch Robert Pech, ist die NPD auch eng mit der Gruppe "Nationaler Widerstand Oberlausitz" verbunden, in dessen Reihen sich der ehemalige NPD-Kreisvorsitzende Holger Zimmermann wiederfindet.

Der (un?)organisierte Rest

Hier ist als erstes der "Nationale Widerstand Oberlausitz" zu nennen, der sich aus NPDlern, NJBlern und Kameradschaftlern zusammensetzt. Es ist davon auszugehen, daß sich hier die militanteren Neonazis zusammenfinden, welche insbesondere aus Zittaus Umland stammen. Weiterhin gibt es die "Kameradschaft Oberlausitz" aus Seifhennersdorf. Der "Kameradschaft Oberlausitz" gehören rund 40 Neonazis an, die sich 1997 als Verein organisierten. Vereinsvorsitzender wurde Jan Kirsten. Mit ihm im Vorstand waren Michael Nicklich bzw. Daniel Rothe.

Weiterhin existiert die "Kameradschaft Spreekraft" aus eher wenigen Personen. Immer mehr Neonazis versuchen, sich klandestin zu treffen und zu vernetzen. Es ist davon auszugehen, daß sich hier schon ein großes Potential gewaltbereiter, sehr gut organisierter Neonazis gebildet hat, das ungefähr einhundert Personen umfaßt.
Ebenso zu kameradschaftsähnlichen Zusammenhängen zu zählen sind die äußerst gewaltbereiten Neonazis aus Ebersbach und Umgebung sowie aus Löbau. Sie bilden einen Kern von ca. 25 Personen und sind regelmäßig vor allem auf Stadtfesten in Aktion.

  • 1Anmerkung AIB: Der Verein wurde Ende 1991 von Jens Leubner aus Hirschfelde (Vorsitzender), Ronny Löwe aus Zittau (Stellvertreter), Hendrik Mayer aus Zittau (Finanzverantwortlicher), Uwe Schlegel aus Zittau (Schriftführer) und Jan Herrmann aus Olbersdorf (Kulturverantwortlicher) gegründet. 1996 wurden Sebastian Weickelt aus Mittelherwigsdorf (Vorsitzender), Robert Pech aus Zittau (Stellvertreter), Mario Quildies aus Olbersdorf (Finanzen) und Torsten Eckelt aus Olbersdorf (Schriftführer) in den Vorstand gewählt.