Die DVU ist aktiv, die Antifa auch
Als die Phantomtruppe des Multimillionärs Frey, die neofaschistische Deutsche Volksunion (DVU) im April 1998 mit 12,9% der Wählerstimmen in den Landtag von Sachsen-Anhalt einzog, war der mediale Aufschrei groß. Echte und geheuchelte Betroffenheitsstatements waren auf allen Kanälen präsent. Die im Vorfeld aktive Wahlkampfbehinderung aus den Reihen der Antifa musste konsequenterweise an ressourcenbedingte Grenzen stoßen. Bei unzähligen "Laternenschlachten" wurden zehntausende braune Werbeträger in ganz Sachen-Anhalt zerstört und unbrauchbar gemacht. Allein in Dessau fielen diesen Protesten ca. 3.000 Exemplare zum Opfer.
Nun, wo das braune Kind also auf dem parlamentarischen Boden gelandet ist, wie mit dieser neuen Gesamtlage umgehen? Antifaschistische Zusammenhänge, insbesondere aus Dessau und Bitterfeld, setzten auf eine Kampagne, deren Schwerpunkt das Outen von DVU-Abgeordneten in ihrem unmittelbaren sozialen Umfeld war. Die ewiggestrigen Parlamentarier sollten im Wohngebiet, beim Einkaufen oder Kneipenbesuch keine Ruhe finden, permanent auf ihre inhumane und rassistische Politik angesprochen werden. In diesem Zusammenhang gab es u.a. im Mai 1998 einen spontanen antifaschistischen Spaziergang zum Haus des DVU-Abgeordneten Rudi Wiechmann in Oranienbaum, seines Zeichens Alterspräsident des Magdeburger Landtages. Im Juni 1998 folgte eine Demonstration unter dem Motto »Braune Wölfe heulen wieder« im Sandersdorfer Wohngebiet des damaligen DVU-Fraktionschefs Helmut Wolf.
Die Wahl der Mittel – DVU-Blockadeprozesse in Dessau
Noch vor den Landtagswahlen 1998, am 15. Februar 1997, blockierten ca. 50 jugendliche AntifaschistInnen am Dessauer Hauptbahnhof die Weiterfahrt eines Busses mit Mitgliedern und Sympathisanten der DVU zu einem überregionalen Parteitag nach Zwochau bei Delitzsch. Dabeiwurden anwesende Passantinnen mit Flugblättern über den Sinn und Zweck der Aktion informiert, und der Bus erhielt ein wenig frische Farbe.
Die Blockade konnte eine halbe Stunde aufrecht erhalten werden und wurde dann durch die Polizei aufgelöst, wobei es zu 28 Festnahmen kam. Zu weiteren neun Festnahmen kam es, als Freundinnen und Freunde den Gefangenen, die in einem zur Sammelstelle umfunktionierten Speiseraum festgehalten wurden, mit Getränken und Zigaretten versorgten. Insgesamt wurden 37 Ermittlungsverfahren (u.a. wegen Landfriedensbruch, Verstoß gegen das Versammlungsgesetz, Nötigung und Gefährdung der öffentlichen Sicherheit) eingeleitet, von denen 30 zur Anklage kamen. Bereits im März 1999 fand in diesem Zusammenhang eine Verhandlung gegen die vier Hauptangeklagten statt. Der zunächst auf acht Verhandlungstage angesetzte Prozess fand schon nach drei Tagen überraschend sein Ende. Denn obwohl sich die Staatsanwaltschaft zunächst unnachgiebig zeigte, sorgten widersprüchliche Zeugenaussagen aus den Reihen der DVU mehr für Verwirrung als für Aufklärung - wie auch ein Polizeivideo, das nicht einmal den Vorwurf des Landfriedensbruches erhärten konnte. Das Verfahren endete vorläufig mit den Auflagen, dreimal wahlweise 300 DM zu zahlen oder 30 Arbeitsstunden zu verrichten und einmal 600 DM zu zahlen.