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Fleißig, aber konzeptlos

Einleitung

Ein Zwischenresümee zu sieben Jahren Landtagspräsenz der DVU in Brandenburg

Konstituierende Sitzung des im August 1999 neu gewählten Landtages in Potsdam. Die DVU-Abgeordnete Liane Hesselbarth (2.v.r.) und ihr Kollege Sigmar-Peter Schuldt (1.v.r.) enthalten sich einer Abstimmung.

Seit 1999 sitzt die DVU in Fraktionsstärke im Brandenburgischen Landtag. Ihr fehlen vorzeigbare Köpfe und eine Idee, wie sich das Parlament als Bühne für die eigenen Politikvorstellungen effektiv nutzen ließe. Dennoch ist das Klischee vom chaotischen, korrupten, faulen und intellektuell überforderten Haufen, der aus der Parteizentrale in München ferngesteuert wird, nicht zutreffend. Im Gegenteil: Die märkische DVU hat im Laufe der Jahre den Gang auf dem parlamentarischen Parkett gelernt und versucht sich an scheinkonstruktiver Oppositionspolitik – wenn auch mit mäßigem Erfolg.

Fast schon mitleiderregend sind die Anekdoten, die über den inzwischen verstorbenen damaligen DVU-Abgeordneten im Brandenburger Landtag Werner Firneburg zu hören sind. Eines Tages war es dem über 70jährigen Landtags-Alterspräsidenten wohl etwas zu warm im Sitzungssaal und der gerade laufenden Debatte mochte er auch nicht recht folgen. Firneburg machte es sich bequem und schlummerte für lange Minuten in seinem Sessel ein. Die Fraktionskollegen wurden erst darauf aufmerksam, als der sichtlich pikierte Schriftführer des Landtages zur DVU-Bank lief und besorgt fragte, ob er womöglich einen Schlaganfall erlitten habe. Solcherlei Geschichten ließen sich en masse über die Brandenburgische DVU aufzählen. Doch eine adäquate Charakterisierung ihrer Parlamentsarbeit ergäbe sich daraus nicht. Nach sieben Jahren hat die Fraktion gelernt, wie das Arbeiten im Landtag funktioniert.

Seriös und grau

So gut sie können, spielen sie mit – eher bemüht, in biederem Grau Gemäßigtheit und Seriösität zu repräsentieren als mit brachialer Rhetorik zu provozieren. »Obstruktion als Politikprinzip«, wie das NPD-Parteiblatt »Deutsche Stimme« konstatiert, ist es gerade nicht, was die DVU in Brandenburg auszeichnet. Vielmehr machen sie unspektakulär das, was kleine Oppositionsfraktionen fast jeder Partei tun würden: Die eigenen Kernthemen bedienen, tagesaktuelle Diskussionen aufgreifen, Sachvorschläge mit polemischer Kritik und überzogenen Forderungen würzen. Gesetzesinitiativen, Anträge und Anfragen der DVU-Fraktion befassen sich mit Dingen wie der Aufnahme eines Tierschutz-Abschnitts in der Landesverfassung, der Rechtschreibreform, der Sicherheit im Straßenverkehr, der Zukunft der Galopprennbahn in Hoppegarten oder der Fahrtkostenübernahme für auf Dörfern lebende Schüler.

Ein Schwerpunkt ist die Sicherheitspolitik. Regelmäßig werden in populistischem Tonfall härtere Haftbedingungen für Kriminelle gefordert. Immer wiederkehrendes Motiv ist der Ruf nach einer Senkung von Politikerbezügen. Gerne, aber weniger häufig, werden Vorschläge gemacht, »Asylanten-Kosten« zu senken oder Anfragen gestellt, die in die gleiche Richtung zielen. Eine deutliche Sprache sprechen auch Beiträge, die sich gegen einen linksalternativen Jugendklub in Strausberg, das Landesprogramm »Tolerantes Brandenburg« oder die Blockade des Neonaziaufmarsches in Halbe im vergangenen November durch ein Bürgerbündnis richten. Eine der wenigen Schlagzeilen, die die DVU in diesem Jahr provozierte, drehte sich um eine die Wehrmacht verherrlichende Rede, die Sigmar-Peter Schuldt im September im Landtag hielt.

Ein Blick in eine beliebige Ausgabe der Quasi-Parteizeitung »Nationalzeitung« genügt, um zu wissen, dass auch die Brandenburger DVUler extrem rechte Ziele verfolgen. Im Parlamentsbetrieb legen sie aber Wert darauf, ureigene Themen weniger lauthals anzusprechen und eher den »Anwalt der kleinen Leute« zu mimen. Fraktionschefin Liane Hesselbarth war sich zum Beispiel nicht zu schade, den Tod von Problembär Bruno in Bayern zu kommentieren: »Deutschland hat sich schon wieder lächerlich gemacht. In anderen Ländern ist es möglich, dass Bären und Menschen friedlich zusammen leben«, klagte sie. Feststehen dürfte, dass Quantität und Qualität der DVU-Arbeit im Laufe der Jahre kontinuierlich gewachsen sind. Abgeordnete wie Hesselbarth oder Birgit Fechner haben inzwischen zumindest die Grundzüge der parlamentarischen Arbeitsweise verstanden. Von der Parteizentrale in München wird immer weniger vorformuliert, wenn dies denn überhaupt jemals in großem Maße passiert sein sollte. Der Brandenburger Landesverband hat, typisch für die ganze DVU, kein reges Parteileben an der Basis vorzuweisen.

Strukturaufbau

Doch wurden die Jahre im Landtag erfolgreich genutzt, funktionierende Strukturen aufzubauen. 300 Mitglieder hat die DVU in Brandenburg. Hin und wieder finden Stammtische statt, die Jahresplanung sieht auch Infotische, Kranzniederlegungen (etwa zum Mauerbau in Berlin oder als »Heldengedenken« in Halbe), eine Mitgliederversammlung und eine Weihnachtsfeier vor. Seit einigen Monaten ist die DVU um Fördergelder für kommunalpolitische Bildungsarbeit bemüht – bisher jedoch erfolglos. Das jährliche Sommerfest in Seefeld besuchten 2006 rund 500 Gäste. Ihrer festen Klientel kann die DVU durchaus Angebote machen. Neben den Mandaten im Landtag verfügt die DVU über etliche Sitze in Gemeindevertretungen und Kommunalparlamenten in Brandenburg.

Vor allem dem Unmut in weiten Teilen der Brandenburger Bevölkerung gegenüber den Hartz-IV-Reformen dürfte es zu verdanken sein, dass die DVU mittelfristig auch die Größe ihrer Wählerschaft stabilisieren konnte. Nach 5,3 Prozent 1999 erlangte sie bei den Landtagswahlen 2004 (auf dem Höhepunkt der Sozialproteste und mit Anti-Hartz-IV-Slogans im Wahlkampf) sogar 6,1 Prozent. Die fünfköpfige Fraktion gewann ein Mandat hinzu. Nach außen tritt die Fraktion relativ geschlossen auf – keine Spur von der desaströsen Performance, die die DVU-Fraktion in Sachsen-Anhalt in den Jahren 1998 bis 2002 darbot.

Grob lassen sich die sechs Abgeordneten in zwei Lager einteilen: Der DVU-Landesvorsitzende Sigmar-Peter Schuldt sowie Birgit Fechner und Liane Hesselbarth machen durch ihre Äußerungen im Zweifelsfall klar, dass sie extrem rechts orientiert sind. Markus Nonninger, Michael Claus und Norbert Schulze hingegen sind zauderhafter und scheinen eher ultrakonservativ zu denken. Nonninger und Claus äußerten gar Bedenken gegen den »Deutschland-Pakt« zwischen NPD und DVU, weil ihnen die NPD zu radikal sei. Unter den Fraktionsmitarbeitern tummeln sich altbekannte Gesichter. Der Berliner DVU-Landesvorsitzende Dietmar Tönhardt arbeitet für Schuldt. Seine Ehefrau, die 52-jährige Manuela Tönhardt, ist bei Nonninger angestellt und trat bei den Berliner Abgeordnetenhauswahlen auf Platz 2 der NPD-Liste an.

Fraktions-Pressesprecher ist der ehemalige JN-Bundesvorsitzende, »Anarcho-Nationalist« und Neuheide Thilo Kabus. Die größte Sorge der Brandenburger DVU dürfte indes wohl die breite Nichtwahrnehmung ihrer parlamentarischen Bemühungen sein. Dabei sind ihre Themen durchaus geeignet, Stimmungen in der Bevölkerung aufzugreifen. Nur genau das passiert nicht. Die immerhin DVU-skeptischen Medien im Land berichten  kaum über Parteiinitiativen und andere Kommunikationskanäle hat die DVU bislang nicht finden können. Wenn Schulklassen durch den sächsischen Landtag geführt werden, scheinen sich die Schüler vorrangig für die Politik der NPD zu interessieren und fragen gezielt danach. In Brandenburg aber sind Schüler oft regelrecht erstaunt darüber, wenn sie erfahren, dass dort auch die DVU vertreten ist.

Von Wahlkampfzeiten abgesehen, ist die DVU-Präsenz in Brandenburg wenig spürbar. Auch im Parlament wird die DVU von den restlichen Abgeordneten überwiegend schlichtweg ignoriert. DVU-Anträge, auch solche die für sich keine rechtsextremen Inhalte transportieren, haben keine Chance, angenommen zu werden. Am ehesten zeigt sich die in Brandenburg zusammen mit der SPD regierende CDU geneigt, diese Isolation aufzubrechen. »Ein Teil davon ist inzwischen sicherlich Allgemeingut«, wusste CDU-Innenminister Jörg Schönbohm schon im Jahr 2004 zur Ausländerpolitik der DVU zu sagen. Bei geheimen Abstimmungen zu Personalfragen bekamen die jeweiligen DVU-Kandidaten in einigen Fällen acht Ja-Stimmen. Die beiden Zusatzstimmen werden gemeinhin in der CDU-Fraktion vermutet.

Fazit

Ein klareres, auffälligeres Profil zu erlangen, dürfte bis zu den nächsten Wahlen 2009 aus Sicht der DVU wohl die drängendste Aufgabe sein. Provokantes und schlagzeilenträchtiges Auftreten à la NPD Sachsen würde dabei sicherlich helfen. Die DVU scheint aber nicht gewillt, diesen Weg zu gehen. Zu groß ist die Angst, ihr konservatives, deutschnationales Wahlklientel mit parlamentarischen Poltereien zu verschrecken.