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Die Geschichte wach halten

Frauenprojektgruppe »Erinnern an Ravensbrück« (Bielefeld) (Gastbeitrag)
Einleitung

Im September '97 fanden sich zehn FrauenLesben als Frauenprojektgruppe zusammen, um die Ausstellung »Schwestern vergeßt uns nicht - Frauen im Konzentrationslager 1933 - 1945« nach Bielefeld zu holen und ein kleines Programm zu erarbeiten. Da wir kein Geld zur Verfügung hatten, mußten wir uns zuerst über die Finanzierung Gedanken machen und beantragten bei verschiedenen Stiftungen Zuschüsse.

Bei der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Thema wurde relativ schnell klar, dass es uns nicht reichte »nur« ein, zwei Veranstaltungen anzubieten. Immer mehr Aspekte schienen uns wichtig, die wir am liebsten alle behandelt hätten. Die Höhe der Zuschüsse ermöglichte uns schließlich nicht nur, die Ausstellung vier Wochen lang im April '98 an zwei verschiedenen Orten in Bielefeld zu zeigen, sondern auch ein umfangreiches Rahmenprogramm anzubieten. Neben Vorträgen haben wir durch eine Stadtrührung, ein Konzert und Filme verschiedene Zugänge zum Thema anbieten können. Ziel war es, sowohl mit der Wahl des Themas, mit der Form der Umsetzung, als auch durch die eigene Arbeitsstruktur über den eigenen Tellerrand hinauszublicken und mit unseren Inhalten eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Der Vorteil an der Form einer Projektgruppe ist, dass es bei der Arbeit in einem Projekt - außerhalb bestehender Gruppenzusammenhänge - mit Frauen aus unterschiedlichen Arbeits-, Lebens- und politischen Bereichen, immer wieder notwendig ist, die eigenen Positionen zu überprüfen, unbekannte Perspektiven einzunehmen und zu diskutieren. Außerdem ermöglicht die Projektform auch Menschen, die sich nicht verbindlich für die Arbeit in einer Gruppe entscheiden können oder wollen, sich in einem zeitlich und thematisch abgesteckten »übersichtlichen« Rahmen zu engagieren. Wir haben das Thema »Frauen im Konzentrationslager« gewählt, weil wir historisch zu dieser Thematik arbeiten und Frauen in der Geschichte sichtbar machen wollten. Es ging uns nicht nur um das Gedenken, sondern auch um die kritische Wahrnehmung und die Analyse der Machtmechanismen, die zu diesen Verbrechen geführt haben. Es lag uns daran, Kontinuitäten aufzuzeigen und antifaschistische und feministische Inhalte zu transportieren. Dies gelang durch die Verbindung von historischen und politischen Inhalten in unseren Veranstaltungen, zu der vor allem die Zeitzeuginnen durch die Berichte über ihr Leben im NS, ihre Werte, politischen Meinungen, Analysen der heutigen Situation und ihr ungebrochenes Engagement beitrugen. So fand z.B. im Rahmen der Ausstellung ein Konzert mit Esther Bejarano (Überlebende des Mädchenorchesters in Auschwitz) statt, in dessen Rahmen eine Gruppe des Wanderkirchenasyls empfangen wurde, die dort über ihre Situation berichtete. Es war uns sowohl in unseren Veröffentlichungen, in dem Programm als auch in unserer Eröffnungsrede möglich, linksradikale Inhalte zu vertreten, ohne gleich in die »übliche Ecke« gesteckt zu werden. Als wenige Tage nach dem Konzert, am 12. Mai '98, bundesweite Hausdurchsuchungen bei (Ex-)Passauer Antifaschistinnen stattfanden, von denen auch eine der Projektfrauen betroffen war, konnten wir als Projektfrauen mit unserem gerade erworbenen »Image« in einem völlig anderen Kontext an die Öffentlichkeit treten. Unser Projekt, das ein gesellschaftlich akzeptiertes Thema behandelte, eröffnete uns andere Möglichkeiten. Unsere Presseerklärungen wurden ausnahmsweise mal gedruckt... Der Nachteil an der Form einer Projektgruppe ist, dass sie von vornherein nicht kontinuierlich angelegt ist und durch die Verschiedenheit der Frauen in diesem Projektzusammenhang deutlich unterschiedliche Ansprüche an Zusammenarbeit und Ausführung sichtbar wurden. Anders als feste Gruppen, die sich ja doch mehr auf einer breiteren inhaltlichen Basis zusammenfinden, gründet sich eine Projektgruppe doch vorwiegend auf dem gemeinsamen Interesse an einem bestimmten Thema. Trotzdem entwickelten sich nach Beendigung des Projektes daraus verschiedene Initiativen, die jetzt z.T. kontinuierliche Arbeit leisten. Klar ist, dass ein solches Projekt nicht isoliert stehen darf, sondern als eine Ausdrucksform von antifaschistischer und antisexistischer Arbeit begriffen werden sollte. Autonomer Antifaschismus muß immer die kritische Auseinandersetzung mit allen bestehenden Herrschaftsmechanismen beinhalten - das daraus folgende Erkennen des Widerspruchs zum System muß sich in Inhalten und Aktionsformen unserer Politik widerspiegeln. Mit dem Projekt haben wir uns für eine Politikform entschieden, die sich für die meisten von uns von ihrer bisherigen Praxis unterschied: Wir arbeiteten mit staatstragenden Institutionen zusammen (bzw. ließen uns von diesen fördern), ohne dabei Abstand von unseren linksradikalen Positionen zu nehmen. Hieraus ergab sich teilweise ein Spagat, den wir aber in Kauf nehmen wollten. Einerseits wollten wir unsere Inhalte einem breiteren Publikum als der üblichen Szene vermitteln. Andererseits erhofften wir uns durch das Aufzeigen unseres politischen Hintergrunds Akzeptanz für unsere herkömmlichen politischen Aktionsformen (ob dies gelang, sei dahingestellt). Durch die Verknüpfung direkter Antifaaktionen mit antifaschistischer Bildungsarbeit kann die gängige Unterscheidung in »gute« und »böse« Antifas relativiert werden. Die unterschiedlichen Aktionsformen sollten sich ergänzen und Bezug aufeinander nehmen. Dies ist ein wichtiges Element dieser Strategie. Bürgerinnenfreundliche und öffentlichkeitswirksame Aktionen schaffen Raum für Auseinandersetzungen, die ansonsten keinen Platz in der öffentlichen Diskussion haben. Zudem werden durch linksradikale Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit auch andere Zusammenhänge und bürgerliche Kreise für antifaschistische und feministische Themen sensibilisiert. Gleichzeitig ist diese Form der Arbeit auch innerhalb der bestehenden Antifazusammenhänge notwendig, um einem blinden Anti-Nazi-Aktionismus entgegenzuwirken und um eine Basis für eine kontinuierliche linksradikale Politik zu schaffen, bei der klar ist, warum und wofür überhaupt gegen Faschistinnen vorgegangen wird.