Tod in Dessau
Ein Beitrag der Antifa Dessau, PressegruppeAm 7. Januar 2005 verbrannte Oury Jalloh in einer Zelle des Dessauer Polizeireviers. Die Todesumstände des Flüchtlings aus Sierra Leone sind, um es moderat zu formulieren, undurchsichtig. Die offizielle »Feuerzeugtheorie«, die von der zuständigen Staatsanwaltschaft multipliziert wird, strotzt vor Widersprüchen.
In einer am 15. Februar 2005 verbreiteten Pressemitteilung listete die ermittelnde Behörde minutiös ihre Version der Ereignisse auf. Pikanterweise spart sie eine genaue Beschreibung der entscheidenden Minuten aus. Nach seiner Einlieferung gegen 8.30 Uhr erfolgte 10 Minuten später eine Durchsuchung im Untersuchungsraum. Nach einer anschließenden ärztlichen Untersuchung fixierten ihn Beamte in der Zelle mit Hand- und Fußfesseln an das Bett. Kurz vor 12.00 Uhr stellte der wachhabende Dienstgruppenleiter die Wechselsprechanlage, welche die Zelle akustisch mit dem Wachraum verbindet, leise, um ein Telefonat führen zu können.
Seine ebenfalls anwesenden Kollegen sollen die Anlage laut Staatsanwaltschaft »unverzüglich wieder auf laut gedreht haben«, so dass »die akustische Verbindung (…) nur kurze Zeit unterbrochen war«. Schließlich nahmen der Dienstgruppenleiter und seine Kollegen »zwischen 12:04 und 12:09 (…) über die Wechselsprechanlage ein plätscherndes Geräusche wahr und der Rauchmelder schlug an. Weil in der Vergangenheit mehrere Fehlalarme stattfanden, stellte der Dienstgruppenleiter den Alarm ab.« Später wurden diese Angaben konkretisiert. Oury soll es gelungen sein, trotz Durchsuchung, ein Feuerzeug in die Zelle zu nehmen und sich damit im gefesselten Zustand selbst zu entzünden.
Unbeantwortete Fragen
Viele Fragen sind bis heute offen. Wie konnte das Feuerzeug in die Zelle gelangen? Verfügte Oury trotz Fesselung über genügend Bewegungsfreiheit, um das Feuerzeug zu bedienen? Wie war es möglich, eine feuerfeste Matratze zu entzünden? Die Antworten von offizieller Seite, soweit es welche gibt, sind zum Teil unglaubwürdig oder gar hanebüchen. Die offenbare Verschleppungstaktik wurde erst partiell aufgegeben als der mediale Druck zu groß wurde. Selbst der Bund der Kriminalbeamten, der nicht gerade dafür bekannt ist, gegen den Corpsgeist innerhalb der Polizei resolut vorzugehen, übte heftige Kritik. Letztlich wird gegen drei Polizeibeamte ermittelt. Gegen den Dienstgruppenleiter, der zwischenzeitlich versetzt und danach vom Dienst suspendiert wurde, steht der Tatverdacht der Körperverletzung mit Todesfolge im Raum, den anderen zwei Beamten wird fahrlässige Tötung vorgeworfen. Bereits vor zwei Jahren verstarb in der Schicht desselben Dienstgruppenleiters ein Mensch im Dessauer Polizeirevier.
Auf Initiative des PDS-Landtagsabgeordneten Matthias Gärtner beschäftigte sich der Innenausschuss des Magdeburger Landtages mehrmals mit dem Fall. Dort waren Details zu erfahren, die kein gutes Licht auf die Exekutive werfen. So hatten die Polizeibeamten in der ersten Vernehmung nicht erwähnt, dass Oury zur Zeit des Brandes gefesselt war, auch war während der gesamten Festnahmesituation kein Dolmetscher anwesend.
Widerstand
Da diese Praxis in Dessau kein Einzelfall zu sein scheint, demonstrierten vierzehn Tage nach dem Tod Ourys AntirassistInnen »Für eine schnelle Aufklärung und gegen rassistische Polizeiwillkür«. Immer wieder kam es zu ethnisch motivierten Polizeikontrollen. Oft werden afrikanische Flüchtlinge unter Einsatz von Gewalt, aufs Polizeirevier verbracht. Viele trauen sich wegen laufenden Asylverfahren und der Gegenanzeigepraxis der Polizei nicht, diese Vorgehensweise öffentlich zu. Keine der im Stadtparlament vertretenden Parteien hat bisher ein Wort des Bedauerns gefunden oder eine schnelle Aufklärung gefordert. Eine Tatsache, die uns in einer Stadt, in der der Oberbürgermeister dafür wirbt, einen Neonaziaufmarsch zu ignorieren, nicht wirklich wundert.
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