Die Mär von der humanitären Tradition
Antifa BernMit wuchtiger Mehrheit haben die Schweizer Stimmberechtigten am 24. September 2006 das schärfere Asyl- und Ausländergesetz gutgeheißen – und damit eine der restriktivsten Asylgesetzgebungen in Europa überhaupt. Klar ist: Die oft und gerne bemühte »humanitäre Tradition« des Landes ist nichts mehr als leeres Geschwätz.
Die vor allem von der Linken, den Hilfswerken, den Kirchen, aber auch von der Kulturprominenz – Stichwort »Rock down Asylgesetz« – als unmenschlich hart und völkerrechtswidrig bekämpfte Revision des Asyl- und Ausländergesetz passierte mit einer satten Zwei-Drittel-Mehrheit. Kein einziger Kanton hat die Vorlage abgelehnt. Ein Jahr vor den landesweiten Wahlen hat das von der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP) angeführte bürgerliche Lager damit einen überwältigenden Abstimmungssieg eingefahren – ganz nach dem Gusto von Justizminister und SVP-Boss Christoph Blocher.
Der Fremdenhass – ein konstanter Parameter der Schweizer Politik
Das neue Asyl- und Ausländergesetz fügt sich nahtlos ein in die »Tradition der Verschärfung«. Seit den 1980er Jahren kennt die Asyldebatte hierzulande nur noch eine Richtung: Rechte von Migrantinnen und Migranten abbauen. Für den Historiker Hans-Ulrich Jost bringt das deutliche Verdikt vom 24. September eine Konstante der Schweizer Politik wieder ans Licht: »Die SVP wertet – mit einer modernen Strategie von Politik-Management – lediglich das alte Erbe der Schweiz wieder auf, die Xenophobie. Fremdenhass wird kombiniert mit einigen aktuellen Problemen, etwa der Globalisierung, Modernisierungsängsten oder den steigenden Kosten im Gesundheitswesen«. Trotzdem hält sich bis heute hartnäckig das Bild einer besonderen »humanitären Tradition« der Schweiz – eine Selbstbeweihräucherung, die auf tönernen Füssen steht: Die offizielle Flüchtlingspolitik ist, so zeigt der Blick zurück, stets von Opportunität, Kalkül und Eigeninteressen geprägt gewesen.
Bereits ab 1. Januar 2007 in Kraft
Die Landesregierung schlägt ein forsches Tempo an: Die neuen Zwangsmaßnahmen im Asylrecht treten bereits am 1. Januar 2007 in Kraft. Zukünftig gilt: Die Asylbehörden können Asylsuchende ohne Bleiberecht für drei Tage festhalten, um ihre Identität und Nationalität festzustellen. Die Vorbereitungshaft wird auf maximal sechs Monate verlängert, die Abschiebehaft auf maximal 18 Monate. Neu dazu kommt die Durchsetzungshaft (bis zu neun Monaten), um die Ausreise zu erzwingen. Und wer nicht innerhalb von 48 Stunden nach der Ankunft Reise- oder Identitätspapiere abgibt, kann vom Asylverfahren ausgeschlossen werden. Ab 2008 wird zudem die Sozialhilfe für abgewiesene Asylsuchende gestrichen.
Ist es erstaunlich, dass das neue Regelwerk Europas extreme Rechte begeistert? Die Schweiz sei das Vorbild für Europa, sagte etwa Jean-Marie Le Pen, der Chef des französischen Front National, bei der Einwanderungsdebatte am 27. September 2006 im Europaparlament. In Belgien lobte Filip Dewinter, Führer des fremdenfeindlichen und separatistischen »Vlaams Belang«, das neue Asylgesetz: Alle Völker sollten bei sich zuhause bleiben. Österreichs »Freiheitliche« warben gar mit dem Konterfei von Christoph Blocher – der SVP-Bundesrat sei »voll auf FPÖ-Kurs«, attestierte ihm die extrem rechte Partei in einer halbseitigen Zeitungsanzeige.