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Rechtsruck in Südtirol

Einleitung

Einen heftigen Rechtsrutsch erlebt der teilweise deutschsprachige Norden Italiens – Südtirol. Seit den Wahlen vom 26. Oktober 2008 sind drei rechte Parteien, die den Anschluss des Gebietes an Österreich fordern, im Landtag von Bolzano vertreten. Sie konnten ihre Stimmen seit 2003 fast verdoppeln.

Bild: flickr.com; schoffer; southtyrolean/<a href="http://creativecommons.org/licenses/by/2.0/">CC BY 2.0</a>

»Es ist Zeit für ein vereintes Tirol!« Mehrere Tausend deutschsprachige Traditionalisten, sogenannte Südtiroler Schützen, waren zu der Kundgebung am Abend des 8. November 2008 nach Bolzano gekommen. Es war kein beliebiger Termin. Am 4. November 1918 hatten das Habsburgerreich und Italien mit einem Waffenstillstand ihre Kämpfe beendet. Italienische Truppen waren danach zum Brenner marschiert, einem militärstrategisch wichtigen Pass, und hatten dabei den Süden des österreichischen Kronlandes Tirol besetzt.

Seitdem gehört Südtirol – der Friedensvertrag von St. Germain hat es 1919 bestätigt – unter dem Namen Alto Adige zu Italien. Bis heute geben sich völkische Kräfte unter den dortigen Deutschsprachigen damit nicht zufrieden. »Wir wollen frei sein ohne Italien!«, hieß es denn auch am 8. November auf der Schützen-Kundgebung in Bolzano, auf der an den neunzigsten Jahrestag des Waffenstillstands und damit der Abtrennung von Österreich erinnert wurde. »Der Freiheit entgegen!« war auf Transparenten zu lesen, und das sollte heißen: Anschluss an das österreichische Bundesland Tirol.

Seltsam antiquiert wirkt der deutsch-völkische Separatismus in Norditalien, altertümlich wie die merkwürdigen Gamsbart-Uniformen, in denen die Traditionsverbände der Südtiroler Schützen am 8. November in Bolzano aufmarschierten. Tatsächlich kommt er jedoch wieder in Mode. Schlaglichtartig haben dies die Wahlen zum Landtag von Bolzano am 26. Oktober gezeigt. Drei Parteien gibt es in Alto Adige, die die Sezession von Italien und den Anschluss an Österreich befürworten: Die »Union für Südtirol« (UfS), ihre Abspaltung »Süd-Tiroler Freiheit« und die Partei »Die Freiheitlichen«, ein Ableger der österreichischen FPÖ. Sie erhielten zusammen rund 65.500 Stimmen, das entspricht rund 30 Prozent der Deutschsprachigen in Alto Adige (Südtirol). Die Zahl fällt umso stärker ins Gewicht, als die Völkischen ihre Stimmen seit den letzten Landtagswahlen 2003 fast verdoppeln konnten: Damals entschieden sich weniger als 36.000 Wählerinnen und Wähler für sie.

Betrachtet man die Gesamtentwicklung in Alto Adige (Südtirol), dann fällt noch ein zweites Element ins Auge, das man anhand der Verluste der »Südtiroler Volkspartei« (SVP) beziffern kann: Die Basis für die Autonomieregelung ist geschwächt. Alto Adige hat im italienischen Staatssystem den Status einer Autonomen Provinz. Mit dem »Südtirol-Paket«, das im Jahr 1972 in Kraft getreten ist, haben die dortigen Deutschsprachigen weitreichende Sonderrechte erhalten, sogenannte Autonomierechte, die ihnen ein hohes Maß an Unabhängigkeit von Rom sichern. Die Südtiroler Autonomie galt über Jahrzehnte als stabiles Modell und als historisch siegreiche Alternative zu Separatismus und Anschlusskonzepten. Parteipolitisch wurde sie seit je durch die SVP verkörpert, die der bayerischen CSU nicht unähnlich ist – auch in ihren Wahlerfolgen: Bis in die 1980er Jahre hinein erhielt sie Werte um die 60 Prozent, bis heute stellt sie den Landeshauptmann (Ministerpräsident). Bei den aktuellen Wahlen kam sie auf gerade noch 48,1 Prozent, in Umfragen hatte sie sogar darunter gelegen. Es schwindet also die Zustimmung zu der Autonomiepartei schlechthin.

Das separatistische Milieu, das den Anschluss an Österreich will und von der Schwäche der Autonomisten profitiert, ist parteipolitisch dreigeteilt. Die älteste der Sezessionsparteien ist die »Union für Südtirol«. Gegründet wurde sie im Herbst 1989 von Alfons Benedikter und Eva Klotz. Benedikter kam aus der SVP, hatte sich an den Verhandlungen über die Autonomie aktiv und an vorderster Front beteiligt, war aber nie wirklich zufrieden damit. 1989 brach er mit der Partei und tat sich mit Personen zusammen, die zu erheblichen Teilen dem Südtirol-Terrorismus der 1950er und 1960er Jahre entstammten und weiterhin für die Sezession kämpften: mit Mitgliedern des »Südtiroler Heimatbundes« (SHB). Eine von ihnen war Eva Klotz, deren Vater Georg Klotz zu den bekanntesten Südtirol-Terroristen gehört; er wurde wegen mehrerer Gewalttaten zu 52 Jahren Gefängnis verurteilt, konnte sich aber der Strafe entziehen und lebte offiziell seit 1961 in Österreich im Exil. Seine Tochter Eva führt ausdrücklich seine separatistische Politik fort – von 1989 an über lange Jahre in der UfS.

Die UfS ist nach kontinuierlichen Zuwächsen bei den aktuellen Landtagswahlen stark eingebrochen. Konnte sie bis 2003 ihren Anteil auf 6,8 Prozent steigern, so erreichte sie dieses Jahr gerade noch 2,3 Prozent. Dies liegt jedoch schlicht und einfach daran, dass sie sich gespalten hat. Eva Klotz war im Frühjahr 2007 mit UfS-Vorstandsmitglied Andreas Pöder in heftigen Streit geraten und hatte sich bei den parteiinternen Machtkämpfen nicht durchsetzen können; sie verließ die UfS und gründete die »Süd-Tiroler Freiheit«.

Das Ansehen des Klotz-Clans im völkischen Milieu Alto Adiges erklärt, dass die »Süd-Tiroler Freiheit« auf Anhieb die UfS hinter sich ließ und 4,9 Prozent erzielte – das sind zwei Sitze im Landtag von Bolzano. UfS und »Süd-Tiroler Freiheit«, die 2003 ja noch gemeinsam kandidiert und damals 6,8 Prozent erhalten hatten, kamen zusammen diesmal auf 7,2 Prozent und auf drei statt zwei Mandate. Politisch hat sich die »Süd-Tiroler Freiheit« vor allem damit hervorgetan, dass sie vor einem Jahr – am 11. November, dem Tag, an dem 1918 die italienischen Truppen am Brenner eintrafen – am dortigen Grenzübergang eine rot-weiß-rote Blechtafel in Großformat aufstellte, und zwar so, dass man sie bei der Einreise nach Italien erblickte. Rot-weiß-rot sind die Landesfarben Österreichs, und auf der Blechtafel war zu lesen: »Süd-Tirol ist nicht Italien!«

Bei der dritten Partei des völkisch-separatistischen Milieus handelt es sich um »Die Freiheitlichen«. Sie sind im Dezember 1992 gegründet worden - unter Beteiligung des damaligen FPÖ-Chefs Jörg Haider, der bis heute von den »Freiheitlichen« als »Gründungspate« geehrt wird. »Durch seine familiäre Beziehung« sei Haider »Südtirol stets verbunden« gewesen, berichtete kürzlich Pius Leitner, der Landesparteiobmann der »Freiheitlichen«. Bis vor kurzem war Leitner qua Amt Mitglied im Bundesparteivorstand der FPÖ, die ihrerseits unter dem Schlagwort »Selbstbestimmung« für die Sezession der Provinz Alto Adige eintritt. Mitte November haben die »Freiheitlichen« jedoch – zumindest zeitweilig – mit der FPÖ gebrochen. Grund ist, dass die FPÖ im Europaparlament mit italienischen Faschisten kooperiert, die eine Abspaltung Alto Adiges natürlich niemals zulassen würden. In dieser Hinsicht, allerdings auch nur in dieser, waren die völkisch-separatistischen Kräfte Südtirols schon immer streng antifaschistisch – gezwungenermaßen.

»Die Freiheitlichen« sind gegenwärtig die stärkste der drei völkisch-separatistischen Parteien Alto Adiges. Lagen sie vor zehn Jahren noch bei 2,5 Prozent, so konnten sie diesmal 14,3 Prozent der Stimmen erzielen und sind nun mit fünf Mandaten die zweitstärkste Partei im Landtag von Bolzano. Außerdem haben sie zahlreiche Gemeinderatssitze inne und verfügen über eine eigene Arbeitnehmer- sowie eine eigene Jugendorganisation. Auf die Frage, was er unbedingt verändern wolle, antwortete Landesparteiobmann Pius Leitner kürzlich der Jungen Freiheit: »Die Teilung Tirols – es soll zusammenwachsen, was zusammengehört!«