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Die Elenden von Lódz

Steve Sem-Sandberg
Einleitung

»...der Mann ist ein MONSTRUM – Seine einzige Großtat bisher: in Rekordzeit sein eigenes Volk zu verschleudern und all dessen Habseligkeiten zu stehlen oder zu veruntreuen. Dennoch sieht eine Viertelmillion Menschen zu ihm auf wie zu einem Gott!« (S. 135)

In beeindruckendem Stil und einnehmender Sprache erzählt Sem-Sandberg in diesem dokumentarischen Roman die Geschichte des Ghettos von Lódz und dem Ältesten Chaim Rumkowski – mehr Monster als Mensch in seinem Pragmatismus, dass das Ghetto als Arbeiterstadt überleben kann. Um die Leser_in herum entfaltet sich das Leben im Ghetto mit all seinen Grausamkeiten und Bestechungen, kleinen Wundern und Überlebenskämpfen. Dargestellt anhand der Erlebnisse seiner Bewohner_innen wie Vera Schulz, einer deutschen Jüdin, die mit ihrer Familie ins Ghetto deportiert wird, dessen Sprache sie nicht spricht, und die gemeinsam mit ihrem Vater versucht, das Leben ihrer kranken Mutter zu retten. Oder das Leben Adam Rzepin, der unauffällig versucht, über die Runden zu kommen und in der Liebe zu seiner kranken Schwester lebendiger wirkt, als es der Älteste je sein kann, doch gleichsam beschützt wird von seinem Onkel Lajb, der ihn zweimal von den Listen jener streicht, die das Getto verlassen müssen und ihm eine Anstellung beschafft, die sein Überleben sichern soll.

Mit historischer Genauigkeit und schriftstellerischem Können besticht dieses Werk darin, zwischen Gewalt, Hunger und Hoffnung nichts zu beschönigen und den Verrat Rumkowskis an den Gettobewohner_innen genauso klar darzustellen wie seinen persönlichen Fall: Jemand, der immer untertänig war, ungeliebt, und in seiner neugewonnenen Macht jene vergisst, für die er all dies zu tun glaubt.

Steve Sem-Sandberg
Die Elenden von Lódz
Klett-Cotta 2011
651 Seiten