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»Fence Off« - Eine Kampagne gegen Neonazis in Leipzig

Einleitung

Kürzlich hat die Kampagne »FenceOff« gegen das Neonazizentrum in der Odermannstraße  im Leipziger Westen ihr vorläufiges Ende bekannt gegeben. Zuvor hatten eineinhalb Jahre lang Aktionen im Namen der Kampagne stattgefunden, die ihren Höhepunkt in einer bundesweiten Demonstration im September letzten Jahres gefunden hatten. Wir haben mit einigen Antifa­schis­t_innen gesprochen, die sich aktiv an der Kampagne beteiligt haben, sie nach ihrer vorläufigen Einschätzung befragt und nach ihren Beweggründen, die Kampagne vorerst zu beenden.

Foto: PM Cheung

Die wohl interessanteste Frage, die sich alle diejenigen stellen, die Eure Kampagne aufmerksam verfolgt haben – ist FenceOff gescheitert? Euer vorgebliches Ziel war doch das Ende des Neonazizentrums zur erreichen!

FO: Ja – und Nein. Einerseits müssen wir natürlich eingestehen, dass das Zentrum als dauerhaft nutzbarer Raum für die Neonazis immer noch besteht. Andererseits, und das gilt es zu betonen, hat sich während und durch die Kampagne viel verändert. Das hat uns dazu bewogen, unser Konzept zu überdenken und die Kampagne vorläufig für beendet zu erklären.

Könntet ihr nochmal kurz den Werdegang der Odermannstraße zusammenfassen und erklären, was sich während der Kampagne geändert hat?

FO: Die Odermannstraße war anfangs im Besitz von Winfried Petzold, einem ehemaligen Landtagsabgeordneten der NPD, und wurde später an seinen Sohn übertragen. Nach der Eröffnung hatte er sein Büro in dem Gebäude und konnte so einen großen Teil der Kosten von seinen Abgeordnetenbezügen bezahlen. Sein Ableben Anfang dieses Jahres hatte dementsprechend schwerwiegende Folgen für die Strukturen des Zentrums.  Derzeit versucht die NPD das Gebäude mit allen Mitteln zu halten. Das hat zwei Gründe: Ers­tens natürlich aus Propagandazwe­cken – ein Einknicken in der »Frontstadt« Leipzig wäre ein herber Rückschlag. Zweitens würde die NPD ohne das Zentrum die Anbindung an die Kameraden vom Freien Netz (FN) und anderen »Freien« vollkommen verlieren – einen Prozess, den FenceOff definitiv beschleunigt hat.

Also steht es um das Zentrum deutlich schlechter als noch 2010, bevor es FenceOff gab? Nichtsdestotrotz gehörte der Tod Petzolds wahrscheinlich nicht in Euer Konzept – inwiefern hat FenceOff also zu dieser Entwicklung beigetragen?

FO: Die Kampagne hat von Anfang an wie eine Kampfansage an die Neonazis gewirkt, die sich dort festgesetzt hatten. Vor allem die breit gefächerte Aufklärung vor Ort hat bewirkt, dass wirklich alle, die dort leben, nun darüber Bescheid wissen, wer ihre Nachbarn sind. So hat es die Kampagne beispielsweise geschafft, dass das lokale Presseorgan unseren Einschätzungen und Forderungen Raum gegeben hat – was so zuvor nicht üblich war.

Das hat natürlich eine unglaubliche Resonanz erzeugt – was uns sogar der Verfassungsschutz in seinem kürzlich erschienenen Bericht zugesteht. Die Neonazis waren dadurch in die Enge gedrängt und uneins über ihre Reaktion. Von Seiten der NPD kam daraufhin wohl die Ansage, die Füße still zu halten, da sie sich in Städten wie Leipzig keine »Ausrutscher« leis­ten kann. Einige »Freie« – also FN-Leute und vor allem Hooligans aus dem Umfeld des 1.FC Lokomotive – haben jedoch versucht, uns durch wahllose Übergriffe und Sachbeschädigungen einzuschüchtern, was jedoch die Solidarität um die Kampagne verstärkt und unsere Einschätzung noch augenfälliger gemacht hat.

Zwischenzeitlich sah es so aus, als würde die Stadt sich bemüßigt sehen, die Räume des Neonazizentrums mit Hilfe der Bauverordnung zu schließen. Wieso habt ihr nicht verstärkt in diese Richtung versucht zu wirken, sondern euch eher auf die Neonazistrukturen konzentriert?

FO: Alle Beteiligten an der Kampagne hatten mehr oder weniger den Konsens, nicht in eine Bittstellerposition gegenüber der Stadt zu verfallen. Andere haben sich im Umfeld der Kampagne bemüßigt gesehen, es zu versuchen, jedoch mit wenig Erfolg. Als explizit linksradikale Kampagne lag unser Schwerpunkt immer darin, über Neonazis, ihre Strukturen, Ideologien und Strategien aufzuklären, durch gezielte Interventionen ihre »Bewegung« einzuengen und Spaltungen zu provozieren. Darin sehen wir auch den Erfolg der Kampagne: Das breit ge­fäch­erte Nutzerumfeld des Zentrums ist wieder zerfallen. Die gewalttätigen Reaktionen auf unsere Aktionen haben dazu geführt, dass Teile der Freien sich aus dem Objekt zurückziehen mussten. So ist das Zentrum einerseits für die NPD sehr teuer und anderseits unattraktiv für diejenigen, von denen die größte Gefahr ausgeht.

Denkt ihr deshalb, dass das Zentrum demnächst vielleicht doch noch schließen wird? In welchem Zusammenhang steht diese ›Diag–nose‹ zum Ende der Kampagne?

FO: Wir hatten im Frühling durchaus den Eindruck, dass der Tod Petzolds dem Zentrum den Rest geben würde – das ist leider bisher nicht eingetreten und ob es noch passieren wird, wäre reine Mutmaßung. Für uns ist  jedoch deutlich geworden, welche strukturelle Relevanz die NPD als legale und ressourcenstarke Organisation für die Neonazis hat, auch wenn es immer wieder Streitigkeiten zwischen Partei und »Freien« gibt. Als lokale, stadtbezogene Kampagne ist FenceOff deshalb an ihre Grenzen gestoßen. Trotzdem haben wir es geschafft, eine gewisse Deutungshoheit über die lokale Neonaziszene zu etablieren und die Neo­nazi­strukturen sind so zerstritten wie lange nicht mehr. Die Bewegung steht aktuell am Scheideweg zwischen Partizipation am ›System‹ als nationale Rechtsaußenpartei und einer gewalt- und terrorbereiten Fundamentalopposition. Die Propaganda von der »seriösen Radikalität« ist mittelfristig Schwach­sinn, das zeigen die aktuellen Zerfallserscheinungen in Sachsen am deut­lichs­­ten.

Welche Lehren zieht ihr aus eurer Kampagne?

FO: Leider ist es uns kaum gelungen, andere Antifaschist_innen zu eigenen Aktionen gegen das Zentrum zu animieren. Deshalb sehen wir es derzeit als Hauptaufgabe, die Organisierung lokaler antifaschistischer Zusammenhänge voranzutreiben.
Die Kampagne hat gezeigt, dass es wichtig ist, umfassende Aufklärungsarbeit über Neonazis und ihre Strukturen zu leisten und diesbezüglich eine antifaschistische Deutungshoheit zu etablieren – vor allem gegenüber den Darstellungen von Polizei und Verfassungsschutz.

Dadurch erlangen antifaschistische Interventionen eine grö­ßere Wirkungsmächtigkeit und Akzeptanz.

So konnten wir beispielsweise ein Kategorie-C-Konzert und auch eine Veranstaltung mit dem Rechtsterroris­ten Karl-Heinz Hoffmann verhindern. Eine derartige Präsenz erreicht mensch im lokalen Rahmen natürlich nur durch eine kontinuierliche Arbeit und die Verknüpfung verschiedener antifaschistischer Aktivitäten. Kampagnen unter einem bekannten Label sind ein Weg dies zu erreichen.