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18 Monate Haft für Antifaschisten

Einleitung

Ende Januar 1990 wurde das Urteil gegen einen West-Berliner Antifaschisten gesprochen. Auch unter einem SPD/AL- Senat hat sich nichts daran geändert: Diejenigen, die nach Angriffen von rechten Schlägertrupps in den Maschen der Justiz hängen bleiben, sind nur in seltenen Fällen die rechten Angreifer.

Bild: flickr.com, Dierk Schaefer; CC BY 2.0

Am 2. September 1989 spielte Hertha BSC gegen Schalke 04. Nach dem Spiel marschierten extreme rechte Hooligans durch die West-Berliner Innenstadt, lieferten sich Schlägereien »mit Tischen und Stühlen« und griffen auf dem Breitscheidplatz eine Gruppe von AntifaschistInnen an. Auch ein Trupp Zivilpolizisten, angeblich durch gelbe Armbinden gekennzeichnet, lief auf die Gruppe zu. Einer der Zivilpolizisten, Polizeiobermeister B., wurde durch eine geworfene Flasche verletzt. Der Antifaschist Marco wurde festgenommen und befindet sich seitdem in U-Haft.

Am 31. Januar 1990 wurde Marco nach zehn Verhandlungstagen wegen gefährlicher Körperverletzung zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Außerdem soll er 30.000 D-Mark Schmerzensgeld an B. zahlen -10.000 DM mehr, als dessen Anwalt gefordert hatte. Ursprünglich lautete die Anklage auf schweren Landfriedensbruch, schwere Körperverletzung und schweren Widerstand, wurde dann aber »reduziert« auf schweren Landfriedensbruch und gefährliche Körperverletzung.

Für die Berliner Staatsanwaltschaft ist durch zwei Polizisten-Aussagen bewiesen, das Marco die Flasche warf. Marcos Bedauern, als er von der Verletzung des Polizisten erfuhr, überging er mit der Bemerkung, das dies nur »Demut« gegenüber den Polizisten gewesen sei, um entsprechenden »Behandlungen« vorzubeugen. Ein Flaschenwurf auf einen Menschen in bürgerlicher Kleidung sei „rücksichtslos und rau“, wogegen ein Wurf auf Polizisten mit Helm und Schild „demonstrativ“ gewesen wäre. Nur eine »erhebliche, empfindliche Freiheitsstrafe“ als „Spezial- und Generalprävention“ sei für ihn möglich. Außerdem würde ein entsprechendes Urteil von der Bevölkerung, besonders den Angehörigen von Polizisten – und dies seien 20.000 Personen - mit Recht erwartet.

Dieser Tenor passte genau zu Innensenator Erich Pätzolds (SPD) Vorgabe, der schon zuvor erhebliche, spürbare Strafen gefordert hatte. Rechtsanwalt Hans-Christian Ströbele machte den politischen Charakter der Verhandlung deutlich. Ressentiments gegenüber der Polizeiführung seien gerechtfertigt gewesen. Es wäre auch bekannt gewesen, das sich die rechten Hooligans getroffen hätten, um sich zu prügeln. Würde man sich vorstellen, andere Gruppen hätten dies angekündigt, hätte es sicher Massenfestnahmen gegeben und es wäre kein Durchkommen zum Breitscheidplatz gewesen. Ferner sei das wesentliche Merkmal der Hooligans ihre Gesinnung gewesen, sie hätten »Heil Hitler« geschrien und obwohl dies strafbar sei, habe kein Polizist eingeschritten. Nach Untersuchung der insgesamt 20 Zeugenaussagen kam Ströbele zu dem Ergebnis, das es keine klare Feststellung über den tatsächlichen Ablauf des Geschehens gibt. Er forderte Freispruch, hilfsweise höchstens ein Jahr zur Bewährung wegen gefährlicher Körperverletzung.

Der verantwortliche Richter ließ sich weder durch vorgetragene Tatsachen, noch durch die widersprüchlichen Polizeiaussagen beirren. Nach einer Prozessführung, in der er stets um Objektivität bemüht schien, folgte er letztendlich der Argumentation der Staatsanwaltschaft.

Als das Urteil verkündet wurde, machte sich bei den ZuschauerInnen Entsetzen breit. Während der Verhandlung kam es zwischen dem Richter und der Staatsanwaltschaft zu Auseinandersetzungen um Fragen der Verhandlungsführung. Der Richter wollte keine Ordnungsstrafen verhängen, sondern setzte lieber auf eine »pädagogische« Ruhigstellung. Daß er den Prozess auf eine »verständnisvolle« ruhige Art ungestört über die Bühne brachte, zeigt den Erfolg seines Konzeptes. Ein anderes Urteil war deswegen noch lange nicht zu erwarten.

Marco geht in die Revision und bleibt weiterhin in U-Haft. Das harte Urteil und die lange U-Haft haben Marco nicht resignieren lassen. In seinen Briefen schreibt er sehr viel über die unmenschlichen Haftbedingungen in der Haft in der JVA Moabit. Er setzt sich intensiv mit seiner eigenen Situation und der der übrigen Untersuchungsgefangenen auseinander und fängt an, sich mit anderen zusammen zur Wehr zu setzen. Seit dem 26. Februar 1990 beteiligte er sich an dem Hungerstreik von sechs Gefangenen gegen die Untersuchungshaftbedingungen in der JVA Moabit. An Marco wird ein Exempel statuiert. Die hohe Haftstrafe ist das „Erziehungsmittel“, um das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Das Urteil steht für die Repression, mit der alle rechnen müssen, die anfangen sich zu wehren und die Straße nicht den Neonazis überlassen wollen.