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20 Jahre organisierte Antifa in Norwegen

Einleitung

Einige Wochen vor Erscheinen dieser Ausgabe des AIB feierte die Antifaschistische Aktion (AFA) in Norwegen ihren 20. Geburtstag mit einem großen Fest in Oslo. Für uns ist dieses Jubiläum ein willkommener Anlass, um im Rahmen unserer internationalen Antifareihe, genauer nach Norwegen zu schauen. Wir gratulieren der norwegischen Bewegung und bedanken uns bei der AFA-Oslo für die Hintergrundinformationen.

Die Gründung der antifaschistischen Aktion in Norwegen fällt in das Jahr 1994. In diesem Jahr verübten Neonazis einen Bombenanschlag auf das autonome Zentrum Blitz in Oslo. Das Blitz wurde 1982 besetzt und wird seitdem von vielen aktiven Antifaschist_innen genutzt. Nach dem Anschlag beschlossen einige von ihnen, den Neonazis gezielter als bisher in organisierter Form entgegen zu treten. Die AFA wurde gegründet. In den 1980 und 90er Jahren existierte in Norwegen eine starke und äußerst gewaltbereite Neonaziszene. Neben  ständigen Angriffen auf Linke und andere Andersdenkende stand immer wieder das Blitz im Fokus der Attacken.

Drei Bombenanschläge wurden in dieser Zeit auf das Haus verübt. 1989 wurde ein Konzert mit 200 Besucher_innen mit einem Brandsatz angegriffen. Bei einem Bombenanschlag im Jahre 1994 wurde nur durch Glück niemand getötet. Die Stärke der Detonation war so groß, dass beim 60 Meter entfernten Krankenhaus alle Fenster zerstört wurden. Es ist nur der Stärke der Mauer, an der die Bombe angebracht worden war, zu verdanken, dass nichts Schlimmeres passierte. Ein weiterer Anschlag folgte 1995. Nach der Gründung der AFA konzentrierten sich die Neonazis auf Terrorkampagnen gegen Einzelpersonen. Zwischen 1994 und 1998 wurden mindestens vier Linke durch Schüsse verletzt und weitere mehrfach mit Schusswaffen bedroht. Mit Gründung der AFA wendete sich das Blatt langsam. In Zusammenarbeit mit Akti­vis­t_in­nen aus dem Blitz begannen Antifas die Neonazis aktiv zu konfrontieren. Zeigten sich Neonazis auf den Straßen Oslos, wurden sie offensiv und direkt angegangen. Die erhoffte Wirkung blieb nicht aus: Nach einigen heftigen Auseinandersetzungen im Laufe weniger Jahre, konnten  die Neonazis immer weiter zurückgedrängt werden. Ende der 1990er Jahre war die neonazistische Szene nahezu vollständig aufgerieben und kaum noch aktionsfähig. Ein Zustand, der sich bis zum heutigen Tag nicht grundsätzlich geändert hat.

In den letzten zwei bis drei Jahren ist zwar wieder ein leichter Anstieg an Neonaziaktivitäten zu erkennen, jedoch auf nie­drigem Niveau. Sie beschränken sich ausschließlich auf das Verteilen von Propagandamaterial. Die letzte Demonstration von Neonazis fand vor zwei Jahren in Trondheim statt. 25 norwegische und schwedische Neonazis versammelten sich in der Innenstadt und griffen Antifaschist_innen an, die am Rande protestierten. Für alle Teilnehmer_innen dieser Minidemonstration endete der Tag schlussendlich in Polizeigewahrsam.

Wie ihre KameradInnen in Schweden und Dänemark haben auch die norwegischen Neonazis Kontakte nach Deutschland. Der norwegische Neonazi Eirik Solheim ist Käufer des „Haus Montag“ in Pirna. Das Haus dient lokalen Neonazis als Anlaufstelle und die NPD hat ihr Büro im Haus. Das Haus ist an das Casa Pound Konzept aus Italien angelehnt (siehe AIB 101)

Das Blitz stellt für die Neonazis nach wie vor ein zentrales Angriffsziel dar. Das beweist der jüngste Angriff im letzten Jahr, als zwei extrem Rechte ohne Anlass Aktivist_innen angriffen, die im Eingang des Blitzes standen. Ein 16jähriger wurde mit mehreren Messerstichen niedergestochen. Die beiden Täter konnten von Leuten aus dem Blitz gestellt werden. Das Opfer der Messerattacke ist mittlerweile wieder wohlauf. (Vgl. AIB 101)

Antifa in Norwegen

Recherche und Aktionen gegen die Extreme Rechte sind die Arbeitsschwerpunkte der AFA. Aufgrund der aktuellen Schwäche der Neonaziszene und dem Anwachsen der Counter-Jihad-Bewegung seit 2011, nimmt jedoch die Beschäftigung mit dieser momentan die meiste Zeit in Anspruch. Diese "Bewegung" versucht ebenso wie die mit Populismus und antimuslimischem Rassismus und besteht aus Parteien und Bewegungen wie „Die Demokraten“ und "Norwegian Defence League" (NDL), die meisten dieser Aktivitäten weist die Gruppe "Stop islameseringen av Norge" (SIAN) auf, die Demonstrationen und Kundgebungen organisiert. Diese finden meist in Oslo statt und treffen jedes mal auf grossen Widerstand antifaschistischer und antirassistischer Gruppen. Im Umfeld dieser Organisationen sammeln sich die größten faschistischen Gruppen in Norwegen.

Die ebenfalls rechtspopulistische Frems­krittsparti (Fortschrittspartei, FrP) spielt für die AFA nur dann eine Rolle, wenn es um die Analyse des fremdenfeindlichen Klimas in Norwegen geht – eine Strategie, die seit langem im benachbarten Dänemark zu beobachten ist. Die dänische AFA sieht die extrem rassistische und rechtspopulistische "Dansk Folkeparti" nicht als ihr Arbeitsfeld. Auch die norwegische AFA begründet diese Entscheidung mit taktischem Vorgehen: Da die FrP mittlerweile eine anerkannte Partei mit Regierungsbeteiligung, und keine Protestpartei mit eingeschränkten Themen wie  Integrationspolitik und Steuerpolitik ist, falle es ihnen schwer, aufgrund ihrer Arbeits- und Aktionsweise, sinnvoll gegen diese vorzugehen. Viele akzeptieren die FrP als liberale Partei, deshalb müsse auf Einzelaspekte der Politik der FrP, und nicht mehr auf die Partei als ganzes geschaut werden.

Die Antifaszene in Norwegen ist wie die radikale Linke im Allgemeinen klein und auf die Großstädte konzentriert. Dennoch finden sich tragbare Strukturen und die Antifaszene ist weitaus größer als die der Neonazis. Feste Gruppen existieren in Oslo und Bergen, den beiden größten Städten Norwegens. Beide Gruppen pflegen engen Kontakt miteinander. Im Land verteilt gibt es weitere einzelne Aktivist_innen, die mit Informationen zur antifaschistischen Arbeit beitragen, aber nicht unter dem Label der AFA arbeiten. Über die festen Strukturen hinaus geht von den Aktivist_innen und dem Umfeld der autonomen Zentren Blitz in Olso und dem Uffa in Trontheim eine selbständige antifaschistische Arbeit und Initiativen aus. Das nördliche Norwegen ist in dieser Hinsicht leider wenig aktiv. In Tromso, dem städtischen Zentrum des Nordens, kann von kontinuierlicher und organisierter Arbeit nicht gesprochen werden. Trotz der - mit manchen anderen europäischen Ländern vergleichsweise - schwachen Organisierung, gibt es doch eine relativ breite antifaschistische Szene, die zum Beispiel zu Demonstration mobilisiert wird. Eine Ursache hierfür ist in der Geschichte des Landes zu finden. Seit der Besetzung Norwegens durch Nazideutschland existiert in der Bevölkerung ein klassischer Anti-Nazismus, der eine gewisse Offenheit gegenüber dem Konzept Antifa und der dazugehörigen Arbeit zulässt. Ihre Mobilisierungsfähigkeit haben die Antifas und das autonome Spektrum mehrfach unter Beweis gestellt. Im November 2012 organisierte die "Norwegian Defence League" (NDL) eine Demonstration, um gegen Muslime und Einwanderer_innen zu hetzen. Eine Gegendemonstration, von der AFA und anderen antirassistischen Gruppen und Parteien aus dem linken Spektrum organisiert, zählte über tausend Teilnehmer_innen. Noch nach Demonstrationsende versuchten mehrere Demonstrant_innen direkt an die Demonstration der NDL zu kommen, um ihrem Protest direkt Ausdruck zu verleihen. Diese Demo ist ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit von AFA mit Gruppen, die nicht Teil der Radikalen Linken sind. Solche Kontakte existieren, sind aber nicht immer ersichtlich. Es gibt vielfach Verbindungen zu Parteien, Gewerkschaften, freiwilligen Organisationen, Sportvereinen, etc. Gruppen, die ebenfalls antirassistische und antifaschistische Arbeit leisten, sind "S.O.S Rassisme" (S.O.S Rassismus) und "Ungdom mot Rassisme" (Jugend gegen Rassismus)“. "S.O.S Rassisme" ist von maoistische Gruppe „Diene dem Volk“ (tjen folket) unterwandert und "Ungdom mot Rassisme" ist eine gemeinsame Initiative der Jugendgruppen der etablierten Parteien. Mit beiden Gruppen meidet die AFA feste Zusammenarbeit, da sie autoritären oder staatstragenden Antifaschismus aus einem autonomen Selbstverständnis heraus ablehnt.

Weitere wichtige antirassistische Akteure sind das "Antirasistisk Senter" (Antirassistisches Zentrum), eine unabhängige bürgerliche Institution die seit über 30 Jahren antirassistische Arbeit wie Recherche, Dokumentation und Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, macht. Und das Internet-Portal "vespen.no", welches ebenfalls aus dem bürgerlichen Spektrum investigativen Journalismus und Aufklärung über hatecrime und antidemokratische und faschistische Gruppen und Milieus betreibt.