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Berufsverbot für Antifaschisten

Michael Czaszkoczy im Interview
Einleitung

Michael Czaszkoczy im Interview

Als im September 1995 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg die bundesdeutsche Praxis, politisch missliebige Menschen vom öffentlichen Dienst  auszuschließen, als mit den Artikeln 10 und 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention unvereinbar rügte, hofften viele, es habe mit dem Berufsverbot ein Ende. Aber weit gefehlt: Im August 2004 bekam Realschullehrer Michael Csaszkoczy durch eine Pressemitteilung von Kultusministerin Schavan die offizielle Bestätigung, dass er wegen Zweifeln an seiner Verfassungstreue nicht in den Schuldienst übernommen wird. Aus einer Akteneinsicht ging hervor, dass Michael mehr als 12 Jahre vom Verfassungsschutz bespitzelt wurde. In den Akten fanden sich beispielsweise Notizen über eine Demo gegen den Irakkrieg, ein Interview mit der Lokalpresse zur Räumung des Autonomen Zentrums, Beteiligung an Protesten gegen Naziaufmärsche, und sogar die Mitarbeit an einer historischen Dokumentation über eine lokale Widerstandsgruppe im Dritten Reich ist vermerkt. In einem »vertieften Vorstellungsgespräch« wurde als Beleg für seinen angeblichen »Extremismus« seine Mitgliedschaft in der Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD) angeführt.

Foto: K. Rose

In den 1970er Jahren hatte Baden-Württemberg eine Vorreiterrolle bei der Erteilung von Berufsverboten. Jetzt ist es wiederum Baden-Württemberg, das erstmals nach 13 Jahren ein Berufsverbot verhängt.

Da gibt es natürlich eine Tradition, die nicht nur darin liegt, dass Baden-Württemberg neben Bayern als erzkonservatives und besonders repressives Bundesland bekannt ist. Der Ministerpräsident, der hier für die Berufsverbotswelle in den 70er Jahren verantwortlich zeichnete, war der berüchtigte NS-Jurist Filbinger, ein Mann, den die Kultusministerin Anette Schavan erst jüngst wieder demonstrativ verteidigt hat.

Inwiefern spielt denn im aktuellen Verfahren Frau Schavan persönlich eine Rolle?

Natürlich steht Schavan auch in anderen Bereichen für eine repressive und autoritäre Politik, insbesondere in der Handhabung des. Das hat sich nicht zuletzt darin gezeigt, wie forciert sie gegen alle Widerstände das Kopftuchverbot an den Schulen durchgesetzt hat. Dabei spielt sicherlich nicht nur ihre ostentativ zur Schau getragene christliche Frömmigkeit, die hart an Fundamentalismus grenzt, eine Rolle, sondern auch machtpolitische Ambitionen. So bemüht sie sich nicht nur um das Amt der Ministerpräsidentin, sondern versucht auch, sich als bundesweit einzig relevante Bildungspolitikerin in der CDU/CSU zu profilieren. Da kommt ein wohldosiertes Hardlinerimage sehr willkomme .

Dir wird die Zugehörigkeit zur Antifaschistischen Initiative Heidelberg (AIHD) vorgeworfen und damit der Zweifel an deinem Eintreten für die »freiheitlich-demokratische Grundordnung« begründet. Bei der AIHD handelt es sich um eine Gruppe, die vorrangig lokal und regional agiert und bundesweit keine zentrale Bedeutung haben dürfte. Warum sind deiner Meinung nach gerade die AIHD und damit auch du in das Visier von VS, Innen- und Kultusministerium gekommen?

Pauschal und mit letzter Sicherheit lässt sich diese Frage nicht beantworten. Eine wichtige Rolle spielt aber sicherlich die Bündnispolitik der AIHD. So war auf der Homepage des Landesamtes für Verfassungsschutz zum Beispiel mit Besorgnis vermerkt worden, wenn ich auf Einladung des DGB eine Rede gehalten, in der Volkshochschule referiert oder für die VVN Stadtführungen gemacht habe. Tatsächlich ist es ein Anliegen der AIHD, sich nicht mit dem zugewiesenen Platz im linken Szene-Ghetto abzufinden, sondern radikale linke Positionen bis ins bürgerliche Lager hinein diskussionsfähig zu machen.

Frühere Repressionsanstrengungen des Staates gegen AntifaschistInnen, wie z.B. die §129a-Verfahren gegen die Antifa [M] aus Göttingen oder gegen die Passauer Antifa hatten primär zwei Zielrichtungen: Erstens über die erweiterten Ermittlungsmöglichkeiten einen Überblick über die örtliche Szene zu bekommen und zweitens der Versuch ganze Zusammenhänge zu kriminalisieren und zu zerschlagen. Du bist im Gegensatz dazu als Einzelperson betroffen. Hat sich damit deiner Meinung nach die Strategie der Repressionsorgane verändert?

Das glaube ich eigentlich nicht. Ein Repressionsschlag gegen Einzelne soll immer auch eine Struktur treffen und umgekehrt. Auch in den §129a-Verfahren gegen AntifaschistInnen saßen schließlich Einzelpersonen auf der Anklagebank.

Welche Auswirkungen hat das Verfahren auf dich als Betroffenen und auf eure politische Arbeit?

Natürlich sind solidarische Strukturen ungemein wichtig, um solch einen staatlichen Angriff aufzufangen. Es tut natürlich gut, zu erfahren, dass es solche Strukturen in der Linken noch gibt; insbesondere ist hier die Rote Hilfe zu nennen. Gleichzeitig ist es uns wichtig, in unserer politischen Arbeit nicht in die Defensive zu kommen und uns nicht auf Antirepressionsarbeit festlegen zu lassen. Ein Problem, mit dem wir umgehen lernen müssen, ist, dass die Gefahr besteht, dass alle Aktivitäten der Gruppe nun einer einzelnen im Rampenlicht stehenden Person zugeschrieben werden. Aber auch dafür lassen sich solidarische Lösungen finden.

Wie wird es nun weitergehen?

Zum einen ist da der juristische Weg, auf dem ich von der GEW erfreulicherweise sehr klar unterstützt werde. Mein Widerspruch gegen das Berufsverbot ist vor wenigen Tagen abgelehnt worden. Nun beginnt die Klage vor dem Verwaltungsgericht, die allerdings sehr lange dauern kann. Letzten Endes wird diese Angelegenheit aber nicht juristisch, sondern politisch entschieden werden. Im Oktober hat ein breites Demobündnis von Gewerkschaften, Menschenrechtsgruppen bis hin zu Antifas und Organisationen der radikalen Linken immerhin an die 1000 Menschen auf die Straße gebracht. Öffentlichkeitsarbeit ist natürlich immens wichtig, aber sie braucht immer Anlässe. Hier ist auch die Phantasie von vielen Gruppen und Menschen von Nöten.
Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte die AIHD für uns.
www.autonomes-zentrum.org/ai